architektur und software

felix schwenzel, , in wirres.net    

hüllen eines gebäudes

sehr schön, ben_ von anmut und demut beschäftigt sich mal wieder mit architektur. einmal im zusammenhang mit software und einmal mit stadtästhetik.

in seinem artikel über Architektur und Architekturen schlägt er vor, dass man sich beim „beim Bau von Webseiten und insbesondere von den Content-Management-Systemen“ viel häufiger mit architekten besprechen sollte, bzw. deren arbeitsprinzipien ansehen sollte.

aus einem alten architektur-lehrbuch hat er unter anderem eine „famose“ grafik herausgekramt, die zeigt, dass beim hausbau die struktur der grundkonstruktion (wände, stützen, böden) die haltbarste ist und das alles angelagerte und angeflanschte weniger lebenszeit haben. die fassade muss alle 20 jahre erneuert werden, installationen alle 7-15 jahre und der grundriss ändert sich auch alle paar jahre oder jahrzehnte — je nach nutzung.

diese bauphilosophie ist allerdings ziemlich europäisch oder vermutlich vor allem deutsch. amerikaner bauen beispielsweise sehr viel weniger langlebig. ein grossteil der amerikanischen wohnhäuser, besonders in ländlichen gegenden sind auf eine viel kürzere lebensdauer angelegt. häuser werden in amerika beinahe wie autos genutzt. man baut sich mal eben eins, oft mit einfachen kellerlosen holzkonstruktionen, zieht ein und zieht ein paar jahre später weiter. häuser aus einfachen holzkonstruktionen sind natürlich auch um ein vielfaches günstiger als der typisch deutsche hausbau, der oft (vermeintlich) für die ewigkeit angelegt ist.

dadurch hinkt der vergleich zur software, den ben_ zieht, ein wenig. langlebigkeit ist eben auch nur eines von vielen konzepten, mit vor- und mit nachteilen. ein nachteil von langlebiger software könnte dann eben auch genau der preis oder die komplexität sein.

deutsche mögen zum beispiel fertighäuser nicht besonders. deutsche meinen, dächer müssten stets mit steinen abgedeckt sein oder dass fenster sich stets auch öffenen lassen müssten. jemand der sein haus ohne keller baut, wird heute immer noch ausgelacht. heizen, meinen deutsche, könne man solide nur mit heizkörpern oder fussbodenheizung.

dabei ändern und verbessern sich die konstruktionsprinzipien von häusern, insbesondere industriell (vor-) gefertigten fertighäusern, schneller als manche wohnungseinrichtungen. gerade themen wie energieeffizienz und anderes umweltgedöns, lassen ältere häuser mittlerweile ziemlich alt oder dick eingepackt aussehen.

trotzdem sind die fragen die ben_ anhand dieser analogie zwischen softwareentwicklung und architektur aufwirft interessant und wichtig:

Welche Bereiche meine Anwendung sollen Nutzer ändern können und welche Bereiche meiner Anwendung, sollen Webdesigner ändern und welche Entwickler? Gibt es noch unterschiede zwischen den Entwickler-Gruppen? Und welche Gruppe ändern wie oft ihren Code? Wie stabil ist meine "Site", das Fundament auf dem meine Anwendung ruht? Könnte das tatsächlich "ewig" halten? Und wie oft werkele ich an den anderen Ebenen meiner Anwendung rum? Und wie unabhängig sind diese Ebenen von einander? Welchem Zweck dient da eigentlich welche Ebene?

ich frage mich auch manchmal, inwieweit sich konstruktion und abstraktion vertragen? finden sich die gegensatzpaare einfachheit und wahrhafttigkeit versus ornament und schmuck auch in der softwareentwicklung?

oder: wie weit trägt die analogie zwischen einem architekten und einem softwareentwickler? mein bild von einem architekten mag eine wunschvorstellung sein: architekten lieben das detail, versuchen aber auch immer das grössere ganze zu sehen. sie können nichts richtig, aber alles ein bisschen. sie müssen die sprache des bauhhern, aber auch die der handwerker und der beamten sprechen. gute architekten können mit dem stift denken und relativ gut abstrahieren. architekten lieben das zitat und übernehmen hemmungslos gute ideen von anderen.

und: manchmal sind bauingenieure die besseren architekten, weil sie in der lage sind, technische konzepte geradliniger und konsequenter umzusetzen. manchmal ist es aber auch umgekehrt und architekten können die distanz zur technik nutzen und über den tellerrand des technisch möglichen hinausschauen und strategisch und langfristig denken, ohne die rahmenbedingungen oder die welt aus den augen zu verlieren. oder, um mal ein ziemlich gewagtes analogie aufzustellen: bill gates ist ein bauingenieur, steve jobs ist ein architekt.

diese analogie die ben_ in meinen kopf gezerrt hat, gibt glaub ich noch so einiges an fragen her.