spiegel gekauft

felix schwenzel, in wirres.net    

spiegel gekauft

mir fällt gar kein anderer grund ein, den spiegel zu kaufen, ausser im urlaub zu sein. so vorm oder im zelt sitzen und lesen ist fast so schön wie in der badewanne zu lesen.

möglicherweise ist das mit nem kindle oder nem ipad vorm zelt oder im zelt ähnlich toll, weiss ix aber nicht, weil ich sowas nicht habe.

wenn man in deutschland urlaub macht hat das den vorteil, dass man bei aldi einkaufen kann, aber auch den nachteil, das die sachen die man liest nassgeregnet werden können. da ist einem ein nassgeregneter spiegel natürlich lieber als ein nasses gadget. aber sauteuer isser andererseits auch, der spiegel.

und leider auch ziemlich unerträglich. ich hatte ganz vergessen wie pathetisch und überdreht der spiegel schreibt, wie sehr sich die spiegel-autoren bemühen, aus platitüden reportage-material zu klöppeln: "Es ist schwer, aus dem Schatten eines großen Mannes herauszutreten [...]" -- "Es gibt kaum etwas, was eine Familie so vereint wie die Trauer [...]" -- warum muss der spiegel texte ausdekorieren, statt prägnant zum punkt zu kommen? beim lesen des spiegels hat man mitunter das gefühl, die autoren hätten ihren text gerne auch noch mit getragener streichmusik unterlegt.

am unerträglichsten ist aber die fräulein rottenmeier-haltung der autoren, bzw. der texte: wir sehen alles, wir wissen alles, widerspruch und zweifel sind keine option. oder vielleicht ist das unerträglichste am spiegel der ständige versuch zu suggerieren, dass die autoren immer dabei waren, hautnah und meistens im kopf der protagonisten. statt authentizitäts-simulation wäre mir etwas distanz, von mir aus auch sarkastische oder überhebliche distanz lieber.

oder - aber das wäre wohl wirklich zu viel verlangt - wie wärs mal mit ein bisschen demut, von mir aus auch nur als attitüde?

fast das paradies auf erden

felix schwenzel, in wirres.net    

nachtzug 1247 von berlin nach münchen

allein im zug sitzen und liegen können und die tür hinter einem abschliessen. eigentlich die ideale art zu reisen. keine ahnung warum ich da nicht früher drauf gekommen bin und ich das letzte mal vor 15 jahren mit dem schlafwagen gefahren bin.

na gut, perfekt paradiesisch isses nicht. die einzige steckdose in der kabine ist so schwachbrüstig, dass sie das macbook lediglich in pulsen auflädt und die klimaanlage bläst wie das macbook, wenn es 13 HQ-videos auf einmal abspielt.

aber sonst: perfekt. morgen früh solte ich frisch wie ein murmeltier aus dem zug steigen.

markus lüpertz @ wir alle ♥ lüpertz

felix schwenzel, in wirres.net    

markus lüpertz @ wir alle love lüpertz

[nachtrag 26.02.2011]
am freitag sind die beifahrerin und ix nach aschaffenburg gefahren. in würzburg hatten wir ne stunde, statt einer halben stunde aufenthalt, was uns gelegenheit gab den unfassbar hässlichen bahnhof und bahnhofsvorplatz von würzburg zu betrachten. am ende des vorplatzes, am anfang der fussgängerzone, gabs einen billig-bäcker (oder besser tiefkühlwaren-aufbäcker) namens „star back“. über den namen könnt ich mich unendlich beömmeln, der laden ist aber offenbar eine in der gegend von würz- und aschaffenburg recht weit verbreitete kette, wie in berlin oder hamburg die „back factory“. während ich mich weiter über den namen beömmelte, haben wir uns jeweils eine kalte pizza aus der auslage geholt, bezhalt hingesetzt und den bahnhofsvorplatz weiter betrachtet.

als wir eine weile später in aschaffenburg ankamen, wurden wir von einer wolke aus possierlichkeit, hübschigkeit und aufgeräumtheit eingenebelt. vermutlich wirkte aschaffenburg auch deshalb so hübsch und sympathisch auf uns, weil wir würzburgs hässlichkeit noch frisch im hinterkopf hatten. für berliner augen, wirkt die stadt zudem so, als ob die ausschliesslich von reinungskräften bevölkert ist.

