der tagesspiegel im iphone-kiosk

felix schwenzel, in wirres.net    

montags kauf ich mir vor meiner fahrt von hamburg nach berlin immer den tagesspiegel. in berlin kauf ich mir den tagesspiegel nie, da bin ich mit dem leer-lesen des internets vollauf beschäftigt. im zug gibts kein (zuverlässiges) internet, deshalb hab ich immer altpapier dabei. bis jetzt.

mit dem neuen iphone-OS und dem iphone-kiosk („newsstand“) in dem auch der tagesspiegel zu bekommen ist, hab ich mir am monatg den weg zum kiosk gespart und habe mir die montagsausgabe in der tagesspiegel-app als pdf aufs iphone geladen.

normalerweise, wenn ich einen interessanten artikel im tagesspiegel finde, das passiert manchmal (beispiel), fotografiere ich den ab oder notiere mir die überschrift um ihn später zu vesenden oder zu verlinken oder drüber zu bloggen. in der tagesspiegel-app lassen sich artikel glaube ich auch zu facebook sharen, aber eben auch abfotografieren und per email versenden.

„Der Psychiater, der Internet-Süchtigen hilft“

heute früh (dienstag) hab ich den tagesspiegel tatsächlich auch gelesen, allerdings nicht als pdf, sondern als kompaktere text-version. das ging auch gut. und schnell. und angenehm.

bis zum 13.11.2011 ist das tagesspiegel-abo kostenlos. das werde ich bestimmt noch das eine oder andere mal nutzen.

Nach Abschluss der 30-tägigen Testphase können Sie ePaper-Ausgaben im Einzelkauf für 0,79 € oder im Rahmen verschiedener Paketangebote erwerben.

und das werde ich sicher auch nutzen. statt der altpapierversion für, wie ich glaube, mittlerweile einen euro vierzig (ausserhalb von berlin), sind 79 cent doch echt OK. lässt sich offline lesen, abfotografieren, teilen und auf andere geräte transferieren. gute sache.

was ich auch mag, sind wie immer die details: das app-icon auf dem iphone zeigt stets, ganz klein, aber erkennbar, das aktuelle, bzw. zuletzt heruntergeladene titelblatt.

iphone-kiosk

der vorkoster

felix schwenzel, in wirres.net    

den hinweis wollte ich eigentlich in die links packen, habe mir aber heute abend aber schon zwei sendungen von der „vorkoster“ angesehen und bin begeistert. folgendes hätte in den links gestanden:

* * *

* faz.net/blogs/supermarkt: Ein Sternekoch kauft ein: Björn Freitags Erfahrungen als „Vorkoster“

peer schader über björn freitag der für den WDR den „vorkoster“ macht und sich anguckt wo das essen im supermarkt herkommt und was drin ist.

* * *

ich habe mir die sendungen „Wie gesund ist Salat wirklich?“ und „Welche Milch ist wirklich gut für uns?“ angesehen und bin ziemlich angetan. björn freitag stellt genau die richtugen fragen und verfolgt welche wege die lebensmittel vom produzenten zu uns in den supermarkt nehmen. das ist teilweise ziemlich spannend und überraschend. so legen die laborergebnisse der milchanalysen nahe, dass auch bio-kühe und die kühe die „faire milch“ produzieren, in ihrem leben kein gras ins maul bekommen haben.

zum thema miclhkühe lohnt es sich vielleicht auch die reportage von harald martenstein zu lesen, die er 2007 in den tagesspiegel schrob.

„der vorkoster“ ist sehr sehenswert, hier kann man sich die älteren sendungen ansehen.

humorkritik

felix schwenzel, in wirres.net    

ich hab nach drei vier absätzen aufgehört diesen text von anja maier zu lesen. ich fand den text in etwa so vergnüglich wie einen quersitzenden furz oder eine zehn minuten doku-soap im privarfernsehen gucken. langweilig und auch ein bisschen schmerzhaft. schmerzhaft, weil mir fremdschämen halsschmerzen verursacht (von den klössen) und mir manche arten humor darmprobleme bereiten (eine art brechreiz).

