schlechte presse

felix schwenzel, , in wirres.net    

schönes zitat in einer ein bisschen wütenden taz-kolumne von wolfgang storz:

„Was soll man davon halten, wenn viele von Ihnen gern ein Urteil über die Dienstwagennutzung der Gesundheitsministerin zum Besten geben, aber die wenigsten ein kompetentes Urteil über die Gesundheitspolitik der Ministerin abgeben können?“ Und: „Haltung haben. Es ist ein ziemlich altes Wort. Aber ich finde, es könnte mal wieder in Mode kommen. Genau wie ein anderes, viel schlichteres Wort: Ahnung haben. Zusammen sind sie stark, meine ich.“

das zitat oben hat (natürlich) nicht dieter nuhr, sondern horst köhler gesagt. und wolfgang storz stellt diese medienschelte in einen zusammenhang mit seinem rücktritt:

Bundespräsident Horst Köhler „überlebte“ diese seine Ansprache (Titel: „Aufklärung braucht Haltung“), die er bei einer Veranstaltung zu „60 Jahre Bundespressekonferenz“ hielt, nur ein halbes Jahr in seinem Amt. Gescheitert sei er, heißt es, genau: auch an „seiner schlechten Presse“.

wobei das gar nicht die zentrale aussage der kolumne von wolfgang storz ist, sondern, dass der politische journmalismus in deutschland der demokratie schade, weil er politik auf persönliche dramen reduziere und verstärkt mit informationen und gerüchten spekuliere:

Wie der Finanzmarkt mit Geld und Schrottpapieren, so spekuliert der Meinungsmarkt mit Informationen und Gerüchten. Je riskanter desto höher die Aufmerksamkeit. Wer seinen Beruf noch als Instanz der Aufklärung versteht, leidet. (ganzen artikel lesen)

ein bisschen wütend ist auch stefan niggemeier auf angela merkels sprache. nach einigen bastian-sickigen absätzen tut auch er seine medienjournalistische pflicht und tritt dem politischen journalismus bettina schausten in den hintern:

Tragisch ist es allerdings, wenn der interessierte Bürger nicht einmal mehr in den Journalisten Verbündete hat im Kampf gegen die erschütternde Sprachlosigkeit der Mächtigen. Nach der traurigen Präsentation von Wulff als Präsidentenkandidaten, die weniger als vier Minuten dauerte, an deren Ende die routiniert vorgetragenen Leerformeln schon wieder vergessen waren, zeigte sich die Hauptstadtbüroleiterin des ZDF sehr angetan. „Dieses war, wie es sein sollte“, kommentierte Bettina Schausten direkt im Anschluss, „nämlich eine würdige Präsentation. Alle haben dies kurz und knapp, aber durchaus mit Freude im Gesicht absolviert.“ Als „würdig“ müsste man demnach ungefähr jeden öffentlichen Auftritt bewerten, der ohne Einsatz von Furzkissen auskommt. (ganzen artikel lesen)

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in der taz ein interview mit gregor gysi, in dem er sich skeptisch zeigt, dass joachim gauck chancen gegen christian wluff bluff wulff habe:

Sie verpassen also aus Trotz die Chance, Schwarz-Gelb in Schwierigkeiten zu bringen?
Die Regierung ins Wackeln zu bringen ist ungeheuer reizvoll. Aber die Medien träumen doch nur, dass es drei Wahlgänge geben wird. Das wird nicht passieren. Westerwelle wird den abtrünnigen FDPlern sagen: Wenn ihr die Regierung stürzen wollt, wählt Gauck. Wenn nicht, wählt Wulff. Da werden den Ost-FDPlern die Händchen zittern, dann machen sie das Kreuz bei Wulff. Die ganze Aktion ist Zirkus. (ganzes interview lesen)

jürgen trittin ist da in der faz optimistischer:

SPD und Grüne schicken jetzt Joachim Gauck ins Rennen um das Amt des Bundespräsidenten. Das war Ihre Idee. Wie sind Sie auf Gauck gekommen?

Nach dem Rücktritt von Horst Köhler haben wir uns gesagt: Es macht keinen Sinn, einen grünen Kandidaten aufzustellen, der keine Chance hat. Wir Grüne wollten auch keinen sozialdemokratischen Kandidaten unterstützen, der ebenfalls keine Mehrheit gehabt hätte. Es sollte vielmehr ein unabhängiger Kopf sein, der in der Bundesversammlung mehrheitsfähig ist. Und eine Person, die streitbar in der Sache ist, ohne die Parteien geringzuschätzen. Für Joachim Gauck gilt das in hervorragender Weise. (ganzes interview lesen)

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in der faz am sonntag gabs ausserdem drei sehr erstaunliche dinge: erstens eine kurze url (http://faz.net/petition). dahinter befindet sich eine „petition“ von prominenten „Persönlichkeiten aus dem kulturellen Leben“, die sich für einen bundespräsidenten joachim gauck aussprechen (das war die zweite erstaunlichkeit). und drittens, in der gedruckten faz wurde die liste der 146 „Persönlichkeiten“ auf 88 gekürzt. von den 88 wiederum wurden 15 gefettet: götz aly, marcel beyer, f.c. delius, herbert grönemeyer, daniel kehlmann, necla kelek, katja lange-müller, michael lentz, monika maron, albert obermaier, jens reich, patrick roth, harald welzer und jutta winkelmann. da beispielsweise roger willemsen nicht gefettet wurde, war die fettung wohl nicht aquivalent zur prominenz. vielleicht aber zur bedeutsamkeit? ich kann das ja nicht beurteilen, denn auf der liste der 88 kenne ich gerade mal 3 namen, bin also höchstwahrscheinlich ein kulturbanause oder zumindest ein kulturschaffenderbanause. was mich aber völlig durcheinanderbringt ist diese liste. dadrin die im print gefetteten (minus vier), plus drei kultur-schaffer, die vorher nicht fett waren: hans-ulrich treichel, ilija trojanow und roger willemsen.

die faz versteh ich manchmal nicht.

küppersbusch versteh ich übrigens überhaupt gar nicht mehr.