[piqd] John Gruber: Facebook ist ein krimineller Konzern

felix schwenzel, , in notiert    

Facebook hat in erster Linie zwei Ziele: Wachstum und Dominanz. Alles andere was daraus folgt — Profit, Anteilseignerbereicherung, Monopolisierung des Online-Werbemarkts — sind willkommene Nebeneffekte. Das offizielle Firmenziel, Menschen zusammenzubringen, ist für Facebook nur Mittel zum Zweck.

Die Rücksichtslosigkeit mit der Facebook vorgeht, um Wachstum und Dominanz zu erreichen, ist seit längerem bekannt, aber das Ausmaß der Ruchlosigkeit Facebooks, das in den letzten Monaten öffentlich wurde, schockiert selbst Netzapologeten wie mich.

Die Enthüllungen die Techcrunch hier veröffentlicht — deren Folgen sich in den nächsten Tagen oder Wochen weitreichend entfalten dürften — sind erschütternd. Facebook fehlt nicht nur ein moralischer Kompass, Facebook lügt und vertuscht nicht nur regelmäßig, betuppt seine Benutzer oder wirkt als tödlicher Brandbeschleuniger bei sozialen Unruhen, Facebook scheint zu glauben mit jedem Schweinkram durchzukommen.

In der Regel erkläre ich mir solche Fehltritte mit Inkompetenz oder krasser Überforderung angesichts überwältigender Komplexität, statt mit Böswilligkeit. Das wird aber von Enthüllung zu Enthüllung schwieriger, langsam kann ich nicht mehr anders als John Grubers Analyse zuzustimmen, dass Facebook absichtsvoll über jede Anstandsgrenze hinwegspringt (weil man dort aus Erfahrung glaubt damit durchzukommen) und für Wachstum und Dominanz auch nicht vor kriminellen Methoden zurückschreckt:

To my eyes, this action constitutes Facebook declaring war on Apple’s iOS privacy protections. […] Facebook is betting that their apps are too popular, that they can do what they want and Apple has to sit back and take it. I keep saying Facebook is a criminal enterprise, and I’m not exaggerating. (Quelle)

Ich lehne mich eigentlich nicht so gerne weit aus dem Fenster, aber ich kann mir vorstellen, dass dieser Artikel von @joshconstine der Anfang vom Ende von Mark Zuckerbergs Zeit als Facebook-CEO sein könnte.

techcrunch.com: Facebook pays teens to install VPN that spies on them

[piqd] Geduld üben

felix schwenzel, , in notiert    

Wenn die Beifahrerin ungeduldig wird oder gar wütend, sage ich immer scherzhaft: „Wir müssen mal wieder Geduld üben.“ Ich selbst halte mich eigentlich gar nicht für einen besonders geduldigen Menschen. Geduldsspiele treiben mich in den Wahnsinn, ich kann allerdings bei Dingen die mit meiner Arbeit zu tun haben oder mit den Elektronik-Basteleien, die ich zur Heimoptimierung mache und die ständig an meinen Kompetenzgrenzen kratzen, sehr, sehr beharrlich sein.

Die Beifahrerin ist übrigens auch bei allem was ihre Arbeit betrifft, wochenlanges Malen an einem einzigen Bild, Fotos so lange bearbeiten bis wirklich alle Farben stimmen, unermüdlich und langatmig. Bei allem anderen, was ihr im Leben begegnet, hat sie die Geduld einer zwei Millimeter langen Zündschnur.

Bei all meinen Geduldsdefiziten habe ich allerdings bemerkt, dass Geduld, bewusst ausgeübt, enorm beruhigend und befriedigend wirkt. Wichtiger noch: Dinge die man geduldig ausübt sind am Ende oft effizienter als die eilige Variante. Und damit meine ich nicht nur die aufgeregten Überholer, denen man fünf Ampeln später meist wieder begegnet.

Ich habe mich jedenfalls sehr gefreut, als ich meinen Scherz („Wir müssen mal Geduld üben!“) kürzlich im Internet in ernstgemeinter Form gefunden habe.

Jason Fried schreibt, dass er sich im neuen Jahr vorgenommen habeGeduld zu üben. Beim Einkauf stellt er sich an die längste Schlange, statt Prime nutzt er die langsamste Versandart. Wann immer sich die Gelegenheit ergibt, entscheidet er sich eher fürs Warten, als für die flotte Alternative — und statt beim Warten an seinem Handy rum zu daddeln, geniesst er das Nichtstun:

In a world where everyone seems to be super busy all the time, bumping into more moments with nothing to do seems like a real discovery.

