google AMP — complete and utter failure

felix schwenzel, in artikel    

seit der ankündigung von AMP habe ich mich, vor allem aus technologischer neugier, bemüht das format bereitzustellen. im januar begann google meine AMP-formatierten seiten in den index aufzunehmen, etwa 500 AMP seiten auf wirres.net waren am 2.2.2016 indexiert. zu diesem zeitpunkt hatte ich auch bereits die meisten fehler der seiten beseitigt, heute sind meine seiten, AMP-technisch, laut webmaster console und laut debugging tool, fehelrfrei.

webmaster console ansicht meines AMP-status

aber google hat nicht nur über die letzten wochen hinweg gemerkt, dass meine AMP-seiten syntaktisch korrekt sind (die 6 monierten fehler datieren allesamt auf versionen von vor dem 2.1.2016), sondern auch nur 4 meiner AMP-seiten im index.

auch als ich noch mehr seiten im google-index hatte, hatte ich maximal 1-2 besucher pro tag auf meinen AMP-seiten, im google-index war ich, soweit ich sehen konnte, AMP-mässig unsichtbar. das heisst auch mobile suchergebnisseiten, zeigten nie meine AMP-seiten an, sondern stets die regulären seiten. das ist ja nicht weiter schlimm, aber ich habe das gefühl, dass google white oder blacklists führt und AMP-seiten nur von renomierten, reichweitenstarken webseiten in die (mobilen) suchergebnisseiten aufnimmt.

piwik statistik meiner AMP-seiten-aufrufe

ich finde die idee und die ausführung hinter dem AMP-projekt nach wie vor faszinierend, weil es verspricht, seiten im web — und nicht etwa nur in apps — effektiv und von störendem und irritierenden müll befreit, auszuliefern, aber die implementierung und adaption von AMP scheint, selbst bei google selbst, unter aller kanone zu sein. deshalb bin ich gespannt auf den öffentlichen facebook instant articles rollout mitte april, auch wenn sich die vorteile vor allem in der app auswirken werden, aber immerhin ist die facebook-implementierung so gelöst, dass es immer einen fallback auf die webversion gibt und die instant-articles-version wie ein sahnehäubchen funktioniert.

* * *

apple news ist übrigens auch eine mittlere katastrophe, zumindest, wenn man ein medium mit nur um die 100tausend seitenansichten im monat (30.000 web, 60.000 RSS) betreibt. ich habe mich dort vor einem halben jahr testweise angemeldet und vorerst nur einen (englischsprachigen) RSS-kanal angemeldet, was einer mittleren katastrophe gleich kam, weil sich die apple news inhalte per RSS nicht aktualisierten und auch nicht editieren liessen. jetzt ist das apple news format teoretisch für jeden offen, aber apple lässt auch hier seinen manischen kontrollwahn walten. meine bitte um freigabe meines apple news kanals wurde bereits zweimal abgelehnt, weil die apple-türsteher zweimal meinten, dass mein kanalname ihnen nicht passt und mich zweimal zurückgewisen haben. von mir aus kann apple seinen news-format alleine nutzen, das zudem auch noch irre kompliziert und sehr proprietär ist.

ansichtssache perspective daily

felix schwenzel, , in artikel    

von perspective daily (PD) habe ich zuerst bei schulz und böhmermann gehört, als nora schirner dort davon schwärmte und das projekt als „ganzheitlichen journalismus“ beschrieb. was ganzheitlicher journalismus sein solle verstand ich damals nicht und verstehe ich auch heute nicht, aber immerhin fand ich das wort auf der selbstbeschreibungsseite von perspective daily nicht. so richtig klar, was perspective daily machen will, wurde mir auch beim durchlesen der seite nicht. dort steht jetzt (und vermutlich auch schon vor zwei monaten, als ich zuerst dort war):

Wir wollen Nachrichten anders machen:
Artikel mit Blick nach vorn, die nicht nur über Probleme sprechen, sondern auch fragen: Wie kann es besser werden?

wie das, was man vorhat, konkret aussehen könnte, kann man meiner meinung nach am besten zeigen, wenn man es macht, statt es nur anzukündigen — und dankenswerterweise, hat perspective daily am 7. märz diesen beispieltext von der mitgründerin maren urner online gestellt:

Ignorieren wir Probleme oder ignorieren wir Fortschritte?

der text ist OK und relativ konkret, aber immer noch ziemlich stark durchzogen von der idee, was perspective daily machen will, statt zu zeigen, wie perspective daily sein wird. ja, ich glaube auch, dass wir positiven, konstruktiven journalismus gebrauchen können, dass wir zu wenig augenmerk auf die positiven entwicklungen werfen, dass wir uns mehr gedanken um probleme, als um lösungen machen.

um ein projekt zu unterstützen, schadet es natürlich nichts über die intentionen zu erfahren. aber besser finde ich es immer, nicht nur die intentionen erkennen zu können, sondern auch (möglichst viele) konkrete arbeitsproben zu sehen. ich sehe einen unterschied zwischen werbung für etwas machen und werbung mit etwas machen, im technologiesektor ist das der unterschied zwischen dampfware und einem konkreten produkt.

ich schliesse in der regel kein jahresabo auf basis von eigenwerbung ab, sondern schaue mir das produkt (das heft, die zeitung, den streaming-service) erstmal genau an, bevor ich mich auf ein längerfristiges engagement einlasse. bei den krautreportern war das (etwas) einfacher, da gab es neben dem unterstützenswerten ziel, namen auf der autorenliste, die ich kannte und schätze. ich konnte mir zumindest vorstellen, was mich in einem jahr krautreporter erwarten würde (konnte ich natürlich nicht, der überraschungseffekt war grösser als der erwartungseffekt).

auf der autorenliste von perspective daily finden sich ein name, den ich kenne und schätze, raúl krauthausen. es findet sich auch ein name, den ich kenne und nicht schätze, eckart von hirschhausen. eckhart von hirschhausen ist zwar ein „Künstler, der sich ausschließlich über sein berufliches Wirken definiert“, aber ich kann sein berufliches wirken nicht leiden. apropos berufliches wirken, dass ich nicht leiden kann mit dem ich nichts anfangen kann. klaas heufer-umlauf als testimonial finde ich weder witzig noch konstruktiv.

und wo ich gerade dabei bin zu mäkeln, nach allem was ich auf perspective-daily.de gelesen und verstanden habe, wird perspective daily die artikel hinter einer mitgliederwand verschwinden lassen und es zahlenden mitgliedern erlauben, diese „mit interessierten“ zu teilen. so ganz schlau wird man aus dem FAQ nicht:

Für wen sind die Inhalte von Perspective Daily zugänglich?

