moskau 1/5

felix schwenzel, , in artikel    

wenn ich schlechte laune bekomme, ist das ein untrügliches zeichen, dass ix krank werde. dienstag letzte woche war es soweit. keine ahnung woher die grippeviren, die ich jetzt fast ein ganzes jahr erfolgreich vermieden hatte, herkamen. montag war noch alles ok. es gab relativ viel druck im büro, aber nicht so viel, dass er meine witzelsucht merklich bremsen konnte. in der nacht zum dienstag lief und kribbelte die nase etwas, und ich konnte mich die ganze nacht nicht entscheiden ob ich schon schlief oder noch wach war. um 3 entschied ich mich nach reiflicher überlegung, dass ich nicht einschlafen konnte, schenkte mir einen whisky ein und guckte eine stunde lang zu, wie sich jon stewart mit david axelrod unterhielt.

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zwischendurch musste ich an den besten, oder genauer, den einzig guten aprilscherz jemals, denken, in dem jesse barron über eine angeblich vergessene Tradition des „segmentierten“ schlafs fabulierte. ich liebe die nachtstunden, die ruhe, den zwischenzustand in dem sich alles und vor allem man selbst befindet. nur leider bin ich meistens zu müde, um ein paar stunden dieser besonderen zeit zu nutzen — und so scheint es auch den meisten anderen menschen zu gehen. trotzdem bin ich immer noch von der segmentschlaf-idee von jesse barron begeistert (die ich nach wie vor für einen aprilscherz halte, auch wenn sie einen eigenen wikipediaeintrag hat).

in der nacht zum dienstag war ich nicht müde, sondern einfach neben der kappe. ich wollte es mir nur nicht so recht eingestehen — was übrigens eine meiner lieblings-methoden ist, krankheiten zu bekämpfen: ignorieren, in der hoffnung dass sie weggehen.

als stewart und axelrod mit dem gespräch fertig waren und sich den publikumsfragen widmeten, kam die beifahrerin aus dem bett und fragte mich was ich in der küche täte: „ich gucke fernsehen …“ sie überzeugte mich, es nochmal mit dem schlafen zu probieren — und tatsächlich schlief ich dann bis halb neun ganz gut durch, ging ins büro und versuchte dann meine heraufziehende grippe dort weiter zu ignorieren, bzw. dort abzuwarten, dass sie sich als heftige heuschnupfenattacke oder quersitzender furz oder so herausstellen würde. das funktionierte leider nicht. am nachmittag waren sich die kolleginnen einig, dass ich so scheisse aussähe, dass ich schleunigst nachhause müsste.

zuhause schlief ich dann mehr oder weniger 16 stunden durch und versuchte am nächsten morgen wieder gesund zu spielen und ein bisschen zu mikromanagen, mails an kunden und das team zu schreiben und die viele arbeit aus dem bett heraus aufzuteilen. leider stellte sich heraus, dass mir nur eine einzige intellektuelle fähigkeit blieb: ich konnte hervorragend löcher in die wand starren und mit etwas mehr anstrengung, mit hilfe eines bildschirms, in die ferne sehen.

im laufe des tages wollte ich mir dann noch eine weitere meinung zu meinem gesundheitszustand einholen und lief zu meiner hausärztin. die bestätigte den eindruck meines umfelds (dass ich krank sei und auch so aussähe), schrieb mich bis zum ende der woche krank und warnte mich ausdrücklich in den nächsten tagen ein flugzeug zu betreten. das war insofern bedauerlich, weil wir bereits vor monaten ein verlängertes wochenende in moskau geplant hatten, was dank eigenartiger visa-regeln und hotelbuchungsregeln ein organisatorischer höllenritt war.

ich war geneigt der hausärztin zuzustimmen, denn auf dem rückflug aus schottland habe ich eine neue flugangst entwickelt: die angst vor mangelhaftem druckausgleich. in den letzten tagen in schottland hatte ich mich nämlich erkältet und mich dann nichtsahnend ins flugzeug gesetzt. dank der erkältung funktionierte der druckausgleich in den ohren nicht mehr, was bei der landung zu höllischen schmerzen wegen überdruck in den ohren führte. später, zu spät für den schottlandheimflug, las ich, dass man die folgen mit abschwellenden nasentropfen etwas abmildern könne, mich begleitete der ohren-überdruck dann zuhause noch ein paar tage.

weil ich das alles nicht noch einmal erleben wollte, war ich kurz davor auf die ärztin zu hören und die reise abzusagen und das wochenende über lieber zuhause löcher in wand zu starren, als mich nochmal mit geschwollenen schleimhäuten in ein flugzeug zu setzen.

weil ich mich am ende dann doch anders entschied, und mich mit nasentropfen und schmerzmitteln vollgepumpt doch ins flugzeug nach moskau setzte, kann ich in den nächsten tagen an dieser stelle und dem hashtag #moskau noch drei bis vier weitere artikel über unseren kurzbesuch in moskau veröffentlichen. zur einstimmung dazu ein symbolbild, dass die widersprüchlichkeit von moskau (oder russland) ganz gut zusammenfasst:

brunnen der völkerfreundschaft
brunnen der völkerfreundschaft auf dem ausstellungsgelände der errungenschaften der volkswirtschaft aus der sowjetzeit, mit einem wlan-hotspot und einem transmenschen im hintergrund.