eigenartigerweise schreibt anja maier teilweise ganz witzig, wenn sie über ihre eigenen unzulänglichkeiten und ihre kinder und familiengedöns schreibt. teilweise setzt sie unter ihre texte aber auch eine warnung: „Liebe Leserbriefschreiber! Ich geruhte zu scherzen.“

anja maier ahnte also bestimmt, was passieren würde, wenn sie einen text in der taz veröffentlicht über „rinder“ die im café ihre „euter“ rausholen um ihre kinder stillen und irgendwie total stören und doch wieder dahin gehen sollten „wo sie herkommen“: viele leserbriefe und viel empörung. und ein paar leute die herzhaft lachen.

wegen der empörung (facebooklink, möglicherweise nicht für jeden sichtbar) bei vielen denen ix folge, hab ich mir den text dann doch nochmal ganz durchgelesen. das problem mit dem text ist meiner meinung nach, dass er wie poliertes messing-imitat wirkt. angeblich rantet in dem text eine café-besitzerin über die nervigen prenzlbergmütter („rinder“). das ganze ist aber so überzogen und thematisch eigenartig weit aufgespannt, als hätte anja maier das vorher gegliedert und dann an den gag-schreiber von oliver pocher übergeben, damit der das mit pocher-pointen spickt.

(kurze erinnerung aus welchen bauteilen pocher-humor besteht: fotze, ficken, rinder, euter, titten, arschficken)

authentisch wirkt der text nichtmal ansatzweise, was dann die ohnehin nicht vorhandenen distanz von anja maier zum gesagten noch weiter schmälert. man erkennt nicht mehr, hasst anja maier die mütter oder die café-besitzerin oder beide — oder keine von beiden, weil das einfach mal raus musste und ja auch so „erschreckend wahr, […] tragisch und vor allem urkomisch“ ist?

die hasstiraden werden bedauerlicherweise auch nicht gebrochen. hasstiraden sind manchmal mit selbstbeschimpfung und explizitem selbsthass ganz gut zu ertragen. bosch kann sowas super. sich selbst, die welt — alles hassen — und ich muss trotzdem fast immer kichern, wenn ich bosch lese. auch das kann ein grandioses missverständnis sein, genauso, wie ich vielleicht den bruch, die ironie, die relativierungen oder brüche bei anja maiers euter-text nicht zu erkennen vermag und sie und ihren euter-humor deshalb nicht verstehe.

jetzt könnte der einwand kommen: aber es sind doch nicht anja maiers worte in dem artikel! naja, wörtliche zitate sind das aber sicher auch nicht. ich glaube, dass da ne menge literalisiert wurde. oder im besten falle suggeriert.

* * *

bei peter praschls texten hab ich auch nicht immer das gefühl, dass sie von einem grossen menschfreund geschrieben wurden. aber er kann dinge wunderbar auf den punkt bringen. wie jetzt. in diesem text hat er die ressentiments aus anja maiers text gezogen und gibt den als „euter-rinder“ beschimpften prenzlbergmüttern ein gesicht. das gesicht seiner frau: „Meine Frau. Das Arschloch.“

Die Frau, die ich liebe, mit der ich lebe und mit der ich ein Baby habe, ist so eine Prenzelbergmutter. Ein Arschloch. Sie hat es sich nicht ausgesucht. Die Adresse und das Kind, aber nicht, den Arschlochhassern Anstoß zu sein, aus dem einzigen Grund, dass sie sichtbar ist. Die Arschlochhasser können sie sehen. Wenn sie mit dem Kinderwagen unterwegs ist, mit dem Kind im Kaffeehaus sitzt, mit dem Kinderwagen einkaufen geht.

witzig ist das was peter praschl schreibt auch nicht. aber man kann es schmerzfrei lesen. naja, ein bisschen tuts weh, weil praschl recht hat.