Unsere Inhalte sind in erster Linie für unsere Mitglieder zugänglich. Sie haben Zugriff auf alle Beiträge, die Kommentarfunktion und weitere Funktionen von Perspective Daily. Die Erfahrung aus anderen Projekten zeigt, dass dies gerade im Kommentarbereich die Diskussionskultur positiv beeinflusst. Einzelne Beiträge können auch an Nicht-Mitglieder weitergegeben werden: Durch Kopieren des Weblinks eines Artikels können Mitglieder und Autoren diesen via E-Mail oder Soziale Netzwerke an Interessierte weiterleiten. Dieses System hat sich beim niederländischen De Correspondent sehr bewährt und stößt auch bei den Mitgliedern auf große Resonanz.

auch wenn es perspective daily in den letzten monaten dreimal geschafft hat, meine aufmerksamkeit zu erregen (tschirner bei schulz und böhmermann, minihype um das video mit klaas heufer-umlauf und jetzt der funding-endspurt mit entsprechender medienpräsenz), hat mich perspective daily nicht überzeugen können. alles zu vage, zu luftig oder unverständlich. monatelanges crowdfunding und trommeln, aber nur ein konkretes arbeitsbeispiel, das aber eigentlich auch eher ein letter of intent ist. aber vor ein paar tagen funkte mich johannes „sankt“ korten an, den ich sehr schätzte, und liess mich wissen, dass er die „macher_innen persönlich“ kenne und sehr schätze. deshalb, nicht wegen der irritierenden und für mich grösstenteils unverständlichen eigenwerbung, unterstütze ich perspective daily für ein jahr (für €42).

das crowdfunding läuft noch 3 tage, also bis zum ostermontag. noch fehlen ungefähr 1000 mitglieder, um das ziel von 12tausend zahlenden mitgliedern zu erreichen. hier kann man mitglied werden.

last week tonight with john oliver: donald trump

felix schwenzel, , in gesehen    

ganz ehrlich, ich kann es nicht nicht mehr sehen: leute die sich über trump lustig machen und artikel die danach sagen „xy hat gerade donald trump zerstört“. (was paul carr in diesem link dazu sagt, ausser der überschrift („Destroying ourselves to death“), weiss ich nicht, weil der artikel hinter einer paywall ist. aber vor der paywall sind 8 oder 9 screenshots von artikeln, die sagen, donald trump sei gerade zerstört worden.)

ich würde gerne sagen, nachdem ich diese ausgabe last week tonight mit john oliver gesehen habe, dass john oliver einen witzigen, ruhigen und gut recherchierten beitrag über die lügen, die aufschneidereien und den grössenwahn von donald trump gemacht hat, der wirklich eindruck hinterlassen hat und das potenzial hat, trump den boden unter den füssen wegzuziehen. kann ich aber nicht sagen und will ich nicht sagen. auch wenn das alles lustig und gut recherchiert war, mir war es zu aufgeregt vorgetragen. das grösste manko war aber: ich wusste das alles schon. ich habe fast nichts neues erfahren und vor allem, ich habe das was ich über trump in den letzten jahren erfahren habe, nicht aus neuen perspektiven gesehen. gut, ich lese viel und sehe viel fernsehen und manchmal schaue ich mir john oliver oder andere liberale talkshows an. aber ich frage mich noch mahr als sonst, wozu dieses predigen vor den ohnehin schon informierten? oder wie die amerikaner manchmal sagen, wozu dieses predigen vor dem chor?

vielleicht bin ich auch einfach nur frustriert. seit monaten, nein, seit jahren, wird donald trump mit satire und lächerlichmachung übergossen und er geht nach jedem fass schlamm das über ihm ausgekippt wird, gestärkt hervor. natürlich ist er peinlich, lügt, wackelt, ist nicht so reich und unabhängig wie er vorgibt, natürlich sieht er albern aus und scheitert ständig mit irgendwelchen geschäften — aber auch die schrillionste wiederholung dieser tatsachen bringt niemanden davon ab, trump zu unterstützen.

aber diese strategie der lächerlichmachung funktioniert eben nicht nur nicht, sie lenkt auch von einem anderen problem ab. nämlich, dass die anderen politiker sich, in der wahrnehmung vieler menschen, nicht grossartig von trump unterscheiden. es gibt nicht wenige leute die glauben, dass die politiker in washington eben auch peinlich sind, lügen, opportunitisch wackeln und versteckte agenden verfolgen. geschäfte, ordentliche deals, traut ohnehin kaum einer den aktiven politikern zu (auch in deutschland). natürlich ist diese wahrnehmung falsch oder mindestens getrübt, aber sie ist vorhanden. dass diese wahrnehmung nicht ganz daneben liegt hat oliver übrigens auch in der sendung gezeigt: obamas erste amtshandlung: die schliessung von guantanamo einzuleiten und in den folgenden jahren, jedes jahr, die schliessung, spätestens im nächsten jahr anzukündigen. die zuverlässigkeit von barack obamas versprechen, unterschiedet sich hier nicht wirklich von trumps wahlkampfaussagen.

