* anmutunddemut.de: Das Netz wieder entwerten

Fefe beendet seinen Artikel mit einer Schlussfolgerung: „Und dann fiel mir auf, dass zu jedem mir bekannten Thema Twitter aus den Leuten die schlechtesten Seiten herauskehrt. […] Wer einen Twitter-Account betreibt, ist Teil des Problems.“

Muss man hier vielleicht noch weiter gehen? Müssen wir das Netz, und gesellschaftliche Teilhabe hier vielleicht wieder abwerten? Oder ist es dafür schon zu spät, die Hass-Büchse des Pandora-Facebook-Stammtisch-Faschismus längst geöffnet und wir bekommen sie nicht mehr zu?

ben_ zitiert fefe und widerspricht ihm nicht. ich ignoriere den pauschalisierenden und dummen scheiss den fefe ins netz kotzt meistens. beide reaktionen, einerseits fefe (mehr oder weniger) widerspruchslos zu zitieren und andererseits pauschalisierende, dumme sprüche unkommentiert stehen zu lassen, sind wohl unzureichend, aber ich möchte mir zumindest die mühe machen, ben_ zu widersprechen, bzw. die aussagen und fragen in seinem artikel zu kommentieren.

das was ben_, etwas nebulös, „abwerung des netzes“ nennt, bzw. als problemlösung für radikalismus, meschenfeindlichkeit und allgemeeine arschlochigkeit im netz vorschlägt, scheint mir die schlechtesmögliche lösungsstrategie zu sein; emigration als problemlösung. sich von arschlöchern distanzieren, indem man wegläuft oder sich entfernt. oder den ort, an dem sich arschlöcher aufhalten, einfach als spielplatz, als unwichtig umzudeuten.

anderen möglichkeiten, den ort zu stabilisieren, zu zivilisieren, aufzubauen, (mit) zu gestalten, weicht man so elegant aus. anders gesagt: wenn in bussen und bahnen ständig gepöbelt und rumgedroht wird, sollte man dann sagen, busse und bahnen sind für pack, ich fahre ab jetzt lieber auto? oder sollte man versuchen busse und bahnen mit genau den menschen zu füllen, die sonst lieber auto fahren? sollte man versuchen die deppen mit vernünftigen menschen zum schweigen zu bringen, busse und bahnen mit aller kraft und phantasie zu zivilisieren, statt sich aus ihnen herausdrängen zu lassen?

der (kleine) schlossplatz in stuttgart war vor der jahrtausendwende ein unerfreulicher, stinkender, vernachlässigter, dunkler ort an dem sich abends nur unerquickliche menschen aufhielten. statt diesen unrühmlichen ort abzuwerten oder zu behaupten, er sei gescheitert, wurde er in privatinitiative aufgewertet: dort öffnete eine kneipe (pauls boutique). das brachte so viel leben, so viel energie auf den schlossplatz, dass er sich rasch zu einem der attraktivsten orte in stuttgart entwickelte. wenn ein ort nicht funktioniert oder seine nachteile die vorteile zu überwiegen scheinen, heisst das nicht unbedingt dass der ort gescheitert oder kaputt ist. es kann auch bedeuten, dass die bisherige nutzung falsch war, dass ideen fehlten, dass die richtigen menschen fehlten.

der kleine schlossplatz wurde 2005 in seiner ursprünglichen form abgerissen, bzw. neugestaltet. das grundprinzip der nutzung, gastronomie, läden und abendattraktionen, wurde aber aus der blütezeit von pauls boutique übernommen — und funktioniert nach wie vor. jetzt eben nicht mehr auf grund von privatinitiative, sondern institutionalisiert, von der stadtverwaltung geplant und ausgeführt.

ich glaube so müssen wir auch mit dem netz umgehen. wie in der fleischwelt gibt es dort unangenehme orte, es werden orte von leuten übernommen die hetzen, pöbeln und sich in ihrer arschlochigkeit gefallen. aber mit den richtigen strategien (die wir immer weiter entwickeln müssen) lassen sich diese plätze zurückerobern oder zivilisieren. nicht abwerten, aufwerten.