hallo mister anwalt

felix schwenzel, , in wirres.net    

auf der blogmich05 am siebten mai habe ich ziemlich viel alkohol getrunken. ziemlich lange. so gegen drei oder vier sind noch ein paar von uns ins wohnzimmer gegangen um dort weiterzusaufen und die abendmorgenficks klar zu machen. ich bin wie immer, so gegen sechs, in meine einzelzelle gegangen. gegen zehn kam meine schwester nach, weckte mich, begrüsste mich und schloss sich auf dem klo ein. ich habe dann noch ein bisschen weitergedöst, formel 1 geguckt, meine schwester bami-goreng schicken geholt und dann so gegen vier oder fünf uhr doch noch meinen arsch hochbekommen und bin ins büro gefahren. mails lesen, im flickr gucken obs peinliche bilder von mir gibt und so.

bevor ich meinen computer aufgeklappt hatte klingelte das telefon. unterdrückte rufnummer. ix hasse unterdrückte rufnummern. unterdrückte rufnummern finde ich maximal unhöflich. da will einer was von mir und sagt aber nicht wer er ist. das kann meist nur extreme technische rückständigkeit oder nichts gutes bedeuten. am telefon, wie befürchtet nichts gutes: der mann stellte sich als rechtsanwalt vor. er redete mich, wie anwälte das auf der hochschule wohl lernen, in grund und boden. ich verstand nicht um was es ging. das lag allerdings auch daran, dass er es mir nicht sagen wollte. hängen blieb folgendes: in stundenlanger und „harter“ wochenend- und kleinarbeit habe man eine spur verfolgt die auf mein „internet portal“ verweisen würde. welches internetportal? wirresnet. aha. was für spuren das denn seien wollte er nicht sagen, auch nicht um was es ging, nur soviel: „haben sie in der letzten zeit jemanden übel mitgespielt, ganz übel?“

ich wurde rot. seit langem erwarte ich dass sich irgendeines der arschlöcher die ich hier auf diesen seiten als arschlöcher bezeichnet habe oder als spammer oder als dumm, sich beleidigt fühlt und mir einen anwalt an den hals hetzt. gut möglich das sich jemand von mir beleidigt fühlt antwortete ich ins telefon, um was es denn gehe? das könne er nicht sagen. ich versuchte ihm zu erklären, dass ich gelernt habe den konjunktiv zu benutzen um beleidigungen abzuschwächen, dass alles was ich so von mir gebe nach bestem wissen und gewissen prüfe bevor ich es veröffentliche und dass ich in der regel nicht über die stränge schlage. „sie sagen also sie haben nichts schlimmes getan in den letzten tagen?“ — „ja.“

dann spielte er das „good cop/bad cop“-spiel in personalunion mit mir. ich solle mir das ganz genau überlegen, denn er würde am montag nachmittag persönlich bei der polizei vorsprechen und strafanzeige gegen unbekannt erstatten, er wolle nur sicher gehen dass ich wirklich nichts mit der sache zu tun habe. denn wenn ich etwas damit zu tun hätte, würde es sehr, sehr, sehr teuer für mich. ich würde mich da noch wundern. und solle die situation nicht unterschätzen. ob ich vielleicht einen kaffee mit ihm trinken wolle, da könne man dann allles in ruhe besprechen, am montag zum beispiel. um was es denn gehe versuchte ich nochmal rauszufinden. er wollte es nicht sagen, schlug mir aber vor, am montag morgen nochmal anzurufen. ok, ob er mir seine telefonnummer sagen könnne fragte ich ihn. ich rufe sie an, sagte er, morgen früh. „wiedersehen.“

ich grübelte. wem könnte ich wohl auf die füsse getreten sein, dass er so einen pieksigen typen auf mich hetzte? dieser komische spamhotelier? meine eltern (kleiner scherz), shrek, oder irgendein ein urheberrechte-inhaber? hatte ich ausversehen auf ein mp3 oder ein goatse- oder tittenbild gelinkt? war roberto blanko sauer weil ich mal ein foto von ihm im swining pool auf der site hatte? war das weinfass explodiert? ich hatte keine ahnung.