die hoffnung, dass jemand, der sich an keine etablierten regeln hält und grossmäulig davon redet (endlich) alles umzukrempeln, genau das tut, ist nicht ganz abwegig. mit genau dieser hoffnung hat schon barack obama seinen wahlkampf eine richtung gegeben, wenn auch ein bisschen subtiler: change.

trump steht für viele genau dafür: veränderung (oder genauer, zurückveränderung, oder die sehrnsucht nach dem gestern). diese hoffnung nimmt man den leuten nicht, indem man ein paar witze über den selbsterklärten veränderer macht, oder ihn blossstellt.

john olivers rant gegen donald trump war unterhaltsam und gut gemacht. und dafür ist john oliver da: fürs entertainment, auf einem hohen niveau. den tatsächlichen wunden punkt von donald trump müssen andere finden — und ich bin sicher, er wird noch gefunden. in der zwischenzeit frustrieren mich trump-witze eher, als dass sie mich aufmuntern.

* * *

der sendungsteil über donald trump ist auf youtube zugänglich, dankenswerter weise auch aus europa.

youtube-video
youtube

the night manager s01e01

felix schwenzel, , in gesehen    

grossartig. habe nichts auszusetzen an dieser serie — bzw. dieser pilotfolge. eigentlich stimmt alles, die kamera ist grossartig, die produktion aufwändig und auf spielfilm-niveau, das ensemble grandios und nahezu perfekt besetzt und die geschichte ist nachvollziehbar und erschreckend realistisch erzählt.

in der pilotfolge wird in zwei teilen erklärt, warum der nachtportier jonathan pine den waffenhändler richard roper zu fall bringen will. das ist alles in james bond-maier gefilmt und inszeniert, mit einigen entscheidenden unterschieden: zum einen ist die motivation der handelnden personen nachvollziehbar, zum anderen werden einem nicht nur klischees an den kopf geworfen und stur die genre-regeln von agenten-filmen durchdekliniert. das ist alles keinesfalls action-arm, aber eben auch nicht so bombastisch und überkandidelt inszeniert, wie in bond-filmen. ich will auf dem bond-vergleich nicht rumreiten, aber weil ich den letzten bond so scheisse fand, kann ich mir das einfach nicht verkneifen.

das beeindruckenste an the night manager ist, wie gesagt, die nachvollziehbare, unaufgeregt und detailiert erzählte geschichte. die serie ist von interessanten charakteren bevölkert und verspricht spannende unterhaltung in den kommenden folgen. das ist alles eingepackt in wunderbar fotografierte spielorte rund um die welt, gespielt von knuffigen schauspielern und sauber gedreht und produziert.

ich finde olivia colman und ihr gesicht wirklich knuffig. sie war nicht nur in broadchurch die idealbesetzung, sie passt auch auch hier perfekt, zumal ihr die rolle auch ein bisschen auf den schwangeren leib geschneidert wurde. hugh laurie und tom hiddleston sind aus meiner sicht ebenfalls idealbesetzungen. laurie als überzeugender, paranoider bösewicht und hiddleston als ehrlich besorgter ex-soldat und nachtportier, mit extrem einem angenehmen und distinguierten britischen akzent.

ich freue mich sehr auf die kommenden folgen und gebe, sehr beeindruckt von der pilotfolge, gleich von anfang an die volle punktzahl.

join or die s01e01

felix schwenzel, , in gesehen    

craig ferguson ist zurück auf dem bildschirm. diese nachricht entzückte mich, denn ich vermisse seine late late show show sehr. seine neue sendung läuft auf dem history channel und hat eigentlich ein schlüssiges konzept: ferguson diskutiert altuelle politische themen mit einem panel aus drei (wechselnden) gästen. in dieser sendung war das thema: „histories biggest political blunders“, also die grössten politischen fehlleistungen der geschichte.

am anfang lässt sich ferguson nicht nehmen, erstmal viereinhalb minuten lang im stehen in die kamera zu reden. ich fand das sehr erfrischend, wahrscheinlich weil ich es so lange nicht mehr gesehen habe, dass craig fergoson gut gelaunt, wild gestikulierend, kichernd und oft fluchend, in eine kamera spricht. was ferguson wirklich kann — und was kaum ein anderer moderator kann — ist zugleich aufrichtig und albern, gut vorbereitet und improvisierend zu wirken und sowohl sehr witzig zu sein, als auch ständig über die eigenen witze zu kichern — ohne peinlich zu wirken.

sein gespräch mit mit drei mehr oder weniger prominenten ging auch gleich so weiter, mit einer überdosis ironie. für 10 minuten war das noch erträglich, ging mir dann aber schnell auf die nerven. das hin und her vermatschte zu einem leichten gag- und ironie-salat ohne viel substanz. jetzt könnte man natürlich sagen: wer von craig ferguson substanz erwartet, dem sei nicht zu helfen — und vielleicht ist das auch so (dass mir nicht zu helfen ist). aber ich habe craig ferguson oft genug gesehen, um zu wissen, dass er durchaus substanz abliefern kann, wenn er sich für seine gäste oder ein thema interessiert.

für einen seiner gäste, jimmy kimmel, interessierte er sich auch (zu recht), weil kimmel die seltene fähigkeit besitzt, aus wirklich jeder vorlage einen witz zu machen und auf jeden ferguson-gag noch einen draufzusetzen. seine beiden anderen gäste interessierten ihn aber leider kaum. der pr-mensch howard bragman versuchte hier und da ein bisschen substanz mit selbstbeweihräucherung zu verbinden und ferguson liess ihn auch gewähren, aber die komikerin jen d’angelo kam eigentlich so gut wie nicht zu wort.

