journalismus

felix schwenzel, , in wirres.net    

ich wollte mal psychologie studieren. ein berater am arbeitsamt aachen hat mir das ausgeredet. er sagte, als psychologe landet man grösstenteils bei kirchlichen einrichtungen als arbeitgeber. das war mir als berufsperspektive dann doch zu bedrückend (auch wenn es, wei ich heute weiss, durchaus ganz OKaye alternativen dazu gibt).

einer der gründe dafür, dass ich froh bin kein journalist zu sein, ist, dass ich nicht für verlage arbeiten muss. wenn ich will kann ich das dennoch tun, bin aber finanziell nicht drauf angewiesen. was für eine bedrückende vorstellung: wenn der kühlschrank leer ist und die einzige möglichkeit wäre für eins der käseblätter aus dem springer-verlag arbeiten zu müssen um den kühlschrank zu füllen.

anders und positiver gesagt: die freiheit schreiben zu können was und wann und wie ich will, ziehe ich der alternative vor, vom schreiben leben zu können.

andere gründe, warum ich mich weigere mich journalist nennen zu lassen sind, dass ich mich den regeln des journalismus eher ungern unterwerfe: so zu schreiben, dass es jeder versteht (immer den erklärbären mimen und so tun als ob man bescheid wüsste), so zu tun als sei man objektiv und ausgewogen und überhaupt, wer möchte einer berufsgruppe zugeordnet werden, die sogar noch nach den bankern zur unbeliebtesten berufsgruppe der republik gehört?

gestern hat sich das geändert. erstamls seit meiner schulzeit konnte ich mir vorstellen mich auch (mal) journalist nennen zu lassen. und zwar nachdem ich dieses grossartige interview mit michalis pantelouris gelesen habe [via]:

Journalismus sollte immer relevante Fakten vorurteilsfrei so präsentieren, dass sie auch konsumierbar sind – kurzweilig statt langweilig, konzentriert statt ausufernd. Das setzt voraus, dass Journalisten einerseits dem Leser oder Zuschauer ermöglichen, sich ein Bild zu machen und zu eigenen Schlüssen zu kommen, andererseits ist aber kein Journalist objektiv. Heute haben wir als erste Journalistengeneration die Möglichkeit, wirklich beides gleichzeitig zu tun: Wir können alle Fakten vorurteilsfrei als Originaldokumente präsentieren und parallel dazu unsere Geschichte, die dramatische Essenz der Fakten, präsentieren. Das macht uns freier, weil es uns überprüfbar macht. Wir müssen nicht mehr Objektivität vorgaukeln, die es nicht geben kann, wenn wir deutlich machen, was unsere Bewertungskriterien sind.

lauter tolle zitate, warum journalismus doch etwas tolles sein kann, ich komme aus dem vollzitieren gar nicht mehr raus:

Wir arbeiten nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern gefälligst auch in der Öffentlichkeit. Unser Beruf ist es, Geheimnisse zu verhindern. Wir glauben daran, dass Informationen frei verfügbar sein müssen. Wer glaubt, man könne Journalismus hinter Redaktionsmauern produzieren und nur auftauchen, um den geneigten Lesern seine Meisterwerke hinzuwerfen, dem wünsche ich viel Erfolg in einem anderen Beruf. Die Definition von jedem Beruf ist es, dass meine Arbeit jemand fremdem nutzt, deshalb werde ich dafür bezahlt. Aber natürlich kann und muss man es nicht jedem zu jeder Zeit recht machen. Man muss allerdings begründen können, warum man etwas wie tut – und man muss es auch öffentlich begründen.

[ganzes interview lesen]

besonders freut mich, dass michalis pantelouris mich diese woche über amazon (quasi) geflattert hat. statt ihn mit einem geschenk zurückzuflattern, mache ich ihm ein kompliment: er ist der typ der mich künftig daran hindert einem jungen menschen davon abzuraten den beruf des journalisten zu wählen, sollte sich mal einer finden, der mich fragt ob es denn was tauge journalist zu werden.

danke.

* * *

[nachtrag 08.05.2011]
dave winer fügt einen ganz interessanten aspekt zur guten alten wer-ist-eigentlich-journalist (und-wer-nicht)-diskussion hinzu: insider und outsider benutzer:

If you want to know if a product works as advertised, people outside the circle are trustworthy. They might not be right, but at least they have no reason not to tell you what they think. People inside the circle are telling you a special version of the truth. This means they might tell you a product works when it doesn't.

lesenswert.