operation naked

felix schwenzel, , in gesehen    

operation naked

mario sixtus, der elektrische reporter, hat einen film gemacht. keine reportage, sondern einen fernsehfilm, unter anderem zusammen mit der redaktion des kleinen fernsehspiels des ZDF. am mittwoch abend habe ich mir den film vorab angesehen, regulär läuft er 22. februar um kurz vor mitternacht im ZDF (weitere sendetermine).

den film fand ich nicht schlecht, die erzählte geschichte OK und die schauspielerei gerade noch erträglich. was ich aber sensationell fand, waren die erinnerungen die der film in mir wach rief. die erinnerung an diesen fernsehsender mit der besonderen fähigkeit, fast alles was er sendet, piefig erscheinen zu lassen. ich habe seit bestimmt 10 jahren kein reguläres ZDF-programm mehr gesehen, früher hingegen gar nicht mal so selten. der film von mario sixtus war eine erinnerung daran, dass die entscheidung, kaum noch ZDF zu gucken, ganz gut war. man sieht in diesem film wirklich viel ZDF. mario sixtus hat lässt mehr oder weniger den ganzen film in gestellten reportage-, nachrichten- oder talksendunegn erzählen. das ZDF als erzähler.

ich hatte das gefühl, dass wirklich jede ZDF-sendung im film vorkam (laut pressematerial waren es 15 ZDF-„formate“): das morgenmagazin, das heute journal, lanz, böhmermann, die heute show, peter hahne — alles dabei gewesen. diese idee, einen film aus gestellten szenen mit den original moderatoren, in echten kulissen zu drehen, muss ein organisatorischer höllenritt gewesen sein. aber gleichzeitig ist das auch das erste mal, dass ich so etwas so konsequent umgesetzt gesehen habe. in all meiner ahnungslosigkeit bin ich geneigt, die geburt eines neuen genres ausrufen zu wollen. apropos rufen. niels ruf war auch dabei, allerdings nicht als echter moderator, sondern als moderator einer ausgedachten sendung.

was ich erstaunlich fand: wie überzeugend und makellos die professionellen moderatoren ihre rollen spielten, bzw. mario sixtus’ texte vortrugen. natürlich fällt in einer so hohen dosierung auf, dass die moderatoren alle eine kunstsprache sprechen, mit extra viel betonung, modulation und dramatik. aber genauso fällt auf, dass wir uns als zuschauer daran gewöhnt haben und genau diesen tonfall von professionellen moderatoren erwarten. als mario sixtus vor vielen jahren als elektrischer reporter anfing, habe ich mich über seinen ironisch übertriebene peter von zahn stimmlage und intonation köstlich amüsiert. mittlerweile kommt mir diese art zu sprechen fast natürlich vor.

jedenfalls machen die moderatoren in operation naked das was sie immer machen und wirken erstaunlich natürlich und so wie wir sie kennen. das natürlich-wirken fiel den schauspielern deutlich schwerer. sie redeten alle wie klaus kinsky in einer talkshow, wenn er entspannt wirken wollte. sie immitieren unsicherheiten beim formulieren, setzen nachdenkpausen beim sprechen, zögern manchmal beim antworten — wirken dabei aber fast nie ungekünstelt.

so sehr mir das format des films gefiel, hatte ich anfangs probleme mit der geschichte die der film aufspannt. der film erzählt im prinzip die geschichte einer augmented reality datenbrille und des gesellschaftlichen und politischen gezerres um sie. mir war das teilweise zu reduziert, stereotyp und auf eine bestimmte art zu undifferenziert. mein problem mit der geschichte löste sich aber, als mir klar wurde, dass mario sixtus keine seite einnimmt. er macht sich in gewisser weise über alle seiten der medaille lustig, über die glassholes, die post-privacy-advokaten, die datenschützer oder die streetview-fassadenschützer.

mario sixtus hält die geschichte ambivalent, er löst nicht auf — auch wenn er die erzählung mehr oder weniger versöhlich enden lässt und am ende mit einem inszinatorischem taschenspielertrick auf eine metaebene hebt.

ich gebe vier sterne, weil ich den film trotz einiger schwächen im schauspielerischen und in der umsetzung für gelungen halte. alleine um die vielen, zum teil stark gealterten, ZDF-nasen in ihren fernseh-habitaten zu sehen, hat sich der film schon gelohnt. es war auch lustig zu sehen, wie peter hahne sich um kopf und kragen redet, ohne dass er merkt, was eigentlich los ist. wobei das wahrscheinlich bei jeder seiner sendungen der fall ist. ich bin aber auch befangen, weil an dem film sehr vielen menschen mitgemacht haben, die ich gerne mag. ich bin auch ein bisschen ein mario-sixtus-fanboy, was operation naked möglichweise einen extra punkt beschert haben könnte. mario sixtus hat bei diesem film übrigens fast alles gemacht, nicht nur das drehbuch, die produktion und die regie, sogar die musik stammt von ihm. und natürlich spielt er auch mit — als elektrischer reporter.

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im prinzip gehört zu diesem fernsehfilm auch die dokumentation ich weiss wer du bist, in der er der frage nachgeht, ob das, was er in seinem fernsehspiel fiktional zeigt, auch in der realitiät möglich ist.

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trailer, operationnaked.org, programmdaten

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[nachtrag 15.02.2016]
der film ist jetzt in der zdf-mediathek zu sehen.