ode an adium

felix schwenzel, , in wirres.net    

eins meiner ersten aha-erlebniss im zusammenhang mit dem internet hatte ich mit dem sogenannten „IRC-chat“. es muss so um das jahr 1995 gewesen sein, als ich mich mit einem 1und1-14.000-baud-modem über die uni ins internet einklinkte. bis dahin bestanden die inhalte auf meinem computer ausschliesslich aus daten die ich selbst per floppy-disk oder CD-ROM geladen und kopiert hatte oder aus inhalten die ich über die tatstatur eingab. an irgendeinem tag um das jahr 1995 passierte dann das bisher nicht dagewesene. ich loggte mich in den „internet relay chat“ (IRC) ein, tippte ein bisschen auf der tatstaur rum und plötzlich erschienen auf meinem computermonitor die worte: „Hallo Felix!“

irgendjemand hatte mich im IRC begrüsst und aus meiner schreib-, zeichen oder spielmaschine wurde mit einem schlag eine kommunikationsmaschine in der mehr stecckte als ich hineingesteckt hatte. das internet machte aus meinem bis dahin autistischen rechner eine kommunikationsmaschine.

ein paar jahre später nutzen wir im uni-netz ein programm namens „hotline“. hotline bestand aus einem server und einem client der auf apple und windows-rechner lief und mit dem man chatten und dateien tauschen konnte. den server liessen wir auf einem ollen, ausrangierten mac laufen und ca. 20 oder 30 leute loggten sich in unserem uni-arbeitsraum, anderen arbeitsräumen in und ausserhalb der uni ein. das man per hotline dateien tauschen konnte und ich die grundlage meiner MP3-sammlung legen konnte war angenehm, aber das eigentliche killer-feature war, dass ich auf meinem desktop alle meine freunde sehen und, wenn ich wollte, ansprechen konnte, egal ob sie nebenan im raum sassen oder woanders in der stadt oder ganz woanders. die kontakt-liste war immer da. am rechner zu sitzen sieht einsam aus, ist aber seit es das internet gibt das gegenteil: man ist verbunden.

über die jahre hinweg wuchs meine kontakt-liste, es änderten sich die programme mit denen man sehen konnte welche bekannten gerade am rechner sassen (von „IRC“, „hotline“, „AIM“, „ichat“, „ICQ“ zu „jabber“, „google talk“ und allem möglichen anderen), aber das beruhigende element, jederzeit zu sehen wer gerade online war, blieb. obwohl ich seit dem studium nicht viel öfter als ein bis zweimal pro jahr mit ihm chatte oder telefoniere, freut es mich beispielsweise jeden tag zu sehen, dass dirk online ist. ich sehe ihn, ich weiss ich kann ihn potenziell anquatschen und das reicht.

rein theoretisch muss man für jedes chat-protokoll eigene clients auf dem rechner laufen lassen. ICQ lief anfangs nur mit dem ICQ-client, AIM hatte einen eigenen client, apple kochte mit ichat anfangs ein eigenes süppchen, irgendwann kanmen skype und jabber hinzu. mit ichat konnte man zwar bald sowohl das AIM-, das .mac-, das ICQ- und das jabber-protokoll bedienen, aber irgendwas fehlte immer.

adium

seit wohl ungefähr fünf jahren benutze ich adium zum chatten. adium kann alle möglichen protokolle, setllt die kontakte aber personenbezogen dar. wenn also einer meiner bekannten gleichzeitig bei AIM, ICQ und jabber eingeloggt ist, sehe ich nur seinen namen und dass er online ist, umgekehrt kann ich mich aber mit adium auch gleichzeitig mit meinen zwei AIM-accounts, mit meinem ccc-jabber-account, dem google-talk-account und meinem firmen-jabber-account einloggen.

neuerdings kann ich mich in adium sogar mit meinem kürzlich reaktivierten facebook-account anmelden und bekomme alle facebook-kontakte und -chats unter der gleichen oberfläche wie die von AIM, jabber und ICQ angezeigt. ich muss mir keine sorgen machen mit welchen accounts ich mich wo zum chat anmelde, welche programme ich öffnen muss oder welche webseiten ich offen haben muss um erreichbar, bzw. ansprechbar zu sein. ich starte einfach adium und bin da.

mit der facebook-integration und zeigt sich die eigentliche stärke von adium. für die üblichen chat-protokolle muss ich die genauen account-koordinaten meiner kontakte kennen, hinzufügen und teilweise bestätigen lassen. meine kontakte bei facebook sind bereits durch facebook gefiltert und in gruppen sortiert, aber die kontaktaufnahme dort ist einerseits viel einfacher als jemanden eine mail zu schreiben, hallo zu sagen und nach dem AIM-, ICQ- oder jabber-account zu fragen. so tummeln sich dort entfernte bekannte aus schul- und studienzeiten, bekannte die ich auf reisen kennengelernt habe oder nur vom hallo-sagen kenne. plötzlich sind diese menschen alle ganz nah - ohne mir auf den senkel zu gehen. denn genau wie ein volles adressbuch nicht zu stundenlangen und ständigen telefonarien führt, führt eine volle kontaktliste in adium zu ständigem geplapper. es ist einfach beruhigend seine kontakte um sich zu haben — und gleichzeitig auf distanz.

angenehm ist auch die bedienung von adium. chats öffnen sich nicht in jeweils neuen fenstern, sondern alle in einem grossen fenster, das die einzelnen chats übersichtlich und leicht erreichbar in tabs anzeigt. die benachrichtigungsgeräusche für neue mitteilungen oder chats kann man auf ein nervenschonendes niveau herunterregeln und die kontaktliste zeigt, wenn man will, klartextnamen (die adium sich aus dem apple-adressbuch besorgt) statt pseudonyme an.

das prinzip von adium, daten aus verschiedenen quellen unter einer oberfläche transparent zusammenzuführen möchte ich in weiteren bereichen sehen. palm hat das mit dem pre-adressbuch ähnlich beeindruckend hinbekommen, bei der fritzbox ist das telefonieren durch die zusammenführung meiner 5 VOIP-konten und der einen analogtelefonleitung völlig mühe- und sorgenlos, weil die fritzbox einerseits immer automatisch die günstigste leitung wählt und es mir egal sein kann ob der anruf per VOIP oder telekom-leitung raus geht.

so muss gute software sein: einmal einstellen und dann vergessen über welchen kanal der anruf oder der chat geht oder woher die adresse kommt. auch wenn es so scheint, dass wir durch neue technologien auf immer mehr kanälen kommunizieren, komplizierter muss es nicht werden.

[theoretisch kann adium übrigens auch twitter und skype, aber durch twitter und den ständigen strom an tweets fliessen mir dann doch ein bisschen viele informationen zu und skype ist leider noch nicht 100prozentig in adium integriert und benötigt noch skype selbst als hintergrundprozess. aber vielleicht ändert sich das durch die neue strategie bei skype ja auch bald.]