zeitungen

felix schwenzel, , in wirres.net    

aufgewachsen bin ich mit den „aachener nachrichten“, ein käsiges regionalblatt. das war immer noch besser als die „aachener volkszeitung“ die sich erst vor einigen jahren von ihrer runenschrift im titel trennen konnten und sich jetzt schlicht „aachener zeitung“ nennt (die „volks-zeitung“ kommt jetzt von springer und verkauft volks-waren). ich habe schon als „jugendlicher“ regelmässig zeitung gelesen. richtig zu schätzen gelernt habe ich zeitungslesen aber erst in meiner fernsehlosen zivildienstzeit. da hatte ich „die zeit“ aboniert und schätzte die im gegenteil zum reisserischen fernsehjournalismus gesetzte, reflektierte und wohl-recherchierte art zu berichten. den fall der mauer habe ich nicht am fernsehschirm beobachtet, sondern in „der zeit“ (und in berlin und erfurt, live).

das zeit-abo habe ich abbestellt als die zeit sich „redesigen“ liess und kurz darauf das „zeit magazin“ abschaffte. dann kam noch michael naumann als verleger und fing an die zeit durch hohles gesabbel zu verwässern. ich empfand die zeit plötzlich als unlesbar. in stuttgart war das besonders hart, denn die dortigen regionalzeitungen waren fast so schlecht wie das dortige radio. radio-hören habe ich mir in stuttgart abgewöhnt, durch die „stuttgarter zeitung“ biss ich mich trotzdem jeden morgen, bei herbertz, da musste ich wenigstens nur den käse auf dem brötchen zahlen, nicht den in der zeitung.

überraschend fand ich anfangs die „franfurter allgemeine sonntagszeitung“. erstaunlich viele gute artikel, nicht so viel aufgewärmte agenturscheisse. etwas teuer, aber es gab nix schöneres als den sonnatg vormittag/mittag verkatert im burgerking zu sitzen und die fas (durch) zu lesen.

in berlin las ich nach meiner ankunft zuerst die „berliner zeitung“, auch weil ich mir ein, zweimal ein gratisabo aufschwätzen liess, bis ich merkte wie lustlos das blatt recherchiert und geschrieben ist. die kantine der berliner zeitung war qualitativ um längen besser als das blatt. kann auch sein, dass die gesichter der redakteure in der kantine mich von der „berliner zeitung“ abgebracht haben, ich krieg das nicht mehr ganz zusammen. wahrscheinlich war es eine kombination von beidem.

mehr oder weniger unabsichtlich gewöhnte ich mich beim täglichen kaffetrinken an den „tagesspiegel“, der lag da immer rum. auch wenn vorne die dumpfbacke als herausgeber prangte, er las sich gut der tagesspiegel. mittlerweile ist der tagesspiegel die zeitung, über die ich mich am wenigsten aufrege. auch wenn der andere herausgeber neben der dumpfbacke mittlerweile bei der zeit gelandet ist, ich schätze den tagesspiegel mehr und mehr. unter anderem wegen solcher artikel. IMHO sauberer, bescheidener, handwerklich anständiger journalismus, ohne angst vor text und tiefe.

vor kurzem wurde einem in berlin „die welt kompakt“ hinterhergeschmissen. morgens von ekligen lächelnden drückerkolonnen verteilt. ich liess mir das blatt das eine oder andere mal schenken. aber was ich dort las trieb mir meist sofort die zornesröte ins gesicht. oberflächlicher stiefellecker-journalismus, die ohnehin schon debile kacke vom mutterblatt auf 200 worte oder weniger zusammengedampft. gross nur im ankündigen: „das ist ideal für mobile, aktive menschen, die unterwegs lesen wollen, in der u-bahn zum beispiel oder beim frühstück im coffee-shop.“

und jetzt noch mehr käse, diesmal aus dem hause handelsblatt/holtzbrinck. mit hohlen, dummen marketingsprüchen angekündigt, mit sinnlosem „epaper“ ins netz gepfeffert, für die katz. ja der tagesspiegel kommt aus dem gleichen mutterhaus, aber im tagesspiegel kann man die artikel wenigstens in voller länge lesen und nicht als schnittkäse.

viele worte, kurzer sinn: wieso sollte ich mir ne halbe bratwurst kaufen, wenn ich fürs doppelte eisbein mit kartoffelpüree und sauerkraut bekomme, bzw. wer mit iPod liest denn überhaupt zeitung?

dieser „tabloid“-schrott stinkt jetzt schon nach verwesung.

[wer einen sehr viel besser geschriebenen (mit rechtschreibung!) abgesang auf den käseblatt-journalismus lesen will, der lese „Ein Dutzend Gründe, warum Blogs den Journalismus im Internet aufmischen werden“ von don alphonso im blogs!-buch (don, kann man das jemals online lesen?)]