warum ich für quoten bin

felix schwenzel, , in links    

* sleek-mag.com: Why Are All-Female Exhibitions So Problematic?

an paenhuysen über eine ausstellung in der saatchi gallery, die 14 frauen vorstellt:

[2010] the Brooklyn Museum showed “Seductive Subversion: Women Pop Artists, 1958-1968” and since then many have followed suit. Auction houses have also jumped on the bandwagon and last year Sotheby’s put on the exhibition “Cherchez la femme: Women and Surrealism”.

The droll thing is that it’s never the other way around: “Men and Pop”, “Men and Surrealism”. Why not? Because it’s considered to be norm, no need to emphasise the male gender. If Saatchi Gallery would have mounted an exhibition with 14 male artists, nobody would call it a male exhibition. I remember the shock I got in 2014 at the Hans Richter show in Martin Gropius Bau in Berlin, curated by Timothy Benson of LACMA. In this exhibition they showed Richter together with his colleagues Laszlo Moholy-Nagy (no, not his artist wife Lucia!), Viking Eggeling, Walter Ruttmann, Theo van Doesburg, John Cage, Marcel Duchamp, Fernand Léger, and Max Ernst. There was one woman who made it onto the wall, Irene Bayer-Hecht, for making a portrait of her husband Herbert Bayer. The preface of the exhibition catalogue was written by the five (male) directors of major institutions stating that Hans Richter worked with the “who’s who” of the 20th century avant garde – they were all male artists.

(hervorhebung von mir)

neben der tatsache, dass frauen sehr oft, sehr unberechtigterweise ignoriert werden, sei es bei der ausstellungskuratierung, besetzung von diskussionspanels oder der organisation von konferenzen, ist es eben immer noch bei vielen von uns so, dass wir wir einen männerüberschuss bei ausstellungen, konferenzen, führungspositionen, abgeordnetenplätzen oder regierungsämtern als normal empfinden — weil wir es so gewohnt sind. nun ist aber das argument „haben wir schon immer so gemacht“, das schlechteste, denkbare argument um etwas zu tun. eigentlich ist es auch kein argument, sondern ein hinweis darauf, dass man sehr an seinen gewohnheiten hängt und in gewisser weise faul und ignorant ist.

bequemlichkeit und ignoranz sind dinge, an denen wir alle leiden — und ich nehme mich da explizit nicht aus. ich hänge auch sehr an meinen gewohnheiten — und weil ich das weiss, versuche ich mich hin und wieder dazu zu bringen, bestimmte gewohnheiten und verhaltensmuster zu ändern. und ich freue mich über hinweise, die mir diese muster gelegentlich vor augen halten.

in diesem sinne nehme ich an paenhuysen’s oben verlinkten text auch nicht (in erster linie) als kritik an der saatchi-galerie wahr, sondern als hinweis, als aufforderung die alten denkmuster und gewohnheiten mal zu überdenken. und sie tut das auch sehr konstruktiv, wenn sie am ende sagt:

Okay, all good, but what exactly would be a radical thing to do for Saatchi Gallery? Well, it would have been, for instance, much more radical of them to make an exhibition about something as random as eyeglasses in the 20th century that just happened to feature only works by women artists. Would anybody notice? As it is, talking male and female seems to be so 20th century. Aren’t we living in a time that it’s generally acknowledged that there are more than two genders? Putting on an all-women exhibition is as original as making a show about let’s say Belgian artists – it repeats the boundaries in society and it pigeonholes artists. I personally have nothing against quotas and I would have loved it if Saatchi had declared that from now on 50% of every group exhibition will comprise works by female artists. And that would be the moment when we could start talking about a real shift in the art world.

eine quote.

ich habe mir in den letzten 10 jahren, in denen (gesetzliche) quoten hier diskutiert wurden, nie eine abschliessende meinung gebildet. allerdings haben mich die argumente pro quote stets besser überzeugt, als die gegenargumente. das schäbigste argument ist bekanntlich der spruch, dass es nicht ums geschlecht gehen solle, sondern stets um die qualifikation. dem widerspricht eine quote meiner meinung nach überhaupt nicht, natürlich soll es auch mit einer quote stets um die qualifikation gehen, aber eben unter berücksichtigung (auch) des geschlechts. das mag die suche nach geeigneten kandidaten und kandidatinnen erschweren oder in die länge ziehen, aber mangel an Geeigneten* heisst ja nicht, dass es keine gäbe, sondern dass es schwerer, aufwändiger oder teurer ist, welche zu finden die den vorgaben, erwartungen, qualifikationen und der quote entsprechen.

aber genau das, die einschränkung von optionen, das verbot von einfachen, bequemen oder gewohnten lösungen, ist genau das, was kreativität freisetzt und umdenken, neudenken anregt. das funktionsprinzip von solchen einschränkungen kann man bei twitter beobachten, wo das tägliche abkämpfen am 140-zeichen-limit teilweise zu kreativen höchstleistungen führt. genauso führt das abkämpfen an physikalischen gegebenheiten (siehe auch →gravitation) oder gesetzlichen vorgaben bei der architektur immer wieder zu lösungen, auf die man sonst nie und nimmer gekommen wäre (siehe auch →fractional horsepower).

sich an vorschriften oder einschränkungen abzukämpfen ist einerseits dünger für ideereichtum, aber andererseits alltag, in jedem bereich, in der wirtschaft, in der kultur, in der freizeit. in der wirtschaft hat derjenige am meisten erfolg, der sich durch den dschungel an vorschriften und einschränkungen besser durchwuselt, als die konkurenz. ohne rahmen, ohne einschränkungen und vorschriften oder spielregeln, gibt es keine exzellenz.

eine (frauen) quote wäre, aus meiner sicht, in sehr vielen bereichen ein hervorragendes hilfsmittel um unseren blick zu schärfen und eine aufforderung, uns von vermeintlichen normen zu lösen und besser hinzuschauen, anders hinzuschauen und am ende gerechter und fairer zu handeln.

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im kleinen kann man meiner meinung nach aber auch viel tun, nämlich jedes mal laut darauf hinzuweisen, wenn veranstaltungen es vergessen auf ein ausgeglichenes teilnehmenfeld zu achten, oder diversität als unwichtg, niedrig priorisiert erachten. das passiert derzeit recht lautstark bei der oscar-verleihung, das passiert hin und wieder bei konferenzen, die ihre männer-only-teilnehmerliste stolz vorstellen, um dann später hinterherzuschieben, dass die liste natürlich nur vorläufig gewesen sei und dann nach und ein paar alibi-frauen nachschieben.

ich werde es mir jedenfalls zur gewohnheit machen, jedes mal wenn veranstalter (oder produzenten oder kuratoren) das mit der ausgeglichenheit oder diversität vergessen, etwas zu sagen und es danach unter „pimmelfechten“ zu kategorisieren.

(via katia’s facebook)

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*) grossbuchstabe fürs verständnis eingefügt