portrait des boulevard-journalisten günter stampf von stephan lebert und daniel müller:
Günter Stampf war der Wunderknabe des Boulevardjournalismus, ein Star der Branche. Aber irgendwas ist furchtbar schiefgelaufen. Vor einem Jahr brachte er sich um
der kunsttheoretiker michael lingner schreib 2006 diesen kritischen artikel über den artist pension trust (APT):
Statt in den Genuss vermeintlich sozialer Leistungen zu kommen, werden Künstler und Kunst in einer bisher ungeahnten Weise zum Spielball eines rein gewinnorientierten, professionellen Spekulantentums.
der artikel wurde in meinen timelines nach oben gespült, weil der APT jetzt versucht, die hälfte seines kunstbestands auf den markt zu werfen. warum das irgendwen interessieren sollte? lingner warnt, dass die kunstszene nicht mehr der kunst, der wahrheit, dem diskurs oder „freimut“ fröhnt, sondern nur noch dem marktwert, dem gewinnstreben:
Was dem Investor, Künstler oder Kurator als rein finanzielle Privatangelegenheit erscheinen mag, kann für den gesamten öffentlichen Kunstdiskurs und -betrieb fatale Folgen haben. Denn die ohnehin bestehende Neigung zur Unterdrückung freimütiger Wertungen wächst auch im Betriebssystem Kunst weiter, wenn befürchtet werden muss, dass sich Kritik generell als geschäftsschädigend auswirkt oder so aufgefasst werden kann. Entscheidungen über künstlerische Projekte und Karrieren fallen dann unter dem beschränkten Gesichtspunkt, was strategisch für die eigene Positionierung und die der anderen Trusties am günstigsten erscheint.
mit anderen worten: der kunst droht die samwerisierung¹, die ferrarisierung und totale trivialisierung.
in ein geschäft, das lukrativ erscheint, einzusteigen und zu versuchen, schnell, aber nicht unbedingt nachhaltig, zu wachsen, viel aufmerksamkeit und marktanteile zu erreichen und dann, auf dem höhepunkt, einen gutbezahlten exit hinzulegen, also auszusteigen bevor risse in der fassade die leere hinter den kulissen offenlegt.
mit anderen worten, samwerisierung ist eine variante des guten alten rein-raus-spiels. gewinner ist am ende der mit der dicksten hose.
ich finde das ja super, dass konzerne wie shell oder die formel1 videos auf youtube mit fadenscheinigen urheberrechtansprüchen oder anderen schmutzigen tricks wegzensieren können. damit wird nämlich jedesmal wunderbar sichtbar, welche haltung diese konzerne und die menschen die an ihrer spitze stehen haben. sie verachten freie meinungsäusserung und glauben tatsächlich dass sie mit hilfe ihrer anwälte öffentlichkeitsarbeit betreiben können.
joshua bearman (der die „argo“-story für wired schrieb, die später in einen leider furchtbar langweiligen film verfilmt wurde) hat die geschichte von ein paar hippis aufgeschrieben, die in den 60er jahren in coronado (eine insel vor san diego in kalifornien) ein haschish-schmuggel-imperium aufbauten. breaking bad in den sechzigern, sozusagen. die geschichte steht in der juli-ausgabe der GQ ist episch lang (ich habe erst ein drittel davon gelesen) und noch nicht kostenlos im netz zu lesen.
im september veröffentlicht die GQ die geschichte auch im netz, bis dahin kann man die geschichte hier kaufen oder als amazon single für €2,68 (amazon werbelink). ich finde die knapp drei euro lohnen sich.
die brauseboys haben auch die direktkandidaten von berlin-mitte zu gast. am 29.08.2013 um 20:30 uhr mit klaus lederer (die linke) und therese lehnen (piraten), am 05.09.2013 um 20:30 uhr mit hartmut bade (FDP) und philipp lengsfeld (CDU) und dem grossartgen manfred maurenbrecher und am 12.09.2013 um 20:30 uhr dann rot-grün mit eva högl und özcan mutlu. /via heiko werning
Wolfgang Herrndorf hat sich am Montag, den 26. August 2013 gegen 23.15 am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen.
