internet vs. datenschutz

felix schwenzel, , in wirres.net    

henning tillmann hat ein bild gebaut, das zeigt, dass die unfreiwillige und unwissentliche weitergabe von daten und das sammeln von daten nicht nur ein problem sind, sondern im wesen des internets und der vernetzung liegen.

PrivacyImg - Ein interaktives Beispiel.

jeder der einen browser benutzt hinterlässt damit daten — und zwar nicht nur eine IP-adresse. das ist einerseits die schlechte nachricht, aber eben auch die realität. die realität auf mehr oder weniger allen webseiten der wwwelt. auch auf webseiten, die sich über die datensammelwut von facebook echauffieren, auf datenschützerseiten und auf dieser website.

besucher von wirres.net übermitteln bei jedem besuch daten an js-kit.com (kommentare), flattr (die servieren den flattr button in einen iframe), google (von dort hole ich mir die jquery-javascript-bibiothek), mokono (anzeigen), vgwort.de und die firma canhost (dort ist meine site gehostet). die übertragung der jquery-bibliothek könnte ich mir sparen (indem ich die bibliothek selbst hoste), aber auf kommentare, anzeigen und den flattr button möchte ich nicht verzichten. die übertragung von daten zu facebook, googleplus, readability, twitter habe ich deaktiviert oder genauer mit einem klick-einverständnis gekoppelt. das heisst, wer den facebook-like-button benutzen will — und damit einverstanden ist seine daten zu facebook zu übertragen — muss einmal auf das hand-icon unter jedem artikel klicken, wer den 1+-button sehen will muss auf den 1+-link unter jedem artikel klicken. erst dann werden jeweils daten zu den jeweiligen diensten übertragen.

bei spiegel.de sieht es nach einem kurzen, unvollständigen blick in die http-anfragen der titelseite so aus, dass daten übertragen werden zu quaility-channel.de, mediaplex.com, facebook.com, newtention.net, mlsat03.de, eatsmarter.de, fbcdn.net, instanttraffic.de.

bei lumma.de werden beim aufruf der startseite daten http-anfragen zu folgenden adressen getätigt: hellobar.com, googleadservice.com, stumbleupon.com, google.com, twitter.com, googlesyndication.com, facebook.net, amazon.de, wordpress.com, google-analytics.com, tilli.me, vgwort.de, lytro.com, gstatic.com, fbcdn.net, cloudfront.net, assoc-amazon.de, amazonaws.com, doubleclick.net, ytimg.com, socialstatistics.com, tumblr.com, profiseller.de, creativecommons.org, tweetmeme.com, questionmarket.com, sensic.net, newrelic.com, 2mdn.net, twimg.com, quantserve.com, googleusercontent.com, dlqm.net und amazon.de. stolze 201 http-anfragen auf der startseite (insgesamt 49 bei spiegel.de).

bei wirres.net: js-kit.com, googleapis.com, mokonocdn.de, afy11.net, ivwbox.de, rlog.de (da läuft mein piwik). insgesamt 71 http-anfragen.

was das bild von henning tillmann zeigt, ist welche daten potenziell mit einer solchen http-anfrage übertragen werden. und es zeigt, wo der einzige ansatzpunkt für datenschutz ist: im browser.

wenn ich nicht möchte, dass facebook daten auf dritten webseiten die ich ansurfe angefragt und potenziell ausgewertet werden, kann ich meinem browser sagen, diese verbindung zu blockieren. wenn ich nicht möchte, dass undurchschaubarer javascriptcode irgendwelche daten von irgendwelchen fremden servern lädt, kann ich javascript deaktivieren. manche merkmale der site die ich dann gerade besuche würden dann nicht mehr funktionieren, zum beispiel nico lummas beeindruckende werbe- und widget-sammlung die jeden laptop, aber wenig nutzer heiss macht. bei mir funktionieren ohne javascript die anzeigen, die kommentare und ein paar andere kleinigkeiten nicht mehr.

was ich sagen wollte: das netz lebt und funktioniert nicht nur durch hyperlinks, sondern durch die vernetzung, mashups, widgets, werbebanner und anderen eingebetteteten scheiss. ja es finanziert sich sogar dadurch. oder anders gesagt, die überschreitung der strengen deutschen datenschutzrichtlinien ist das wesensmerkmal des netzes und wurde nicht durch facebook oder google oder wie marcel weiss philip hetjens sagt, von der „wirklichen datenkrake“ amazon erfunden.

marcel weiss philip hetjens schreibt:

Ich behaupte nicht, dass Google, Facebook und Apple aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht in Schach gehalten werden müssen. Aber Amazon hat bisher relativ unbehelligt Daten angesammelt, die für Verbraucher schon jetzt gefährlich werden können. Sie geben Auskunft über unsere finanziellen Möglichkeiten und unsere emotionalen Vorlieben auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Kein anderes Internetunternehmen verfügt über solche exakten und umfangreichen Bonitätsdaten. Während Datenschützer sich auf Facebook eingeschossen haben, scheint die wirkliche Datenkrake von ihnen sehr wenig Beachtung zu finden.

wo die gefahren, nichtgefahren oder gar chancen des netzes und unserem freizügigen umgang mit daten liegen, haben datenschützer, politiker, aber auch wir, nicht mal ansatzweise erkannt. und das finde ich dann auch wieder irgendwie beruhigend. denn: ich weiss dass ich nichts weiss und was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss.

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[nachtrag 26.10.2011]
hm. vergessen zu henning tillmann zu linken. also im sinne von gewollt, aber nicht dran gedacht. ich wollte es, schliesslich war sein artikel der ausgangspunkt meiner überlegungen. besonders absurd: ich habs gemerkt, weil ich nicht bei rivva aufgetaucht bin.

ausserdem muss ich natürlich auf diesen artikel von hadmut danisch hinweisen, der mir den gedanken, dass datenschutz nur im browser möglich ist, in den kopf gesetzt hat. danke für die erinnerung.