das leben der anderen

felix schwenzel, , in wirres.net    

der stil
screenshot thilo-baum.de

thilo baum meint:

Im Übrigen empfehle ich Menschen, sich nicht mehr als 30 Minuten täglich mit Blogs zu befassen. Das Leben ist draußen.

für ihn ist das wahrscheinlich ein „mühelos“ ausformulierter „gestrandeter Gedanke“, den er ganz locker ins internet „kondensieren“ liess. für mich ist es eher arroganter, überheblicher und gequirlter klugschiss — mit der geistigen tiefe eines kuhfladens.

wenn das leben „draussen“ ist, empfielt es sich dann zeitungen, zeitschriften oder bücher unter freiem himmel zu konsumieren? oder bekommt man für den konsum von qualitätsjournalismus oder literatur nochmal je 30 minuten aus thilo baums empfehlungsmanufaktur zugestanden? was ist mit kunst, mit bildung? die werden ja meistens in weltfernen elfenbeintürmen betrieben und ganz selten, draussen, in der mitte der gesellschaft. überhaupt, wo ist dieses „draussen“? unter freiem himmel, unter menschen oder genau da, wo thilo baum sich befindet?

was rege ich mich überhaupt so auf? ich glaube es ist die durch jede zeile durchscheinende arroganz. arroganz gegenüber leuten die ihr leben, ihre gedanken vor sich ausbreiten und ins internet schreiben oder sich mit dem leben, den gedanken anderer beschäftigen. kurz: die arroganz gegenüber leuten die unter anderem über kleine elektrische kisten miteinander kommunizieren.

die arroganz, zu meinen, anderen leuten empfehlungen geben zu müssen, ihnen zu sagen was gut für ihr leben sei und zu implizieren, dass das was sie so treiben ja gar kein echtes leben sei. teile des lebens anderer schlecht machen, verniedlichen, zum hobby abwerten und als unbedeutsam deklarieren. nicht dass das neu wäre. schnösel die ihre lebensaufgabe im schlechtmachen des lebensstils anderer gefunden haben gab es schon immer. die 68er: zu ungewaschen und zu naiv, die literaten: weltfern im kaffeehaus statt draussen im rauhen wind, der rock’n’roll: zu schmutzig und völlig am ernst des lebens vorbei, die intellektuellen: sowieso an allem elend der welt schuld (nicht erst seit der eröffnung von eva hermans empfehlungsmanufaktur).

andererseits lache ich gerne über schnösel. schnösel die rausgeputzt durchs leben laufen, sich zufrieden im spiegel betrachten und jedem der an ihnen vorbeiläuft hinterherrufen: „ICH BIN SOOO GEIL und ihr könnt so viel von mir lernen.“ nur bei thilo baum fällt es mir schwer. da kann ich nicht lachen, ich kann immer nur denken, das kann der doch nicht ernst meinen, das ist doch so ne missratene, unlustige, umgekehrte horst schlämmer-nummer?

[nachtrag 07.6.2008]
benjamin birkenhake: „Bloggen ist draußen. Bloggen ist wie die großen Pausen früher.“

[nachtrag 08.06.2008]
klaus jarchow: „Den Thilo Baum aber in seinem Lauf, den wiederum halten weder ein Ochs noch ein Esel auf.“

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