[via mathias richel]

* * *

ich mach mich ja auch gerne lustig über funktionskleidungsträger im prenzlauer berg (und anderswo) und mir fällt auch hin und wieder auf, dass mütter, so ganz allgemein, auch viel älter sind als früher, wenn sie kinder kriegen. manchmal, wenn ich irgendwo sitze, egal ob in hamburg, berlin, im prenzlauer berg oder in der speicherstadt, rege ich mich auch mal über kindergeschrei auf. öfter aber noch über das geschrei von leuten die nicht in normaler lautstärke reden können oder meinen im zug in ihr telefon schreien zu müsssen, obwohl die mikrofone in modernen telefonen wirklich sehr, sehr empfindlich sind. man glaubt es kaum, aber es gibt jemanden der montags im ICE von hamburg nach berlin pünktlich um 6:25 furzt. dagegegn ist kindergeschrei eine wonne.

gerade gestern mal wieder, sass im balzac eine nicht mehr besonders junge mutter mit ihrer dreijährigen tochter neben mir und redete auf ihr kind ein. dass es das croissant jetzt langsam mal aufessen solle, sich ein bisschen beeilen solle, nicht so viel mit dem essen rumspielen solle und ganz allgemein, dass sie essen nicht wegwerfen möchte und jetzt langsam mal los müsse. das nervte irgendwie gar nicht, was nervte, war der kläffer den eine frau ohne kind und ohne kinderwagen mit ins balzac gebracht hatte und der dann die gelegenheit ergriff und kläffte.

ich kann mich oft einfach nicht entscheiden, was mehr nervt. kläffer, laut-telefonierer im zug, hundekacke auf dem gehweg, fickgeschrei im hinterhof, leute die im ICE furzen, kinder die laut sind oder eltern die ihre kinder anschreien, sie sollten jetzt mal leise sein. oder diese unablässig „pssssst“-zischenden eltern.

das ist irgendwie alles wie beim blog-geschlecht. ich weiss nicht was mehr nervt, leute die sich über leute aufregen die „der blog“ sagen — oder leute die tatsächlich „der blog“ sagen. vielleicht sollte man sich doch weniger aufregen?

* * *

überhaupt. was gibts eigentlich gegen latte macciato zu sagen? oder allgemeiner, gegen guten kaffee?

und: ab wann ist man eigentlich ein yuppi? wenn man kaffee für einen euro kauft, zwei oder drei? oder wenn man eine kaffeemaschine für 100, 200 oder mehr als 300 euro kauft? wenn man tomaten auf dem markt kauft? oder wenn man gar zu aldi geht? aus schwaben kommt? (ich bin nach dem studium aus stuttgart nach berlin gezogen.)

ist man ein yuppi wenn man bestimmte zeitungen bei kaffeetrinken liest oder wenn man zeitung oder facebook oder sonstwas auf einem bildschirm liest?

tragen yuppis wirklich alle funktionskleidung? und sind die prenzlbergmuttis wirklich an der gentrifizierung und dem schlechten humor der schlechten laune von ex-ossis, die sich in „ihre alte Heimat begeben“ schuld?

nutze deine stimme

felix schwenzel, in wirres.net    

während ich so im internet über #occupywallstreet und #0zapftis lese kam mir mal wieder der gedanke in den sinn, warum ich ins internet schreibe: weil ich mich gerne aufrege und ich aufregen für eine der triebfedern des bloggens halte. und dieses aufregen, sich über etwas konkretes oder weniger konkretes aufzuregen, ist nicht nur eine triebfeder des bloggens, sondern auch ein weg etwas zu ändern. wenn sich nur genug leute aufregen und das hörbar artikulieren, ändert sich als erstes die wahrnehmung. die wahrnehmung, dass man einfach so weitermachen könne. die wahrnehmung, dass die mehrheit schon ruhig bleiben wird. die wahrnehmung, dass sich ausser einem selbst niemand aufregt.

ob man seine empörung nun ins internet schreibt oder irgendwann sogar auf die strasse geht ist nicht entscheidend. entscheidend ist sich hörbar oder sichtbar aufzuregen. über ungerechtigkeit, gier, dummheit, unverfrorenheit, lügen.

wichtig ist auch, sich nicht einreden zu lassen, dass man eine versalzene suppe nur kritisieren dürfe, wenn man kochen könne. sich über eine versalzene suppe zu empören steht jedem frei. wichtig ist nur, dass man es tut, auch wenn es in anderen teilen der welt salzigere oder gar bittere suppen gibt.