ferguson ist immer dann am besten, wenn er einen starken partner oder gegenpart hat. das war in dieser sendung jimmy kimmel, aber die sendung war trotzdem weniger gut, als ich gehofft hatte. etwas mehr vorbereitung, ein bisschen, nur ein ganz bisschen, tiefgang, bzw. kluges würden schon reichen. stattdessen ist das einzige was ich in dieser sendung dazugelernt habe, dass es gold-stern-schwule (gold star gays) gibt. das sind männer, die nie sexuellen kontakt mit einer frau hatten. howard bragman ergänzte, dass es auch platin-schwule (platiunum gay) gäbe, dass sind gold star gays, die per kaiserschnitt entbunden wurden, also selbst bei der geburt keinen kontakt zu den primären sexualorganen einer frau hatten.

ich habe mich wirklich gefreut craig ferguson wieder zu sehen, aber ich habe wohl ein bisschen zu viel erwartet. ohne grosse erwartungen, kann die sendung durchaus 20 unterhaltsame und kurzweilige minuten bieten — und theoretisch ist das konzept auch gar nicht mal so schlecht. deshalb: das ganze kann nur besser werden — und wird es sicherlich audh.

push und pull

felix schwenzel, , in artikel    

wilhelm trübner, ave caesar, morituri te salutant, 1877

nicht mal die beifahrerin liest meine wetter-rezensionen. ich fühle mich mit dem ins-netz-schreiben wieder wie vor 20 jahren. wie anke gröner das seit 100 jahren in ihrem blogkopf stehen hat: „blog like nobody’s watching“. oder wie ich es sagen würde: bloggen als selbstbefriedigung, schreibübung und welt- und wahrnehmungs-verdauungshilfe.

* * *

mit blogsoftware ins internet zu schreiben (bloggen), wird ja schon lange, immer wieder mit neuen gründen, totgesagt. in den frühen zweitausendern war push statt pull das grosse ding, in den frühen zweitausendzehnern waren es die sozialen netzwerke (twitter, facebook), die dem bloggen den todesstoss verliehen und heute sind newsletter der grosse, heisse scheiss. kürzlich wurde mir, aus gründen die mir schon wieder entfallen sind, der newsletter von lorenz maroldt empfohlen. der ist wirklich lesenswert und schön rotzig geschrieben. sogar wenn lorenz maroldt von stefan jacobs vertreten wird, wie vor drei tagen. da fing der newsletter so an:

Die Zeiten werden immer verwirrender: Wird Air Berlin arabisch oder italienisch? Werden die Mars-Riegel nun zurückgerufen, weil in einem Kunststoff drin war oder weil er in den anderen fehlt? Und gelingt mit den Riegeln die Energiewende oder werden sie in jener Gegend zwischen Berlin und Böhmen verklappt, von der der lokale CDU-General Kretschmer sagt, das sei „nicht Sachsen“, und sein MP Tillich, das seien „keine Menschen“? Das Karrierebarometer für Geografen, Biologen und Lebensmittelchemiker steigt. Und der Säxit scheint attraktiver denn je.

alles wunderbar, nahezu lehrbuchhaft. aber weitergelesen hab ich dann nicht. mein email-eingangsfach läuft morgens über, mit gut gemachten, mit lesestoff und links vollgepackten newslettermails, aber über die erste seite dieser mails, komme ich mittlerweile nur noch selten hinaus. andererseits: auch mein RSS-reeder quillt derzeit über, aber immerhin lese ich den immer noch in der bahn, vorm einschlafen und vorm aufstehen. kann natürlich auch sein, dass ich gerade in einer wenig-lese-phase bin, aber newsletter sind gerade echt schwer unterzubringen in meinem lesefluss.

* * *

wirres hat übrigens als newsletter angefangen, vor über 14 jahren. statt meinen freunden einzelne mails oder briefe zu schreiben, hatte ich mir damals™ überlegt, dass so eine sammelmail doch ne super idee sei. ich glaube den meisten empfängern, die dem empfang der sammelmail übrigens nicht explizit zugestimmt hatten, ging es damals schon so, wie mir jetzt: wer soll das denn (wann) alles lesen?

yahoo hatte damals ein werkzeug am start, mit dem die verwaltung der abos, der versand und die archivierung wirklich einfach funktionierten. nach ein paar jahren wurde der dienst eingestellt, irgendwann wurde er dann wieder reaktiviert. jedenfalls sind die sammelemails alle noch im archiv vorhanden.

* * *

auf eine bestimmte art bin ich froh, bei dem was ich hier mache, nicht darüber nachdenken zu müssen, ob das jemandem gefällt oder interessiert. in der regel reicht es, dass es mich interessiert oder dass es mir hilft, sachen besser zu verstehen oder im blick zu behalten, wenn ich sie aufschreibe und wichte.

ich wiederhole das gebetsmühlenartig seit jahren: ich bin froh, nicht von dem leben zu müssen, was ich ins netz schreibe. ich muss meine seitenansichten nicht nach oben jazzen, indem ich auf irgendetwas optimiert schreibe. ich muss keine erwartungen erfüllen und texte auf keine zielgruppe optimieren. ich merke zwar, dass es immer wieder überschneidungen zwischen meinen interessen und denen eines grösseren publikums gibt und manche themen besser ankommen als andere. aber ich muss nichts zuspitzen oder aggressiv bewerben, weil ich ausser meiner lebenszeit, kaum kosten decken muss. wenn ich zuspitze, dann weil ich bock drauf habe oder zu faul zum differenzieren oder zuende-denken bin. wenn ich aufträge für werbeartikel annehme, mache ich das nur, wenn mir das produkt oder das thema zusagt oder ich glaube dass es zu mir passt. ich greife die positionen von anderen nicht an, um lesermassen zu lenken oder aufmerksamkeit zu erzeugen, sondern um mir persönliche satisfaktion zu verschaffen.

was mir aber die grösste befriedigung verschafft, sind die technischen möglichkeiten, die sich mir hier öffnen. ich kann mit technologien experimentieren und deren auswirkungen beobachten. so weiss ich jetzt, dass man veröffentlichte artikel innerhalb von wenigen minuten auf google suchergebnisseiten hieven kann. ich weiss wie man strukturierte daten einsetzen kann, um suchergebnisse bunter erscheinen zu lassen oder aus artikeln übersichtslandkarten bauen kann. ich habe gelernt, wie man reaktionen aus sozialen netzwerken einfangen kann oder wie man aus dem eigenen blog heraus bei anderen leuten kommentieren kann.