vor ein paar tagen standen wir bei einem sonntagsspaziergang plötzlich an einer fussgängerbrücke über den hohenzollernkanal. ich bewunderte die urwüchsigkeit des uferwegs unter der brücke, den krassen kontrast des wunderbar, beinahe romantisch zugewachsenen einen ufers und des anderen ufers das steinig und mit zweckmässigen gewerbehallen zugebaut war. die beifahrerin sagte: „hier wohnt wolfgang herrndorf“ und zeigte auf das milde gentrifiziertes wohnviertel auf der seite des urwüchsigen ufers. ich dachte kurz an ihn, wie es ihm wohl ginge und wir gingen dann noch ein eis essen.
An so etwas Kitschiges wie ein Nachleben irgendeiner Art nach dem Tod hat er nicht geglaubt. Auch das kann man in dem Blog nachlesen. Aber so war es halt. Dann ist die Krähe lässig davongehüpft.
als ich gestern abend etwas später nachhause kam, las die beifahrerin dem kind aus tschik vor. ich habe das buch nicht nicht gelesen. aber was sie da vorlas hörte sich unprätentiös und präzise an. hin und wieder, an etlichen stellen, lachten die beifahrerin und das kind. ich lachte auch ein paar mal still mit.
[...] die Texte der Bundeskanzlerin eine echte Prüfung. Es ist kaum möglich, sich mehrere Stunden am Stück auf Angela Merkels Sprache zu konzentrieren. Nach drei Manuskripten sehnt man sich nach japanischem Meerrettich löffelweise, um gegen die wachsende geistige Lähmung anzukämpfen. Da gibt es nichts, was einen fordert, nichts, was einen mitreißt oder woran man sich stößt, sei es vor euphorischer Zustimmung oder empörtem Zorn, alles plätschert gleichmütig vor sich hin [...]
und, ganz entscheidend:
Angela Merkel domestiziert Kritik durch simulierte Freude an einem Diskurs, den sie nicht führt.
Meine Zweitstimme (das ist trotz des Namens die wichtigere Stimme) bekommt nach langen Nächten der politisch-ethischen Selbstanalyse die Piratenpartei. Und zwar nicht nur halbherzig, wie vom Häkelschwein, sondern mindestens dreiviertelherzig. Für den Fall, dass ich damit jemandem bei ihrer/seiner Entscheidung helfe, hier eine kurze Erklärung, warum die drei häufigsten Gegenargumente, die ich in meinem erweiterten Bekanntenkreis höre, für mich nicht stichhaltig sind.
wobei man wissen muss, dass anatol stefanowitsch mitglied der piratenpartei ist (was er auch im text erwähnt).
mein bauchgefühl sagt mir schon seit längerem, dass die piraten bei der bundestagswahl mehr als 5 prozent erreichen werden. bisher war ich nicht sicher, ob das wunschdenken oder die intuition zu mir sprachen. jetzt hoffe ich zumindest, dass es auch ein paar gründe für mein bauchgefühl geben könnte.
christian bommarius über die berufung von nikolaus blome als stellvertretenden spiegel-chefredakteur. im prinzip deckungsgleich mit meinen mageren worten dazu vor ein paar tagen, nur viel verständlicher ausgedrückt:
Drittens steht Blome, bisher stellvertretender „Bild“- Chefredakteur und Leiter der Hauptstadtbüros, nicht im Verdacht, eine politische Ausrichtung zu vertreten, die er nicht jederzeit ins Gegenteil verkehren könnte. Was seine Gelenkigkeit betrifft, kann sich Blome mit den Besten der Branche aussichtsreich messen. Gestern noch versuchte er - wie Franziska Augstein, die Tochter des „Spiegel“- Gründers, zornig bemerkte -, den vom „Spiegel“ recherchierten NSA- Skandal zu bagatellisieren. Na und? Morgen wird er das Gegenteil schreiben, falls es die Umstände empfehlen.
wenn das mit der verschwiegenheit bei den angemieteten NSA-sysadmins so gut funktioniert wie bei apple entwicklern (die alle eine verschwiegenheitsklausel (NDA) unterschrieben haben), dann gute nacht.