in aschaffenburg redet man auch um einiges sympathischer als in würzburg. das fränkisch in aschaffenburg ist stark von einem hessischen dialekt durchzogen und so, zumindest in meinen ohren, um einiges sympathischer als das würzburger fränkisch. ausserdem sind die reinigungskräfte in aschaffenburg unfassbar freundlich. die reinigungskräfte kümmern sich in aschaffenburg auch liebevoll um die öffentlichen toiletten, die sich alle, aus irgendwelchen mir nicht ganz nachvollziehbaren gründen, in parkhäusern befinden, genausso sauber wie der rest der stadt sind und keinen eintritt kosten. aschaffenburg ist eine äusserst blasen-freundliche stadt!

vom bahnhof sind wir gleich in irgendeine kirche neben der kunsthalle jesuitenkirche (also wahrscheinlich die jesuitenkirche?) gegangen, in der ein festakt zur eröffnung der lüpertz-ausstellung (die sich wegen frame-gedöns nicht direkt verlinken lässt) stattfand, der insgesamt und aus verschiedenen gründen ziemlich unerträglich war. da markus lüpertz anwesend war, trotz seiner „zahlreichen anderen termine“, wie die kuratorin der ausstellung, frau dr. dings, es ausdrückte, wurden wir zeuge wie fünf oder sechs personen nacheinander und teilweise mehrfach, verbal in markus lüpertz arsch krochen. ein enddarm-festakt quasi. schlimmer als die arschkriecherei war nur noch das musikalische rahmenprogramm.

danach habe ich einen wurstsalat und ein weizenbier im schlappeseppel gegeessen. die beifahrerin ass wisswürste, die sie gwissenhaft schälte. unsere aschaffenburger begleitung, ass die weisswürste mit schale, was mich ein bisschen irritierte. mein wurstsalat und mein weissbier waren extrem lecker und von dem naturtrüben bier, hat sogar die beifahrerin eins getrunken und gemocht, obwohl sie bier nicht leiden kann. auch im schlappeseppel waren die einheimischen reinungskräfte sehr, sehr freundlich, einige von ihnen haben sogar bedient, statt zu putzen.

nach dem essen gingen wir rüber zum kornhäuschen, wo die gegenausstellung zur offiziellen lüpertz-ausstellung stattfand. laut pressetext lud das kornhäuschen „Künstlerinnen und Künstler ein, sich zum Mythos Markus Lüpertz künstlerisch zu äußern“. in echt, war die ausstellung voll mit arbeiten, die sich über lüpertz mokierten, ihn veralberten und teilweise wunderbar beschimpften.

irgendjemand vom kornhäuschen schaffte es tatsächlich lüpertz dazu zu bringen sich kurz die ausstellung „wir alle ♥ lüpertz“ anzugucken. lüpertz fand die arbeiten offenbar alle sehr amüsant, nur an der arbeit von ingke günther, die ca. 30 oder 40 schimpfworte aus ihrem fundus von insgesamt 1405 schimpfworten sorgfältig für lüpertz ausgewählt hatte und im kornhäuschen aufgehängt hatte, hatte lüpertz etwas auszusetzen. „kunstschwuchtel“ fand er nicht so toll. über „oberaffe“, „lackaffe“ oder „lufterhitzer“ beklagte er sich aber nicht.

der bürgermeister, der beim offiziellen lüpertz-schmeichel-festakt noch eine ultimative lobhuddelei aufgesagt hatte, kam später auch noch vorbei und liess sich alle arbeiten erklären. mit dem bürgermeister hatten wir später noch eine stark irritierende begegnung der dritten art, auf die ich nicht weiter eingehen möchte, die aber meinen eindruck, dass die aschaffenburger sehr, sehr freundlich, vielleicht sogar einen ticken zu freundlich sind, bestätigte.

nach dreissig stunden war ich jedenfalls wieder ganz froh, von unfreundlichen hanseaten umgeben zu sein.

(vielen dank an anne hundhausen, ina bruchlos und die vielen aschaffenburger reinigungskräfte. ganz im ernst.)