* * *

die beste idee, die ich seit langem hatte, war alle fernsehsendungen oder filme, die ich sehe, mit ein paar eindrücken aufzuschreiben. das ist mitunter nervig und anstrengend und interessiert eher wenige, aber es hat mich daran erinnert, warum ich überhaupt angefangen habe zu bloggen: zu versuchen das eigene leben nicht einfach vorbeirauschen zu lassen, sondern den einen oder anderen moment festhalten, daran zu knabbern, ihn aus verschiedenen perspektiven zu betrachten und aufzuschreiben, festzuhalten, zu fotografieren oder zu filmen. dass genau das dazu führt, dass das eigene leben noch schneller an einem vorbeizieht und ich noch weniger zeit habe, ist ein nebeneffekt mit dem ich leben kann. auch weil das ganze dann doch hin und wieder den effekt hat, dass es andere inspiriert oder anderen hilft oder auf neue sichtweisen bringt. und neben all der selbstbefriedigung und verdauungshilfe mit der ich mein „blog like nobody’s watching“ weiter oben rationalisiert habe, sind dieser gelegentliche zuspruch, feedback oder überhaupt das ansehen meiner auswürfe, natürlich auch motivierend und befriedigend.

* * *

eigentlich hatte ich diesen artikel angefangen, um über die alte push vs. pull debatte nachzudenken. das ist mir offensichtlich nicht wirklich gelungen. aber seit den frühen newsletter-tagen von wirres, bin ich gegenüber push-modellen skeptisch. mein vorherrschendes gefühl ist: ich will mich eigentlich nicht aufdrängen. auch weil ich eben weiss, dass nicht alles was ich aufschreibe, jeden interessiert. oder umgekehrt, weil ich mich thematisch oder konzeptionell nicht festlegen möchte. deshalb wird es auf absehbare zeit auch keinen regelmässigen newsletter von mir geben. wer sich für meine thematische wundertüte interessiert kann mir auf twitter oder facebook folgen oder mich per RSS abonnieren (zum beispiel mit feedly) oder von mir aus auch die microformate dieser seite parsen.

trotz meiner reserviertheit gegenüber dem push-konzept, habe ich in den letzten monaten ein bisschen darüber nachgedacht, wie eine mobile wirres.net-app aussehen könnte. in meiner vorstellung müsste sie eigentlich nur eins können: den hauptfeed oder einzelne kategorie-feeds abonnierbar machen und bei neuen artikeln eine benachrichtigung anzeigen, bei deren auswahl man auf dem artikel landet. natürlich können das bereits unzählige RSS-reader-apps, aber sie verlangen immer noch ein gewisses technisches grundverständnis, bzw. ein explizites abonnieren: download und installierung der app, app starten, feed eingeben oder suchen, abonnieren. feedly hat das bereits mit links wie diesem relativ reibungslos gemacht, aber auch feedly verlangt vor dem abo zuerst eine anmeldung bei feedly, die man dann nach der installation der feedly-app auf dem mobiltelefon nochmal durchführen muss.

ich fand die idee reizvoll einfach einen app-download anbieten zu können, in dem das abonnement bereits voreingestellt ist und dass sonst keinerlei klicks oder interaktionen mehr nötig sind. subscribe by download, sozusagen.

technisch geht das in der theorie alles problemlos; einfach eine app bauen die RSS parsen kann, app-icon einstellen, eine benachrichtigungsfunktion und vielleicht noch eine liste, mit den letzten artikeln. wenn die app pubsubhubbub verstünde, könnte sie auch augenblicklich bescheid sagen, wenn das abonnement aktualisiert wurde.

es gibt nicht wenige anbieter, die für so etwas white-label-lösungen anbieten, bei denen man sich quasi eine app zusammenklicken kann. solche apps lassen sich dann per rss füttern und zeigen eine übersicht der veröffentlichten artikel an. ich fand die ergebnisse dieser app-bausätze aber alle sehr unbefriedigend. alle, die ich ausprobierte, hatten zu viel visuellen ballast und offensichtliche technische schwächen.

ich habe mir auch ein paar opensource lösungsansätze angesehen, aber genau das, was ich mir vorstelle, hab ich (natürlich) nicht gefunden. aber wäre das nicht toll, wenn es einen generischen app-bausatz gäbe, den man auf sein blog, bzw. seinen feed, konfigurieren könnte, kompilieren und im app-store einreichen könnte?

ist die app installiert, macht sie nichts anderes als den benutzer zu benachrichtigen, wenn der abonnierte feed neue einträge aufweist (ein klick öffnet die seite im browser), wenn man den feed, das abonnierte blog, nicht mehr lesen möchte, löscht man einfach die app. keine aufwändig gerenderten artikelübersichten in der app, keine verhunzten leseansichten, einfach nur eine bescheid-app pro abo oder blog für das man sich interessiert. so könnte ich mich auch mit push anfreunden.

better call saul s02e02 (cobbler)

felix schwenzel, , in gesehen    

ich muss leider sagen, dass ich saul goodman in breaking bad nie mochte. ich war, natürlich, ein mike-fan. die erste staffel better call saul hat aber gute arbeit geleistet, um jimmy mcgill interessanz und menschlichkeit zu verleihen. jetzt mag ich jimmy mcgill aka saul goodman natürlich (auch) sehr. aber ich bin immer noch ein grosser mike-ehrmantraut-fan. allein das stoische gesicht von jonathan banks kann ich mir stundenlang ansehen. und in dieser folge konnte man wieder sehr viel von diesem zerfurchten gesicht sehen.

