niemals auf die leser hören

felix schwenzel, , in wirres.net    

man kann diesen tweet als naiv ansehen (was unter dem tweet von „Kontra“ auch gleich geschah), aber man kann auch mal kurz innehalten und sich dieses do-not-track-dings mal in ruhe ansehen. die do-not-track-initiative war ein versuch, browser-benutzern die einfache möglichkeit zu geben, das tracking, also die verfolgung durch werbevermarkter, auf webseiten zu deaktivieren. jörg breithut auf spiegel online formuliert das so:

Eigentlich sollen Nutzer in ihren Browsern mit der Einstellungen „Do Not Track“ signalisieren können, dass sie nicht von Unternehmen zu Werbezwecken ausgeforscht werden wollen.

und:

Viele Netznutzer waren damals begeistert von der Idee, ohne Datenspuren durchs Netz zu surfen. Doch mit dem Ausstieg von Yahoo scheinen sich die Prognosen der Branchenexperten zu bewahrheiten.

Kritiker sagten damals schon voraus, dass die werbefinanzierten Unternehmen bei „Do Not Track“ nicht mitspielen würden. Zu groß war ihrer Meinung nach das Risiko, die Anzeigen-Kunden zu verprellen. Schließlich können Microsoft, Yahoo und Co. die Werbung wesentlich besser auf die Nutzer zuschneiden, wenn sie deren Klickverhalten und Interessen kennen.

spiegel online ist ebenfalls eine werbefinanziertes unternehmen, das seine anzeigenkunden nicht verprellen möchte. jedenfalls arbeitet spiegel-online auch mit unternehmen zusammen, die benutzer „zu Werbezwecken“ ausforschen. der artikel über den ausstieg von yahoo aus der do-not-track-allianz, aus dem ich oben zitiere, wird laut ghostery von 17 ausforschungs-trackern garniert.

ich habe mir mal stichprobenartig und zufällig die datenschutzerklärung eines dieser bei spiegel-online eingesetzten trackers angesehen, von criteo. in der englischsprachigen version seiner datenschutzerklärung, weist criteo darauf hin, die do-not-track-einstellung des benutzers nicht zu respektieren:

As described above, we elected to provide mechanisms of choice through our proprietary opt out and through industry platforms and do not respond to web browser do not track signals.

einen einfachen mechanismus, mit dem man global anzeigen kann, nicht erfasst werden zu wollen, lehnt criteo ab, weil man sich für eine „industrie“-eigene implementierung entschieden habe.

in der deutschen version der datenschutzerklärung konnte ich gar keine hinweise auf den umgang mit der do-not-track-anweisung finden. dort steht:

In diesen Fällen ist es am einfachsten, unsere Werbemittel für diese Browser durch die Verwendung unserer Opt-out-Funktion zu deaktivieren.

wenn ich von der deutschsprachigen datenschutzerklärung von criteo auf deren „industrie-eigene“ opt-out-funktion klicke, lande ich auf einer englischsprachigen seite, hier. für die deutsche version muss ich ein bisschen suchen und lande dann hier, bzw. beim „Präferenzmanagement“.

dort bekomme ich einen einfach zu verstehenden hinweis:

3rd Party Cookies nicht aktiviert: Der Safari-Browser blockiert das Setzen von Cookies für verhaltensorientierte Werbung. Um diese erfolgreich über dieses System deaktivieren zu können, müssen diese Cookies aber aktiviert sein. Sofern Sie diese nicht deaktiviert lassen möchten, geben wir Ihnen Hilfestellungen, diese zu aktivieren. Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Hilfe-Seite Opt-out-Hilfe-Seite. Sofern Sie diese Cookies deaktiviert halten, wird ihnen nur verhaltensbasierte Werbung über Webseiten eingeblendet, die Sie besucht haben und nicht von Drittparteien.

ich glaube das bedeutet, dass ich erst tracking-cookies akzeptieren muss, bevor ich die anbieter wissen lassen kann, dass ich deren cookies, oder was auch immer sie benutzen um mich zu verfolgen, nicht akzeptieren möchte. OK. statt cookies nur von seiten zu akzeptieren, die ich besuche, akzeptiere ich dann eben um des datenschutz willens alle cookies.

meine safari präferenzen — nachher

seite neuladen … warten:

wait a minute
“Collecting your status from 0 companies. This may take a while”

nach 40 sekunden steht die seite. „Nutzungsbasierte Online-Werbung“ ist bei allen anbietern aktiviert, bis auf „Krux“. da isses deaktiviert. warum auch immer. vor zwei jahren habe ich das tool schonmal zu recherchezwecken benutzt, vielleicht habe ich dort ein paar anbieter „deaktiviert“. egal. ich klicke „Bei allen Anbietern deaktiveren“. das deaktivieren dauert ca. 30 sekunden, also lese ich noch ein bisschen.

Wenn Sie "Deaktiveren" wählen bedeutet das nicht, dass Sie keinerlei Online-Werbung mehr erhalten. Es bedeutet jedoch, dass die Online-Werbung, die Sie auf den Webseiten sehen, nicht auf der Basis Ihrer vermeintlichen Interessen oder Vorlieben (abgeleitet von Ihrer Internetnutzung) angepasst wird. Eine Deaktivierung der nutzungsbasierten Online-Werbung hat keinen Einfluss auf andere Dienste, die Cookies verwenden; bspw. Ihr Warenkorb. Von Ihnen besuchte Internetseiten können überdies auch noch für andere Zwecke Informationen sammeln; bspw. für Marktforschung.

„Sociomantic“ lässt sich nicht deaktivieren, aber youronlinechoices.com beruhigt mich:

Wir haben diesen Fehler automatisch protokolliert. Wenn der Fehler weiterhin besteht werden wir uns an die betroffenen Unternehmen wenden.

einige der onlinevermarkter, die auch mit spiegel-online zusammenarbeiten, sind also der meinung dass es besser (oder einfacher) für die verbraucher oder besucher von webseiten sei, sich durch ein leseintensives, hakelig zu bedienendes, denglisch-sprachiges, proprietäres branchen-werkzeug durchzuklicken, als ein häckchen im browser zu setzen.

möglicherweise hat das „Screw you“, die entscheidung der werbeschnüffler sich nicht an „do not track“ zu halten, nicht direkt zur popularisierung von werbe- und tracker-blockern geführt, wie @counternotions suggeriert. aber die grundhaltung, nutzerwünsche nicht oder nur widerwillig — und dann ganz besonders lieblos — zu respektieren, scheint in der werbebranche doch sehr ausgeprägt zu sein. aber der eigentliche witz ist, immer noch, dass selbst eine erfolgreiche, sich durch seine tochter selbst vermarktende und überwachungsthemen gegnüber enorm sensible publikation wie spiegel-online sich diesem un- und irrsinn beugen muss. was die werbekunden wollen wird gemacht. auch bei spiegel-online. bloss niemanden verprellen! ausser die leser, die „bling-bling“-konsumenten, wenn man die verprellt hat das keine schwerwiegenden folgen, vor allem verstehen die das alles ja auch gar nicht.

* * *

sarkasmus zur seite. mir ist es wirklich ein rätsel, warum spiegel-online nicht das online-medium ist, das sich mit beispielhafter, anstandskonformer werbung profiliert oder die befolgung der do-not-track-anweisung konsequent durchsetzt. mit einem eigenen werbevermarkter, einer geschäftsfüherin, die in der mozilla-stiftung sitzt und der diese problematiken sehr gut bewusst sein dürften — und vor allem mit einer redaktion, die hervorragende berichterstattung rund um privatsphären- und datenschutzverletzungen macht.