selbst christopher lauer von den piraten regt sich jetzt endlich auf (und zerschiesst dabei ausversehen ein paar fakten, aber das ist OK). sich still aufregen sollte nur die vorstufe zum sich laut aufregen sein. wenn alle unzufriedenen laut rufen, kann es zwar sein, dass man keine agenda oder einzelforderungen mehr heraushört, aber das ist erstmal egal. wichtig ist zu verstehen, dass man eine stimme hat — und das diese stimme hörbar ist.

empört euch. geht an die börse. schrei(b)t.

rss befreit

felix schwenzel, in wirres.net    

thomas pleil wundert sich ob und wie delicious ihn beim kuratieren von ledetipps unterstützt.

Digitales Kuratieren ist ein Dienst für andere, um ihnen Lesetipps zu geben und einzelne Fundstücke aus dem rasenden Infostrom des Internets festzuhalten.
[…]
Ich finde einen interessanten Beitrag, kommentiere ihn kurz und verschlagworte (tagge) ihn. Das Ganze wandert dann (einschließlich Tags) in mein Blog – zu meinen Lesern. Mir war diese Möglichkeit besonders sympathisch: Erstens, weil ich diese Art von Beiträgen auch bei anderen gern lese, zweitens, weil das Ganze in mein Ecosystem hineinkommt, drittens, weil der Aufwand für mich relativ gering ist, denn ich muss nicht eine halbe Stunde am Stück meine Links zusammenkramen, sondern lege sie ab, sobald ich drüber stolpere.
[…]
Doch – und damit endlich zur Überschrift – Delicious mag das nicht mehr.

auf der einen seite arbeitet delicious daran, neue wege für das kuratieren, das weitergeben von lesetipps zu entwickeln, andererseits wurden beim neuen delicious einige erprobte und liebgewonnene methoden deaktivert — möglicherweise auch nur zeitweilig.

mir war die methode, mit der delicious links in weblogs posten konnte einerseits immer ein bisschen suspekt, andererseits ein bisschen zu unflexibel und vor allem funktionierte sie mit meiner blogsoftware nicht. wenn ich mich recht erinnere musste man delicious einen zugang zu seinem blog per username und passwort geben und delicious postete die links dann als artikel per xml-rpc in, beispielsweise, wordpress.

bei mir hat es eine weile gedauert bis ich es umgesetzt habe, aber die lösung ist RSS.

im juni habe ich ein kleines script geschrieben, dass die links des vortages per RSS einliest, daraus nach meinen vorgaben einen artikel baut und veröffentlicht. als mir delicious jetzt im september zu unbenutzbar wurde, konnte ich einfach durch ändern der feedadresse die funktionalität beibehalten — mit pinboard, statt delicious. meine twitter-favoriten sammle ich ebenfalls per RSS ein und lasse sie einmal monatlich veröffentlichen.

RSS ist sowas von nicht tot. RSS ist, neben dem browser, das stück technik das ich am meisten benutze. einmal um an informationen, links, leseempfehlungen ranzukommen (über die 971 RSS-feeds die ich abonniert habe, plus die 221 leute, die mir gelegentlich etwas in meinen google reader reinsharen), aber auch um das was ich für lesenwert halte oder selbst schreibe wieder zu verteilen.

393 leute folgen meinen empfehlungen im google-reader (link, RSS-link), dem RSS-feed von wirres.net folgen (laut feedburner) ca. 4000 leute (die anzahl der besucher — laut piwik — schwankt auf der seite selbst so zwischen 1000 und 1500). den wirres.net-RSS-feed füttere ich wiederum per twitterfeed.com in das @wirresnet-twitter-account, immerhin 188 leute folgen den dort automatisch geposteten artikelüberschriften und links (die von pinboard an twitterfeed per RSS eingespeist werden). auf facebook folgen immerhin knapp 100 leute dem automatisch dort (per RSS) eingespeisten artikelüberschriften und anreissern auf der wirres.net-facebook-seite.

ich will jetzt gar nicht über die sinvölle davon sprechen, die eigenen RSS-feeds auf facebook oder twitter automatisiert aufschlagen zu lassen — was ich sagen will: RSS werkelt da überall im hintergrund — ohne dass man dafür grossartig programmieren können muss.

ausser mir mag und sieht zwar niemand meine links-seite, aber alles was dort auftaucht, meine twitpics, hinweise auf seiten die auf wirres.net linken, meine letzten formspring-antworten oder meine lieblings-tweets — wird alles per RSS eingelesen, zwischengespeichert und HTMLisiert dargestellt.

was ich sagen wollte: RSS ist nicht tot. und RSS ist der weg um eigene inhalte aus den „walled gardens“ von drittanbietern zu befreien.

und ihr so? wie nutzt ihr RSS?