der grund warum ich so ein grosser mike-ehrmantraut-fan bin, ist natürlich, dass er, bereits in breaking bad, einer der wenigen charaktere war, die noch alle beisammen haben und er (fast immer) die situationen, in denen er steckt, richtig einschätzt. und genau dabei kann man ihn in dieser (und der letzten) folge wieder beobachten: situationen richtig einschätzen und dinge in ordnung bringen.

aber auch jimmy mcgill lief in dieser folge wieder zu höchstform auf und fand ganz offensichtlich grösseren gefallen an praktizierter moralischer flexibilität, als am drögen leben als festangestellter anwalt. der job in der kanzlei ödet ihn ganz offensichtlich an, auch wenn er erstmals etwas (fragile) anerkennung in seinem job als ehrlicher anwalt abbekommt.

aber als mike ihn anruft um den tolpatschigen medikamente-dealer aus der polizei-falle, in die er sich in der letzten folge manövriert hat, zu befreien, läuft jimmy mcgill wieder zu höchstform auf — und man merkt auch bob odenkirk an, dass es ihm spass macht jemanden zu spielen, der sich spontan lustige namen für abwegige und anal fixierte sexpraktiken ausdenkt. ich bin sicher, dass der hoboken squat cobbler bald auch ein echtes ding sein wird, wenn man in zwei bis drei wochen nochmal danach googelt. ausserdem lernen wir, dass storytelling nicht nur im journalismus und beim verkaufen wichtig ist, sondern ganz besonders auch im umgang mit der polizei.

die unsympathische und nervige seite von jimmy mcgill/saul goodman, die mich in breaking bad schon nervte, schien in dieser folge aber auch nochmal durch. den neue (firmen) wagen, muss er sich natürlich vor dem salon übergeben lassen, in dem er jahrelang sein büro im hinterzimmer hatte. das ist die kindische arschlochseite von ihm, an der er ganz offensichtlich den rest der staffel hart weiter arbeiten wird und sich mehr und mehr von seiner kollegin und liebschaft kim wexler entfremden wird (ganz zauberhaft übrigens gespielt von rhea seehorn). kim ist, wie mike, eine der wenigen personen in der serie, die noch alle beisammen haben und durch und durch ehrlich, loyal und zuverlässig ist.

jedenfalls hab ich diese folge wieder sehr gerne gesehen und gebe wieder vier punkte. ich bin ziemlich sicher es kommen in dieser staffel noch folgen, die fünf punkte verdienen.

(auf netflix gesehen)

Nicht der Weg ist das Ziel, sondern die Aufbruchsfreude

felix schwenzel, , in artikel    

Als ich noch relativ jung war, war ich der festen Überzeugung, dass Altsein das Schrecklichste auf der Welt sei. Alte Menschen schnauzten einen im Bus an, wenn man auf den falschen Plätzen saß, viele meiner Verwandten, die ich immer als sehr alt empfand, kritisierten meine Frisur, die angeblich zu engen Hosen, die ich trug oder wie ich bestimmte Sachen ausdrückte oder tat („das sagt/tut man nicht!“).

Ich fand die meisten alten Menschen in meinem Umfeld zwar nett, aber auch — auf eine Art — bemittleidenswert. Die alte Dame, zu der ich bei uns im Haus immer zum Fernsehen ging (wir hatten damals keinen eigenen Fernseher), war immer alleine, erzählte ständig die gleichen Sachen aus ihrer Jugend und schaute abends Musikantenstadtl.

Mein Eindruck vom Alter war: wer alt ist, versteht die zeitgenössische Welt nicht mehr und tendiert zur Unfreundlichkeit und Besserwisserei.

Dass ich im Übrigen auch nichts verstand und mein Weltbild, wie die meisten (jungen) Menschen, aus anekdotischem Wissen konstruierte, merkte ich eines Abends vor dem (mittlerweile eigenen) Fernseher. Dort wurde ein sehr alter Mann portraitiert. Der alte Mann, ich glaube er war Philosoph, sagte viele sehr kluge Sachen, war aufgeweckt und schnell, ganz anders als die alten Menschen, die ich bisher kannte. Zum ersten Mal sah ich einen alten Menschen, der im Alter offenbar klüger und nicht doofer geworden war und verlor auf einen Schlag meine generische Angst vor dem Altwerden. Ich verstand, dass der Charakter und die Fähigkeiten eines Menschen nicht primär mit dem Alter zusammenhängen.

Bis heute glaube ich, dass ein natürliches Verhältnis zu Technologie, Innovationsfähigkeit oder brennende Neugier keine Frage des Alters sind, sondern der Haltung. Oder anders gesagt: Neugierde und Risikofreude kommen bei neugierigen und risikofreudigen Menschen auch im höheren Alter vor. Abgesehen davon: Unter eklatantem Mangel an Neugier, Unternehmenslust, Risikofreude oder technischem Verständnis leiden auch viele jugendliche Menschen.

Zugegeben, junge Menschen lernen besser und schneller und lassen sich nicht so sehr von Konventionen aufhalten — das aber vor allem, weil sie die Regeln noch nicht gelernt haben und oft über eine gewisse größenwahnsinnige Risikobereitschaft verfügen.

Gesellschaftlich tun wir allerdings alles, um Menschen, egal ob jung oder alt, ihren Größenwahn und ihre Risikofreunde auszutreiben. Gegen den Strom zu schwimmen, Risiken einzugehen, Dinge anders zu machen als bisher, Fehler machen, das ist überall schwer, aber in Deutschland ganz besonders; hier lieben wir den gemeinsamen Nenner und die Risikoabsicherung. Das Schulsystem ist darauf ausgerichtet, der Industrie und dem Mittelstand gut ausgebildeten und angepassten Nachwuchs zu liefern, der sich problemlos in vorhandene Prozesse integrieren lässt. Erfolg messen wir immer noch am liebsten an der Höhe der Gehaltsabrechnung und an der Sicherheit des Jobs.
Würden wir in unserer Gesellschaft das Andersartige, das Ungewohnte oder die Unangepasstheit mehr schätzen und fördern, müssten wir nicht mehr all unsere Hoffnungen darauf setzen, dass die aufbegehrende Jugend es wagt, die Konventionen zu durchbrechen und Neues schafft.