Google was right in saying it doesn't have a backdoor for government; its front door is wide open.
und so scheinen auch die türen von allen anderen grossen technik-konzernen offen zu stehen. oder anders gesagt, durch besondere regierungsferne scheinen sich weder facebook, apple, oracle, yahoo, cisco, netflix oder twitter zu profilieren:
Das Niemöller-Gedicht ist abgelutscht, und ich habe es letztens trotzdem getwittert. Erst Aktivist_innen, dann Hacker_innen, jetzt Journalist_innen, dann ..? Die Presse ist einigermaßen erschüttert angesichts der zertrümmerten Guardian-Festplatten, zu Recht. Ich gebe zu, ich auch.
markus pfeifer über schrumpelige pflaumen zum einkochen und mit eigenem video-blog. ich verlink matussek-sachen jetzt nicht mehr direkt, aber teile dafür meks einschätzung.
wolfgang michal über die alt- und die mögliche neuausrichtung des spiegel. wenn mich jemand fragen sollte: spaltet euch. in einen gedruckten spiegel für leute die gerne geschichten über das dritte reich und über gesundheit und die gefährlichkeit des internets lesen und nennt spiegel online um in beispielsweise neues blatt.
stefan laurin freut sich auf die amerikanischen bomben und raketen die auf syrien niederprasseln werden.
wobei ich mich nicht an einen einzigen despoten erinnern kann, der mit luftangriffen in die knie gezwungen wurde. aber das sind vielleicht auch unwichtige details. wichtig ist die fassade: wir müssen etwas tun. irgendwas. also tun wir etwas. bum, bum. so, jetzt haben wir etwas getan.
Bizarr: Die britische Regierung könnte selbst Informationen geleakt haben, um ihre eigenen, teilweise deutlich überzogenen Maßnahmen gegen Leaks zu legitimieren.
wieder spiegel online. ich frage mich: schämen die sich nicht in der redaktion? ulrike putz übersetzt und fasst die geschichte vom entführten amerikanischen fotografen matthew schrier aus der new york times zusammen und verlinkt das original nicht. im text befinden sich interne links auf spons syrien-, guantanamo-, al-qaida- und CIA-dossiers, aber die vorlage, die quelle, wird nicht mit linkliebe bedacht.
allerdings wird die nyt-geschichte ein bisschen aufgepeppt. so schreibt ulrike putz, dass der zweite taxifahrer der schrier zur grenze bringen sollte sich seltsam benommen hätte. im original der new york times steht davon kein wort.
But there was a complication. His expected driver did not arrive. After waiting for more than a day, his hosts arranged a taxi with a driver they said he could trust.
zwei absätze später steht im nyt-artikel zwar dass der fahrer später „widely shifting tales of what happend“ erzählte und wahrscheinlich in die entführungspläne eingeweiht gewesen sei. dass er sich seltsam benahm, hat ulrike putz einfach dazugedichtet.
ich kann dieser abschlussarbeit von drei künftigen werbefuzzis auch nichts abgewinnen. andererseits gönne ich leuten die beim wort „adolf“ kichern müssen oder beim flachen umdeuten von werbesprüchen die schenkel klopfen auch ihren spass. mario barth hat ja kein monopol auf primitiv-humor.
ich verstehe die logik des clips aber auch nicht. man sieht dort ein auto, das adolf hitler als kind überfährt. die erklärung dafür ist, dass das auto ein assistenzsystem habe, dass gefahren erkenne, bevor sie entstehen. wenn das so wäre, müsste das system sich eigentlich selbst zerstören. nicht nur wegen asimov, auch aus logischen gründen, denn jedes system das unschuldige tötet stellt eine gefahr dar.
die ex-MI5-agentin sagt zwar nicht was wir dagegen machen können, sondern das wir etwas dagegen machen sollten und warum proportionalität und nicht irrationalität die reaktion bestimmen sollte:
In einer wirklich freien Gesellschaft muss die Antwort auf den Terrorismus proportional zur eigentlichen Gefahr sein. Wir wollen ein bestimmtes Maß an Freiheit in dieser Gesellschaft und wir sind bereit, ein bestimmtes Risiko dafür einzugehen.