„ganzheitliche, patentierte HoloTrack-Technologie“

felix schwenzel, in wirres.net    

letzte woche donnerstag las ich auf dwdl.de eine pressemitteilung der firma laterpay (original PDF). während dwdl, die sich gerade selbst gross gefeiert haben, genau wie horizont.net, die pressemitteilung für sich sprechen lässt, recherchiert und hinterfragt das online-magazin kloake gulli in einer meldung zur pressemitteilung ein bisschen:

Ab 2012 soll es bei dem Nachrichtenportal Stern.de eine tiefgreifende Veränderung geben. Konkret sollen spezielle journalistische Inhalte ab dann über ein Bezahlsystem abgerufen werden können. Die Bezahlung wickelt der Münchner MicroPayment-Entwickler LaterPay ab.

[…]

Ebenfalls nicht gänzlich uninteressant ist in diesem Zusammenhang, dass das Unternehmen keine bisherigen Nutzer des Systems vorstellt und sich solche bei einer schnellen Suche auch nicht finden lassen. Laut dem Handelsregisterauszug wurde der Unternehmenszweck auch erst vor wenigen Monaten explizit hinsichtlich "Payment Interaktionsverfahren" erweitert.

in der pressemitteilung zitiert sich laterpay-gründer und -geschäftsführer cosmin-gabriel ene wie folgt:

Von Anfang an wurde LaterPay konsequent aus Sicht des Users entwickelt und auf die Bedürfnisse der Paid-Content- Anbieter ausgerichtet. Wesentliches Ziel von LaterPay ist die Heranführung des Users an Paid-Content über niedrige Einstiegsschwellen.

aha. nachdem sich also immer wieder grosse und kleine unternehmen daran versucht haben, ein micropayment-system zu entwickeln das sowohl von den nutzern, als auch den anbietern akzeptiert wird — und bis jetzt alle daran gescheitert sind (2005: PayPal: Neues Preisschema speziell für Micro-Payments, 2010: Paypal führt Micropayment ein — wer benutzt Vodafone „Mobiles-Bezahlen“ oder mpass.de?) — kommt jetzt laterpay und löst alle probleme an denen so viele vorher gescheitert sind?

nichts gegen micropayment, im gegenteil, ein funktionierendes system wäre grossartig.

ich bin allerdings skeptisch. ganz allgemein, wenn ich mir die website von laterpay ansehe, wenn ich ankündigungen von ungelegten eiern lese und vor allem, wenn ich sätze lese wie diese:

LaterPay kombiniert die Benutzerfreundlichkeit von kostenlosem Content mit einer Zahlungsverpflichtung und senkt dadurch die Einstiegshürde in die Welt des bezahlten Contents signifikant. LaterPay wandelt unbekannte User in zahlende User.

laterpay behauptet, dass man sich als benutzer „weder vorher registrieren“ muss, noch „vorab persönliche Daten oder Kontodaten bekannt geben“ müsse. solange der warenkorb noch keine fünf euro erreiche, entstünden keine kosten und es seien weder eine registrierung, noch die angabe „persönlicher daten“ notwendig.

wie das funktionieren soll?