Abgesehen davon haben wir durchaus die Fähigkeit, gelegentlich das Andersartige, Unkonventionelle oder vom Gewohnten Abweichende zu schätzen: sobald etwas so erfolgreich ist, dass es im Mainstream angekommen ist. Neues kann nach dieser Herdenlogik nur gut sein, wenn es alle interessant oder nützlich finden oder es alle Kurven des Gartner Hype-Zyklus durchlaufen hat und in mindestens drei James Bond-Filmen produktplatziert worden ist (siehe auch → Jetpack).

Wir schätzen lediglich das Ende des Weges, obwohl wir gelegentlich auch den Weg selbst wertschätzen sollten, inklusive der unvermeidlichen Misserfolge und Fehltritte. Vor allem sollten wir uns auch hin und wieder selbst auf diesen Weg wagen. Stattdessen projizieren wir den potenziellen Erfolg auf einzelne jugendliche Senkrechtstarter oder vergöttern die, die am Ende des Weges stehen.

Nicht der Weg ist das Ziel, sondern die Aufbruchsfreude.

black mirror s01e01 (the national anthem)

felix schwenzel, , in gesehen    

black mirror ist eine britische science-fiction-serie, die im dezember 2011 erstmals in grossbritanien ausgestrahlt wurde. allerdings spielt die erste folge nicht wirklich in der zukunft, sondern im jetzt. das „verdammte“ internet (zitat des fiktiven britischen premierministers michael callow) funktioniert in der ersten folge bereits so wie heute, nämlich als hocheffektive brutzelle von kontrollverlust. diese folge, deren geschichte nach 43 minuten spielzeit einen abschluss findet, zeigt einen möglichen umgang mit diesem kontrollverlust. zumindest ist das eine interpretationsweise.

ohne zu viel über die erste folge zu verraten, kann man die geschichte kurz mit den worten der wikipedia zusammenfassen (den wikipedia-link nicht klicken, dort herrscht spoiler-alarm):

Der Premierminister Großbritanniens, Michael Callow, [gerät in ein Dilema], als die Prinzessin Susannah […], entführt wird. Als Bedingung für die Freilassung, wird vom Premierminister Sex mit einem Schwein im nationalen Fernsehen gefordert.

was diese erste folge wirklich gut hinbekommt, vor allem wenn man bedenkt, dass sie bereits vier jahre alt ist, ist eindringlich zu zeigen, welche folgen das internet auf machtmechanismen hat. durch die grenzenlosigkeit und relative unkontrollierbarkeit des internets — und folglich auch der medien, die in den sog des netzes geraten — enstehen nicht nur machtverschiebungen, sondern auch neue (andere) öffentlichkeiten und meinungsbildungsstrukturen, die mit herkömmlichen instrumentarien nicht mehr einfach zu kontrollieren sind. aber mit angepassten werkzeugen dann eben doch, auch wenn das mitunter mit hohen kosten verbunden ist.

diese folge von black mirror ist ein wirklich interessantes, hervorragend dargestelltes gedankenexperiment, das mich sehr zum nachdenken anregte. ganz besonders interessant sind die bezüge zur medien- und wahrnehmungskrise, von der zur zeit ja so viele reden. auch wenn es überinterpretiert erscheinen mag, gibt es auch einen (indirekten) bezug zu donald trump, für den ich ein bisschen ausholen muss. gerade heute habe ich nämlich dieses video von ezra klein gesehen (bei stefan niggemeier gefunden), in dem er unter anderem sagt, dass donald trump jeder sinn für scham fehlt:

etwas ausführlicher hat ezra klein dazu auf vox geschrieben:

Trump’s other gift — the one that gets less attention but is perhaps more important — is his complete lack of shame. It’s easy to underestimate how important shame is in American politics. But shame is our most powerful restraint on politicians who would find success through demagoguery. Most people feel shame when they’re exposed as liars, when they’re seen as uninformed, when their behavior is thought cruel, when respected figures in their party condemn their actions, when experts dismiss their proposals, when they are mocked and booed and protested.

Trump doesn’t. He has the reality television star’s ability to operate entirely without shame, and that permits him to operate entirely without restraint. It is the single scariest facet of his personality. It is the one that allows him to go where others won’t, to say what others can’t, to do what others wouldn’t.

wie gesagt, der vergleich zur ersten folge black mirror ist möglicherweise etwas weit hergeholt, aber in dieser folge geht es eben auch ums thema scham und dass die überwindung von scham eines der werkzeuge ist, mit dem mächtige, trotz kontrollverlust, ihre macht ausbauen oder festigen können.

die erzählweise und inszenierung von black mirror ist nicht besonders fesselnd. ich habe nach zwanzig minuten eine kurze pause eingelegt, um unseren neuen drucker zu installieren und konfigurieren*, aber sobald die geschichte zuende erzählt war, schlug sie wie eine bombe in meinem kopf ein. nicht die inszenierung ist krass, sondern die geschichte. das ist sehr vielversprechend für die künftigen folgen, auf die ich jetzt, nach dieser eröffnung, wirklich gespannt bin. vom hörensagen weiss ich, dass diese erste folge eine der schwächeren der serie sein soll — auch das erscheint mir sehr vielversprechend.

die inszenierung der geschichte erinnerte mich übrigens in weiten teilen an mario sixtus’ operation naked, auch wenn sixtus’ film formal sehr viel konsequenter war. auch black mirror (zumindest diese folge) wird zum grossen teil von nachrichtenmenschen erzählt, auch black mirror zeigt ereignisse, die derzeit sowohl unvorstellbar, als auch vorstellbar sind.

ich gebe 5 sterne, weil mich diese folge sehr beeindruckt hat, trotz einiger, kleinerer inszenatorischer schwächen und gelegentlicher unerträglichkeit. und ich bin gespannt auf die weiteren folgen und hoffentlich genauso klug erzählten geschichten.