was macht ein schwenzel wenn er nicht weiterkommmt? genau, den computer auf. it&w, gröner, ivy und knuspi lesen (ja kinder den gabs damals noch), zum abkühlen fonsi lesen. dann emails lesen. komisch, soviel schwuli-spam in der inbox: „deine anmeldung für gaydings“, „deine logindaten zur gaybumsunity“ — eigenartig. alles an ix@ wirres.net. ausnahmsweise mal nicht weggeschmissen den schwulenspam, ausnahmsweise mal reingeguckt, vorsichtig, in die mails. der anmeldename war ein ein mir bekannter name. aha. daher wehte der wind. irgendein idiot hatte also diesen „bekannten“ menschen unter seinem namen mit meiner emailadresse angemeldet und bei ein paar schwulenportalen profile angelegt. eine der mail bestätigte, dass ich zehn minuten nachdem mich meine schwester geweckt hatte und ich ich komatös im bett lag ein profil bei gaydingens angelegt hätte — welches dann aber kurz vor zwei gelöscht wurde, laut mail, weil ich ein „offensichtlicher faker“ sei. ein anderer dienst meldete mir um kurz vor zwei, dass mein bild nunmehr freigeschaltet sei.

na supa. daher wehte der wind. irgendjemand wollte irgendjemand anders als schwul dissen — mit meiner emailadresse. was macht ein blogger der sich in die ecke gedrängt fühlt? genau, udo vetter anrufen. udo war tatsächlich am frühen sonntag abend in der kanzlei; „hallo udo, ja war nett die blogmich, zumindest das an was ich mich erinnere. schade dass du nicht da warst.“ udo fand das telefonat mit dem anwalt komisch. er meinte das sei nicht normal. keine festnetznummer, keine adresse, nichts schriftliches. fand ich auch. das gespräch mit udo beruhigte mich ein bisschen. ich kam aus der ecke raus. mal abwarten was der unbekannte anwalt am nächsten morgen am telefon sagen würde.

um halb zehn rief er mich an. als ich den namen seines mandanten nannte und ihm sagte dass ich mit irgendwelchen anmeldungen von ihm bei irgendwelchen schwulenwebseiten nichts zu tun hätte, mich sein mandant nicht im mindesten interessiere und dass ich ihm das auch gerne schriftlich geben könne, wollte er schon wieder kaffee mit mir trinken, „irgendwo in der nähe der lychener strasse“. aha, der mann konnte nic-datenbank abfragen. ich war beeindruckt. er würde was vorbeireiten was ich unterschreiben könne. eine unterlassungserklärung. wenn ich die unterschriebe wäre alles klar und er, sein mandant und die firma hinter ihm würden mich in ruhe lassen. aha. ruhe haben vor denen war mir mehr als recht, dachte ich. das würde aber was kosten, wieviel genau wisse er nicht, er würde das mit einem kollegen besprechen, er wäre strafrechtler und kenne sich mit soetwas nicht so gut aus. ich sagte ich würde mich gerne mit meinem anwalt besprechen, ob ich ihn zurückrufen könne? nein. er würde mich so gegen e1f nochmal anrufen.

um diese noch ziemlich lange geschichte kurz zu machen, udo wies mich daruf hin, dass eine unterlassungserklärung nicht nur gebühren kosten würde, sondern auch ein schuldeingeständniss wäre. aha. dass hatte mir der anwalt so nicht gesagt. ein kleiner wichtiger hinweis, der mir die lust am unterschrifts-kaffee mit dem anwalt verhagelte. schliesslich war ich, auch wenn man das leicht glauben kann, nicht so doof einen prominenten aus der f-liga mit MEINER emailadresse zu dissen und bei irgendwelchen komischen portalen anzumelden um ihm damit — ja was denn eigentlich — weh zu tun? ich ziehe es vor ohne helm und pseudonym zu kämpfen, ohne haareziehn und auf die strasse schubsen. sollte es mir danach sein mich über jemanden lustig zu machen, mache ich das auf meinem „internet-portal“, offen und für jeden lesbar und in der regel ohne tritte unter die gürtellinie. die nase um die es ging war allerdings so langweilig, dass ich ihn zwar ein, zwei mal am rande auf wirres.net erwähnte, aber mich nicht mal ansatzweise dazu reizte mich mit ihm auseinanderzusetzen. der anwalt sah das übrigens anders, er deutete an, dass ich seinen mandanten „mehrfach bedroht“ hätte. ob diese angeblichen „drohungen“ auf meinem „internetportal“ stünden oder gemailt wurden wollte er mir — natürlich — auch nicht verraten.