(Viel mehr steht im Artikel übrigens nicht, aber allein wegen des Seinfeld-Zitats in den Kommentaren lohnt sich der Klick. Und um ein bisschen Geduld zu üben, liesse sich der Artikel auch vortrefflich mit der Hand abschreiben.)

signalvnoise.com: Putting on some wait

[piqd] Empörte Rechte als Multiplikatoren nutzen

felix schwenzel, , in notiert    

Emotionen beschwingen das Netz – oder wie Peter Kruse das mal legendär in der Enquete-Kommission erklärt hat, hohe Vernetzungsdichte, hohe Spontanaktivität und „kreisende Erregungen im Netzwerk“ führen zu nahezu unkontrollierbaren „Selbstaufschaukelungen“. Das haben die Werbefuzzis mittlerweile auch entdeckt und spielen mit diesen Effekten, jetzt auch mit Zuarbeit der Rechten:

Seit einiger Zeit haben Werber eine Methode gefunden, bei der sie die leichte Erregbarkeit von Rechten und Rechtsradikalen in sozialen Netzwerken ausnutzen. Sie triggern diese Zielgruppe mit menschenfreundlichen Inhalten, Diversität der Protagonisten oder Slogans, die die Ewiggestrigen garantiert in den falschen Hals bekommen. Am Ende schwappt die Empörung aus der rechten Blase und die Werbung wird breit diskutiert. Die empörten Rechten, die aus allen Kanonen feuern, werden so zu nützlichen Idioten, die eine Werbekampagne völlig kostenlos in Gang bringen.

Markus Reuter erklärt das Prinzip und holt ein paar der jüngeren Beispiele zurück in die Erinnerung. Ich bin bei diesen Werbeformen hin und her gerissen. Einerseits sind diese Kampagnen weiterhin profane Werbung, meistens zur Verkaufsförderung von Plastikmüll, andererseits erfüllen diese Kampagnen tatsächlich mindestens zwei sinnvolle Zwecke:

  • Viele Unternehmen positionieren sich damit deutlicher gegen rechts als der Innenminister.
  • Diese Art Werbung zeigt, dass die Rechten demoskopisch vernachlässigbar sind, bzw. mindestens aus Sicht der Hersteller in der Minderheit sind – auch wenn sie mitunter am lautesten und vernehmbarsten schreien.

Diese Art der Werbung wendet sich an die anständigen, liberal und humanistisch eingestellten Menschen – und die Marktforschung der Werbetreibenden scheint zu zeigen, dass die nach wie vor in der Mehrheit sind.

Aber, auch wenn die Botschaft nobel und anständig ist, wir sollten nicht vergessen, dass wir aus Sicht der Werbetreibenden alle nützliche Idioten sind, deren vorrangige Aufgabe es ist, zu konsumieren.

netzpolitik.org: Wie Unternehmen die rechte Empörungsmaschinerie geschickt für Werbung nutzen

[piqd] Jetzt doch irgendwie: Leute, zur Sonne, zur Gesundhei

felix schwenzel, , in notiert    

In den USA empfehlen Dermatologen eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber der Sonne: Wer rausgeht, solle sich konsequent gegen ultraviolettes Licht schützen und Sonnencreme mit einem Schutzfaktor von mindestens 30 benutzen. Den aus der Sonnen-Enthaltsamkeit resultierenden Vitamin-D-Mangel solle man künstlich, durch Vitaminpräparate ausgleichen.

In Deutschland sehen Dermatologen und das Bundesamt für Strahlenschutz das differenzierter und empfehlen sich „für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese“ zwei bis dreimal pro Woche auch kurz ungeschützt der Sonne auszusetzen.

Das Problem mit Vitamin-D-Präparaten scheint das gleiche wie mit anderen Vitaminpräparaten, Fischölen, Beta-Karotin-Pillen oder Schlangenöl zu sein, nämlich dass sich ihre Wirksamkeit bisher nicht nachweisen ließ. Im Gegenteil, ein paar Forscher glauben, dass der Zusammenhang zwischen schlechten Vitamin-D Werten und allen möglichen Krankheiten eine klassische Scheinkausalität ist.

Menschen mit hohen Vitamin-D-Werten sind nicht wegen des Vitamins sehr viel gesünder als Menschen mit Vitamin-D-Mangel, sondern vor allem auch, weil sie sich der Sonne aussetzten. Vitamin D sei ein Indikator, nicht die Ursache für Gesundheit. Hundertprozentiger Sonnenschutz, konsequentes Meiden der Sonne, scheint insgesamt mehr zu schaden als zu nützen.

Natürlich ist das alles furchtbar kompliziert und komplex, aber eins wird nach dem Lesen dieses (längeren) Artikels klar: den Heilsversprechen der Lebensmittel-, Kosmetik- oder Chemieindustrie – und erst recht Gesundheitsratgebern – sollte man mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnen. Die wenigen Empfehlungen, die sich in den letzten paar hundert Jahren bewährt haben und nicht revidiert werden mussten, scheinen weiterhin: Maß halten, viel Bewegung und regelmäßig raus, an die frische Luft und Sonne zu gehen.

outsideonline.com: Is Sunscreen the New Margarine?

ausgewählte kollegen frage ich gelegentlich (ich fürchte: zu oft) vor oder nach dem austreten: „gross oder klein?“

hauke hat das spiel letzte woche gelöst, mit der unschlagbaren antwort: „klein, wie immer!“

dieses game ist over.