(unter anderem auf netflix deutschland zu sehen, trailer der ersten staffel)

* * *

*) erstaunlich was drucker für 140 euro kaufpreis heutzutage alles können. und damit meine ich noch nichtmal die fähigkeit doppelseitig zu drucken, scanvorlagen selbsttätig einzuziehen und druckaufträge von handies anzunehmen, besonders beeindruckt bin ich von der fähigkeit des neuen druckers, scans direkt (als PDF) auf ein netzwerklaufwerk zu speichern.

alte nationalgalerie

felix schwenzel, , in artikel    

alte nationalgalerie

heute wollten wir eigentlich mal wieder wandern gehen, aber weil es den ganzen tag regnen sollte, haben wir uns entschieden in die alte nationalgalerie zu gehen. dort gibt es getrade zwei restaurierte bilder von caspar david friedrich zu sehen. im blog „der staatlichen museen zu berlin“ gibt es dazu einen sehr informativen artikel: „In neuem Glanz: Caspar David Friedrich kehrt zurück in die Alte Nationalgalerie

die ausstellung der beiden bilder war beispielhaft. auf einer seite die beiden aufgefrischten bilder, auf der anderen seite fotos in originalgrösse vom vorherigen zustand. leider muss ich sagen, dass mir die abtei im eichwald im vergilbten, etwas verblassten zustand besser gefallen hat. die restaurierte fassung hat sehr viel stärkere kontraste an stellen, an denen kontraste nicht besonders gut wirken. der mönch am meer hingegen hat deutlich hinzugewonnen, vor allem an farben. ich fand die anderen bilder von caspar david friedrich, die im selben raum hingen, teilweise viel interessanter.

an diesem bild konnte man beispielsweise sehen, dass caspar david friedrich zwar kein schlechter maler war, es mit den kontrasten aber manchmal übertrieb.

baum von caspar david friedrich

der baum auf diesem bild sticht einfach ein paar tacken zu doll raus. insofern, ist die restaurierung abtei im eichwald sicherlich werktreu und kommt dem ursprünglichen zustand des bildes sicher näher als vorher.

nahezu perfekt finde ich die grossflächigen landschaftsbilder von caspar david friedrich. die farben sind toll und man kann sich in diese blicke aufs land vortrefflich fallen lassen. die beifahrerin erklärte mir, dass die nebel-illusion mit zumischung von bleiweiss mit dünn aufgetragenen schichten von bleiweiss gemacht wurde, dass es mitlerweile leider nicht mehr legal in deutschland zu erwerben gäbe, aber interessante deckeigenschaften hätte.

landschaft von caspar david friedrich

die farben sind wirklich sehr beindruckend, auf fast allen bildern.

* * *

wir sind dann noch ein bisschen herumgelaufen und haben uns die bilder der anderen männer angesehen. die beifahrerin hat es geschafft tatsächlich ein bild einer frau zu finden, aber im besitz der nationalgalerie befinden sich eh nur bilder von zwanzig malerinnen die die meiste zeit wohl im depot verbringen. dem stehen 780 männliche maler gegenüber. einer davon ist johann peter hasenclever, der 1843 dieses bild gemalt hat:

johann peter hasenclever, das lesekabinett, 1843
johann peter hasenclever, das lesekabinett, 1843

mein foto ist natürlich ein riesengrosser scheiss, glücklicherweise können andere solche bilder viel besser machen, was man auf den seiten des kulturinstituts von google sehen kann. eigentlich ist das lesekabinett eine ergänzung zu peder severin krøyers familienportrait der hirschsprung familie, mit dem er die frage beantwortete, wie sich die menschen vor der erfindung des smartfones ignorierten. hasenclevers bild beantwortet ja im prinzip die gleiche frage. und ist das links ein 13" ipad pro?

* * *

sehr faszinierend fand ich einige bilder von karl friedrich schinkel. insbesondere dieses hier, von einem gothischen dom am wasser (1813). das hier ist ein bildausschnitt, das ganze bild lässt sich in der alten nationalgalerie betrachten oder googeln.

karl friedrich schinkel, gothischer dom am wasser, 1813
karl friedrich schinkel, gothischer dom am wasser, 1813

beim google kulturinstitut gibt’s auch ein paar schinkelbilder, aber nicht den dom am wasser.

der vorfrühling im wiener wald von ferdinand georg waldmüller hatte etwas fotorealistsches. die farben und das licht der bäume waren der absolute hammer:

ferdinand georg waldmüller, vorfrühling im wiener wald, 1864
ferdinand georg waldmüller, vorfrühling im wiener wald, 1864

das internet meme hunde mit würsten auf der nase begann offenbar schon im jahr 1877:

wilhelm trübner, ave caesar, morituri te salutant, 1877
wilhelm trübner, ave caesar, morituri te salutant, 1877

* * *

das gebäude der nationalgalerie gefällt mir übrigens auch sehr gut. ich glaube es ist klassizismus zuzuordnen und sehr streng gegliedert. das ergibt tolle gelegenheiten fluchtpunkte zu fotografieren.

* * *

zurück bin ich dann zu fuss nachhause gelaufen, also fast, bis zum s-bahn-ring, danach hatte ich keinen bock mehr. unterwegs habe ich einen ziemlich sauren frozen yogurt bei yoli gegessen und gelernt, dass pöschke-liköre eine marke für kenner ist (oder war).