LaterPay bedient sich der ganzheitlichen, patentierten HoloTrack-Technologie, um das Endgerät des Users zu begleiten: vom Zeitpunkt der ersten Nutzung von kostenpflichtigem Content bis zur Zahlung.

gnihihi. ganzheitliche holotrack-technologie. was mich wundert: warum nicht auch noch „nachhaltig“?

am 29.09.2011 schronb ix eine email an laterpay, um nachzufragen was denn an kosten auf benutzer zukomme, wenn sie mehr als €5 im warenkorb haben und welche persönlichen daten dann angegeben werden müssten, die mail kam aber als unzustellbar zurück. wohlgemerkt: ich habe die email an die auf der website angegebene emailadresse geschrieben.

immerhin wurde die email an den „Kontakt für Presse“ zugestellt und einen tag später beantwortet: „wir haben Ihre Fragen an LaterPay weitergeleitet und melden uns mit den Antworten, sobald uns diese vorliegen.“

drei werktage später: keine antwort, aber dafür wurde die erwähnung der „ganzheitlichen, patentierte HoloTrack-Technologie“ von der website gestrichen. im google-cache ist sie noch zu finden (siehe screenshot unten), auf der website heisst es jetzt „LaterPay bedient sich einer zum Patent angemeldeten Technologie, um das Endgerät des Users zu begleiten.“ statt „LaterPay bedient sich der ganzheitlichen, patentierten HoloTrack-Technologie, um das Endgerät des Users zu begleiten.“ schade um das schöne buzzwording.

ich vermute meine fragen werden noch einige monate unbeantwortet bleiben. heute (06.10.2011) schickte mir die pr-agentur von laterpay folgende antworten. wer die genau beantwortet hat ist nicht ersichtlich, ich packe die antworten als zitat unter meine fragen:

sehr geehrte damen und herren,

ich würde auf wirres.net gerne etwas über „ihre ganzheitliche, patentierte HoloTrack-Technologie“ schreiben, bzw. das das micropayment-bezahlsystem das sie gerade (zusammen mit stern.de?) entwickeln. dazu habe ich ein paar fragen, die sich auf ihrer website nicht beantworten liessen:

HoloTrack heisst nun Fair Track.

* sie schreiben, dass keine kosten entstehen, bevor „der warenkorb“ nicht mehr als 5 euro erreicht. welche kosten entstehen mir als nutzer, wenn der warenkorb mehr als 5 euro erreicht?

Ihnen als Nutzer entstehen niemals Kosten für die Nutzung derTechnologie. Sie bezahlen nur für den Wert der Waren. Ähnlich wie am Zeitschriftenkiosk. Da bezahlen Sie auch nur die Zeitschrift – die Kosten für den Bezahlprozess trägt der Produzent der Zeitschriften. 
Wenn Sie also Artikel im Gesamtwert von für 5 Euro konsumiert haben, bezahlen Sie die 5 Euro. Wenn Sie einen Warenkorb von z.B. 5,12 Euro haben, bezahlen Sie die 5,12 Euro Rechnung und die Rechnung wird dann auf 0 gestellt.

* wenn ich mich registriere, welche daten müsste ich ihnen dann angeben?

Die Mindestinformationen, die für einen Onlinekauf notwendig sind.

* welche zahlungsmöglichkeiten bieten sie an? (kreditkarte, paypal, überweisung, handy?)

Die Auswahl an klassischen Bezahlanbietern wird beim Markteintritt bekanntgegeben und laufend erweitert werden. 

* welche kosten entstünden mir als anbieter? könnte ich beispielsweise einen artikel für 10 cent verkaufen? welche provision würden sie von 10 cent oder beispielsweise einem euro einbehalten?

Für das Pay per Use Modell rein erfolgsabhängige Kosten. Inhalteanbieter können bei LaterPay die Preise ihrer Produkte völlig selbständig und frei bestimmen. Vorgaben zu Preisgruppen und Mindetspreise wie bei iTunes, Android Marketplace etc. gibt es bei LaterPay nicht. Aus wirtschaftlichen Gründen empfiehlt LaterPay aber Preise von über 5 Cent. Bei Preisen von z.B. 5 Cent und abhängig von dem abgewickelten Volumen erhalten Contentanbieter bis zu 90% ausgeschüttet – bei 5 Cent Einzelpreis für einen Artikel also eine Ausschüttung von 4 bis 4,50 Cent.

Bei Metered Model / Abo Modellen werden bis zu 90% ausgeschüttet.

* benötige ich als nutzer von laterpay einen browser-plugin oder funktioniert der einkaufsvorgang mit allen üblichen browsern — ohne proprietäre erweiterung?