Es darf dabei KEINE Rolle spielen, ob die Aufdeckung eines Fehlverhaltens staatliche Autorität untergräbt. Es ist das Fehlverhalten, das die Autorität untergräbt - nicht dessen Aufdeckung. Staatsextremisten, so mein Fazit, untergraben also die Autorität des Staates, indem sie ihn und sein Handeln über das Recht stellen. Sie gefährden damit unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.
ines pohl umgang mit leaks hört sich in meinen ohren nicht besonders souverän an. forderungen nach transparenz richten sich witzigerweise ja immer nur an die anderen. die eigenen interna werden nicht öffentlich diskutiert. basta. /via rivva.de
mark rumold von der electronic frontier foundation in der new york times:
“This opinion illustrates that the way the court is structured now it cannot serve as an effective check on the N.S.A. because it's wholly dependent on the representations that the NSA makes to it," Rumold said. “It has no ability to investigate. And it's clear that the N.S.A. representations have not been entirely candid to the court."
zur erinnerung wen sich der spiegel da ans vertretungs steuerrad holt, stefan niggemeier im november 2011: Blomige Worte über Volksverhetzung.
mein problem mit leuten die für blätter wie die bild arbeiten ist ja, dass sie oft glauben haltung sei eine frage des arbeitsvertrags. das mag zwar unter journalisten oder managern oder caffe-latte-verkäufern eine weit verbreitete einstellung sein, ich nehme mir jedoch die freiheit, diese leute (zumindest in führungspositionen) zu verachten. ich möchte bildzeitungsfüller, auch wenn sie sich ein weisses hemd überstreifen, weiterhin als kanalarbeiter sehen, die mit schmutz werfen, missgunst, hass und ängste sähen.
und was den spiegel angeht ist es ja vielleicht mutig von wolfgang büchner jetzt radikal das steuer herumzureissen und den kurs des spiegel neu und anders zu denken. aber dass der kurswechsel in richtung güllebecken führen muss, ergibt für mich derzeit einfach keinen sinn. ein kurs der radikalen offenheit, ein starkes selbstbewusstsein gepaart mit demut, eine abkehr von der alten, allwissenden bescheidwisserhaltung zu einer haltung die der komplexität der welt gerecht wird und auch zweifel und verzweiflung erlaubt, das hätte ich mir gewünscht.
stattdessen wird wohl ein ausbau der spiegel-grosskotzigkeit und -überheblichkeit geben, neuerdings mit der bereitschaft auch unter der gürtellinie zu treten, auch gerne mal bei schwächeren.
et kütt wie et kütt.
(oder anders ausgedrück, ich ergreife mal, angesichts des sechs schrillionsen leaks, die gelegenheit und verlinke mal wieder das rheinische grundgesetz.)
die aufregerstory gestern von alan rusbridger, dem chefredakteur des guardian. ich staune ehrlich gesagt nicht schlecht über das schamlose ausspielen von staatlicher macht in england. weder vor zensur, noch vor direkten angriffen auf die pressefreiheit, bis zum eingeständnis völliger inkompetenz und weltfremdheit schreckt man in regierungskreisen zurück.
und die konservativen, die dem staat noch nicht einmal den effektiven und verlustfreien betrieb von produktionsanlagen, gesundheits- und sozialsystemen oder sonstirgendetwas zutrauen und all das stets und immer privatisieren wollen, weil der staat so inkompetent, unflexibel und fehleranfällig ist, die wollen jetzt, dass der staat das leben, die informationversorgung und die sicherheit der bürger durchreguliert, -organisiert und garantiert, mit vollmachten, die weit in den privaten bereich hineinreichen? wann ist den konservativen eigentlich die logik abhanden gekommen? was ist da passiert? ist der starke, allmächtige staat jetzt in allen politischen lagern alternativlos?
andré vatter schreibt über schlechte erfahrungen beim einkaufen. und peter breuer auf facebook auch. und jeder der in deutschland aufgewachsen ist weiss, dass man sich beim einkaufen, beim sachen zum reparieren abgeben oder allgemein beim kontakt mit dienstleistern grundsätzlich für die mühen die man verursacht zu entschuldigen hat.