als der anwalt ohne telefon und ohne adresse der unterlassungserklärungen lieber am telefon vorlesen wollte als sie zu faxen, mich gegen e1f erneut anrief sagte ich ihm dass ich nicht unterschreiben werde. das sagte ich ihm auch in den folgenden fünf oder sechs telefonaten, was ihm gar nicht recht war. er zog alle register, zum teil recht gekonnt, sensibelchen würden das was er mir bei nichtunterzeichnung in aussicht stellte — alles gekonnt im konjunktiv formuliert — als drohungen empfunden haben. ich versuchte ihm mehrfach klarzumachen dass ich ersten nicht so blöd sei wie er dachte, zweitens, dass sich jeder mit jeder x-beliebigen emailadresse bei den betreffenden gaydings-seiten anmelden könne und dort ungeprüft x-beliebige profile anlegen könne und dass ich drittens nichts mit der sache zu tun hätte und mich nullkommanix für seinen mandanten oder dessen bashing, dissing, outing oder was auch immer interessieren würde. auch mein top argument, dass ich blogmich05 bedingt über 24 stunden mit zeugen offline und schwer alkoholisiert war, zog nicht. er wollte mir nichts glauben, legte mir aber nahe mal in mich zu gehen und ihm zu glauben, dass ich vielleicht doch schuldig sei. er kenne das als strafrechtler, es falle tätern immer schwer eine untat zuzugeben.

ich gab mir noch ein bisschen mühe, kontaktierte die gaydingsseitenbetreiber und liess mir von denen schriftlich bestätigen, dass erstens jeder mit jeder x-beliebigen adresse ungeprüft profile anlegen und fotos hochladen könne und dass die gespeicherten ip-adressdaten noch nicht mal auf eine berliner adresse deuten würden. es half nix. der anwalt glaubte an seinem spürsinn und die spuren zu meinem „internetportal“.

am mittwoch oder donnerstag nachmittag nach der blogmich05 hat der anwalt dann im auftrag seines mandanten — persönlich, wie er nicht müde wurde zu betonen — anzeige gegen unbekannt bei der polizei erstattet, inklusive der wahrscheinlich erdrückenden beweise gegen mich: meiner gebrauchten emailadresse.

von der polizei habe ich bis jetzt nichts gehört, meine erste panik und angst um mein eventuell als beweismittel zu beschlagnahmendes powerbook ist mittlerweile abgeklungen, es darf mittlerweile wieder bei mir in der wohnung übernachten. udo vetter meint die sache müsse noch nicht vorüber sein und ich solle mir überlegen ob ich eine kopie dieses blogeintrages ausdrucke und bei mir tragen solle. na ob das hilft?

ein paar fragen bleiben übrigens noch offen:

  • warum überprüfen (mindestens zwei) schwulen-webseiten noch nichtmal die validität der angegebenen emailadressen?
  • wie hat der anwalt meine adresse rausgefunden? eins der portale hat mir versichert die daten nicht herausgegeben zu haben. hätten sie es getan wäre das im übrigen ohne gerichtliche anordnung strafbar gewesen.
  • wie hat der mandant des anwalts innerhalb von 3-4 stunden herausgefunden dass auf seinen namen und offenbar mit seinen fotos profile auf schwulenseiten angelegt worden sind? ich würde soetwas nicht in 10 jahren merken …
  • warum wollte der anwalt mich so sehr zu einer unterlassungserklärung drängen um dann die sache unter den teppich zu kehren, andererseits aber eine angebliche straftat bei der polizei anzeigen? irgendwie unlogisch zu behaupten ich hätte jemanden und der firma hinter ihm übelst geschädigt, das aber angeblich mit einem schuldeingeständniss abhaken und fallen lassen zu wollen.
  • läuft ein ermittlungsverfahren gegen mich, weil ein arschloch meine emailadresse verwendet hat oder war die ganze choose ein einschüchterungsversuch?

[nachtrag]
der anwalt nannte seinen namen, allerdings war über diesen namen nichts zu finden googlen und nach oberflächer recherche auch keine kanzlei zu finden. und ob der name den er angab stimmte, ix weiss es nicht.

[nachtrag 2]
das habe ich eben bei spreeblick kommentiert, wollte es nur nochmal erwähnen:

ix weiss leider oder vielleicht zum glück nicht was in den angelegten profilen stand oder was da für bilder zu sehen waren. so oder so ist das nicht lustig und verletzt persönlichkeits und evtl. bildrechte, obs nun in nem schwulen-, hetero- oder tierfreundeportal ist. für mich roch das alles eher nach ner persönlichen abrechnung und diese persönlichen motive wollte mir der anwalt ja auch unterstellen. insofern lag er eventuell sogar goldrichtig, nur leider voll daneben.