Sie benötigen keinen Browser Plugin. LaterPay funktioniert mit allen üblichen Browsern.

* verstehe ich das recht, dass ich beispielsweise an einem öffentlichen internetterminal „artikel“ für ≤ 5 euro einkaufen könnte und die verkäufer um diesen betrag betrügen könnte, wenn ich wollte?

LaterPay hat intelligente Technologien eingebaut, um solchen Missbrauch auf ein Minimum zu reduzieren. Aber es wird – wie in der Offlinewelt, in der man seine Zeitschrift im Supermarkt auch unbezahlt lesen kann – auch im Internet nicht ausgeschlossen sein, dass sehr fachkundige User den Content-Anbieter "prellen".
Die allermeisten Menschen sind aber nicht bereit und oft gar nicht in der Lage wegen 5 Cent den Aufwand zu betreiben um den Verlag zu hintergehen – das ist auch die Zielgruppe von LaterPay: Menschen die bereit sind einen nachvollziehbaren Preis für Content zu bezahlen, so lange das Bezahlen einfach ist.

Wir sind sehr nutzerfreundlich, geben uns aber gleichzeitig große Mühe den Missbrauch im Sinne des Verlags so gering wie möglich zu halten.

* wenn ich einen artikel bei stern.de kaufte, würde stern.de niemals erfahren, dass felix schwenzel diesen artikel gekauft hat, sondern nur ein john doe? kann ich als benutzer steuern welche daten sie ihren b2b-partnern weitergeben?

Nein, stern.de erfährt nicht einmal von „john doe“. LaterPay ist ein Dienstleister für Content-Anbieter und wird deswegen den höchsten Verbraucherschutzstandards entsprechen. Der Datenaustausch zwischen Content-Anbieter und LaterPay besteht aus einer rein monetären Abrechnung der gekauften Produkte – ähnlich einer Abrechnung eine Kiosks an einen Verlag, bei der ein Verlag auch nicht erfährt, welcher, dem Kioskbesitzer  bekannte Kunde das Magazin oder die Zeitung gekauft hat.

* wann planen sie ihr system zur marktreife gebracht zu haben?

stern.de ist das erste namhafte Haus, mit dem wir das marktreife LaterPay-System, das seit Anfang 2010 programmiert wird, unter Marktbedingungen testen wollen, um ggf. weitere Anforderungen von Usern und Contentanbietern zu integrieren. Im nächsten Jahr wird es eine schnelle, gestaffelte Einführung neuer Produkte mit weiteren Kunden geben.

(auf wirres.net beobachte und berichte ich seit einigen jahren über pläne und ankündigungen von micropayment-systemen und habe dazu auch artikel auf screen.tv, zeit.de und jungle-world.com veröffentlicht. an grösstenteils gescheiterten versuchen ist dieses genre, wie sie sicher wissen, nicht arm.)

gruss,
felix schwenzel

[links habe ich für diesen artikel hinzugefügt, auf zeit.de habe ich artikel veröffentlicht, allerdings keinen über micropayment, aber mit der zeit lässt sich halt gut prahlen.]

laterpay-site mit buzzwords
gebouncte email

* * *

[nachtrag 06.10.2011]
zu den oben nachgetragenen antworten von laterpay möchte ich noch anmerken, dass laterpay die bisher interessanteste vaporware ist, von der ich dieses jahr gehört habe. die fehlende konkrete antwort auf meine frage nach der marktreife lässt mich jedoch vermuten, dass das jahr 2012 sehr lang werden wird. überhaupt frage ich mich, wozu eine derart frühe ankündigung eines unfertigen produkts dient. aquise? prahlerei? aufscheuchen des wettbewerbs? die im stil und mit der technik der 80er jahre gestaltete website, dürfte bei der aquise allerdings nicht so irre hilfreich sein.

