ringen

felix schwenzel, , in wirres.net    

ix 1987
ix, yearbook-photo 1987

es war mein erster schultag, der schulbus hielt an und der busfahrer öffnete die türe mit einem handhebel, so wie in amerika schulbustüren wahrscheinlich bereits seit 40 jahren geöffnet werden, als ob es in amerika keine hydraulik gäbe. was mich allerdings wunderte war, dass der busfahrer mich nach meinem namen fragte und mich dann mit „good morning felix, my name is mr. davis“ begrüsste. von diesem tag an grüsste mich mr. davis jeden morgen mit „good morning felix“. mit angucken. das machte er mit jedem schüler. mr. davis hatte einen schlanken kopf, mit sehr gepflegter, leicht graumelierter frisur und ebensolchem bart. sein oberkörper war nur im oberen (schulter) bereich schlank, zum schritt hin lief seine figur in die breite, eine figur wie ich sie einmal als „typisch“ amerikanisch bezeichnete: ein sehr tiefsitzender bauch der nicht europäisch über die gürtellinie hing, sondern hineinragte, nach oben hin abgeschlossen mit dem oben erwähnten schlanken, fast fettfreien kopf, der gar nichts mit dem rest des körpers zu tun zu haben scheint. wie gesagt, eine solche doppelkegel-figur kenne ich nur aus amerika. obwohl ich in sachen mr. davis sicherlich auch übertreibe. die erinnerung hat ihn auch graumelierter gemacht als die foto-fakten es zulassen.

da sass ich nun 1986 an der steilacoom highschool, 2 wochen später als geplant, weil die lehrer am anfang des schuljahres zwei wochen streikten. ich wollte sport machen, weil allen austauschschülern empfohlen wird sport zu machen um besser kontakte knüpfen zu können. das football team hatte aber schon in den sommerferien angefangen zu trainieren und dass ich keine ahnung von american football hatte war auch nicht förderlich für meine aufnahme in das sehr prestige-trächtige team. also versuchte ich ins volley-ball team zu kommen. leider fanden sich nicht genug männliche interessenten, so dass nur eine damen-volleyball-mannschaft zustande kam, in die ich ebenfalls nicht durfte. ich musste warten bis die football saison vorbei war und konnte dann ins „wrestling-team“. ich habe als kind mal judo gemacht und sah mich ausreichend grundgebildet für die teilnahme.

busfahrt zum ring-turnier
coach hanby fotografiert, coach davis fährt bus (sieht man im rückspiegel)

der coach des wrestling-teams war mr. davis der busfahrer, wie ich am ersten trainingstag zu meiner überraschung sah. er begrüsste mich mit „hello felix“. ich freute mich, den mr. davis war eh viel netter als der komische football-coach. allerdings war der eigenartige assistenz-coach des football teams, mr. hanby, auch assistenz-coach des wrestling teams. mr. hanby war sehr muskulös, hatte aber trotzdem hängende schultern, vielleicht weil die muskeln so schwer waren. arnold schwarzenegger hat im alter auch solche schultern bekommen, aber das wusste ich damals noch nicht, weil arnold schwarzenegger damals noch nicht alt war.

ringkampf
ja, auch die ringer hatten cheerleader damals

das „wrestling“ war dann schon ein bisschen anders als judo. es hatte zwar nichts mit dem brutalo-schrott den man im fernsehen sieht zu tun, wo sich aufgepumpte männer aufeinander aus grösser höhe fallen lassen, aber mit dem griechisch-römischen ringen wie man es aus europa kannte hatte es auch nicht viel gemein — bis auf die albernen klamotten die man beim kampf zu tragen hatte. das training war sowohl auf ausdauer, als auch muskelaufbau ausgelegt. die coaches fanden ich sei zu schwach (oder zu fett) für meine gewichtsgruppe (ich hatte ja nie in meinem leben muskelaufbautraining gemacht) und sollte von der 184 (amerikanische) pfund klasse in die 178 pfund klasse abnehmen. über 190 pfund war die „unlimited“-klasse. leider schaffte ich es nie eine gewichtsklasse runterzukommen und blieb in der 184er klasse. ausser das ich meine gasteltern zum wahnsinn brachte, weil ich vom vielfrass zum salatfrass wurde und so sämtliche einkaufspläne durcheinanderbrachte änderte sich nicht viel.

teddy und jeff
links der teddybär der mir das brustbein brach, mitte/rechts jeff howell

trainieren musste ich unter anderem auch mit einem ringer aus der unlimited-klasse, tony. der wog etwas über 200 pfund und sah aus wie ein teddybär. eine oder zwei wochen vor unserem ersten öffentlichen wettkampf fiel er mir beim training einmal so auf den brustkorb, so, dass es in der mitte meines brustkorbs knackte. etwa 200 ungebremste amerikanische pfund können also einen brustkorb knacken. beim wettkampf zwei wochen später hatte ich immer noch starke schmerzen, wollte aber trotzdem kämpfen. in einer mischung aus anfängerglück, schmerzvermeidung und chupze gewann ich den kampf indem ich meinen gegner innerhalb von 12 sekunden auf den rücken legte. das war ein rekord, der leider nur knapp 1 jahr hielt. dass ich diese alberenen ringer-klamotten vor publikum tragen musste war übrigens schmerzhafter als das angeknakste brustbein.

ix geschwollen
links mein damaliger mechanischer laptop, links ix mit der geschwollenen augenbraue, die am hinterkopf des gegners eine 12 cm lange platzwunde verursachte

ein anderer schöner trainingsunfall ereignete sich bei einer etwas komischen kampf-neustart-position (par terre) bei der ein ringer im nachteil ist und auf allen vieren kniet und der andere im vorteil (ich in diesem fall) über ihn gebeugt (aber auch auf den knien). der untere versucht sich natürlich möglichst schnell und kräftig aus dieser unterlegenen stellung zu befreien. mein trainingsgegner, todd, fing seinen befreiungsversuch mit einer heftigen kopfbewegung nach hinten an, bei der mich sein hinterkopf mit ziemlicher wucht auf meiner rechten linken augenbraue traf. als er sich umdrehte fing er an zu lachen weil mir aus einer kleinen, feinen platzwunde unter der augenbraue blut übers auge lief. ich sah schlimm zugerichtet aus, todd lachte sich kaputt. witzig fand ich es dann, als todd sich an seinen hinterkopf fasste und sich dabei in eine 20 cm lange platzwunde an seinem hinterkopf fasste. er musste mit mehreren stichen genäht werden, ich nicht.

larry nelson
larry nelson (was für ein name!)

viel habe ich in der saison nicht mehr gerissen. mein anfänger-erfolg wiederholte sich nicht und obwohl sich meine kondition sich im laufe des training erheblich verbessert hatte, reichte sie bei weitem nicht aus um konditionell und kraftmässig mit jahrelang trainierten kampfmaschinen mitzuhalten. ich verlor alle weiteren kämpfe der saison. aber lustig wars schon, mit jeff und coach davis freundete ich mich im laufe der zeit sogar ganz gut an, was im oberflächlichen amerika gar nicht so einfach ist. von coach davis habe ich neben dem ringen noch meinen lieblings euphemismus fürs „scheissen“ gelernt: „to pinch a loaf“. und wie er sich die busladung namen fürs morgendliche grüssen merken konnte ist mir ein rätsel.

[hier noch ein bild von mr. davis, für die die den link im text nicht gefunden haben]