preisklarheit und klare lügen

felix schwenzel, in wirres.net    

ich weiss nicht ob ich die neue media markt-kampagne verstehe. sie schreit „Das Ende des Preis-Irrsinns“ aus und behauptet, media markt mache „den klarsten Preis“. was ein klarer preis sein soll weiss ich nicht. der niedrigste preis ist es definitiv nicht, wie der media-saturn-chef horst norberg im FAZ-interview betont. um den preis zu beschreiben wählt er adjektive wie „hoch attraktiv“, „tief“, „klar“, „stabil“, „real“. das wort „günstig“ kommt ihm im zusammenhang mit der media-markt-preisgestaltung nicht über die lippen. stattdessen:

Wir bekennen uns zu Preiswahrheit und -klarheit.

was auch immer das heissen soll.

auf der kampagnen-site sieht man auf die hypothetische frage „Da sind doch bestimmt Irgendwelche Zusatzkosten versteckt?“ folgendes:

jaja, blah, blah

(Antwort: „Bei uns gibt es nur einen Preis — und der ist von Anfang an klar. Da müssen Sie keine Nachnahme-, Kreditkartengebühr oder anderen Klimbim dazurechnen“)

schauen wir uns mal einen preis an. bei den aktuellen DSL-bundle-angeboten steht für t-online entertain comfort schonmal kein klarer preis, sondern zwei:

In den ersten 12 Monaten 39,95 statt 44,95

In en ersten 12 Monaten 39,95 statt 44,95

dadrunter steht klein geschrieben und in schwarzer schrift (statt wie sonst auf der gesamten media-markt-site mit weisser schrift) folgende fussnote auf die an fünf stellen mit einer (1) hingewiesen wird:

1) Bei Buchung bis 31.10.2011 kostet Entertain Comfort für Neukunden in den ersten 12 Monaten 39,95 €/Monat, der Festplattenrekorder MR 303 ist inklusive. Die Ersparnis von 10,– €/Monat wird vom Grundpreis des Entertain Paketes abgezogen. Ab dem 13. Monat beträgt der Grundpreis für Entertain 44,95 €/Monat. Voraussetzung für Entertain sind der Festplattenrekorder und ein IPTV-fähiger Router (ggf. zzgl. Versandkosten in Höhe von 6,99 €). Der Festplattenrekorder MR 303 kostet 4,95 €/Monat als Endgeräte-Servicepaket, Kündigungsfrist 6 Werktage. Die Mindestvertragslaufzeit des Entertain Paketes beträgt 24 Monate. VDSL 25 kann für 10,– €/Monat, VDSL 50 für 15,– €/Monat hinzugebucht werden. Bei Buchung von Entertain Comfort bis 31.10.2011 kostet VDSL 50 nur 10,– €/Monat. Einmaliger Bereitstellungspreis für neuen Telefonanschluss 59,95 € (entfällt bei IP-basiertem Anschluss). Entertain ist in vielen, VDSL ist in einigen Anschlussbereichen verfügbar. Voraussetzung für 3D ist ein 3D-fähiges Fernsehgerät sowie eine entsprechende 3D-Brille.

kalkulation des „klaren“ preises für t-online entertain comfort

rechnen wir also mal den preis, die lieferkosten und das ganze andere klimbim zusammen:

  • 12 monate zu 39,95€
  • 12 monate zu 44,95€ (mindestvertragslaufzeit 24 monate)
  • versandkosten 6,99€ (steht als posten im kleingedrucken)
  • festplattenrekorder 4,95€ (muss man laut kleingedrucktem ab dem 13ten monat bezahlen, für 12 monate mindestens)
  • bereitstellung telefonanschluss 59,95€

das macht insgesamt 1.145,14€, also pro monat 47,71€. lässt man den vertrag 48 monate laufen, ergeben sich in den 48 monaten monatliche kosten von 48,81€.

mein verständnis von einem klaren preis wäre 48 euro pro monat. media markt versteht unter klaren preisen offenbar weiterhin kundenverwirrung, schlecht lesbares kleingedrucktes und zählt nach wie vor darauf, dass die kunden sich von tricksereien, täuschungen und schlecht lesbarem kleingedrucktem verwirren lassen.

mir fällt als neuer media markt claim eigentlich nur noch ein: verarschen kann ich mich auch selber.

* * *

siehe auch was matthias schrader, stefan winterbauer oder patrick breitenbach zur kampagne zu sagen haben.