verdichtung der fischerinsel

felix schwenzel, , in artikel    

auf der fischerinsel soll ein weiterer wohnturm gebaut werden. mir fiel das gestern auf, weil an einer ecke, wo bisher ein park war, plötzöich die bäume fehlten.

verdichtung der fischerinsel

als bildunterschrift wollte ich unter dieses bild schreiben: „bäume weichen, damit wir endlich mehr büroräume oder das drölfschrillionste hotel in mitte bekommen.“ eine kurze recherche zeigt, es gibt angeblich „wütende Proteste“ gegen die bebauung, schreibt zumindest ulrich paul in der berliner zeitung:

Der geplante Bau eines 19-stöckigen Hochhauses in Berlins Mitte stößt auf Protest. Die Planungen der siebziger Jahre würden damit fortgesetzt, kritisiert der frühere Senatsbaudirektor Hans Stimmann.

allerdings ist das 19-stöckige hochhaus kein büro oder geschäftsbau, sondern ein „Wohnturm“. dort sollen wohnungen entstehen, auch vom land berlin geförderte preiswerte wohnungen. das was die sprecherin der stadtentwicklungsverwaltung petra rohland sagt, ergibt in meinen augen durchaus sinn:

Das Hochhaus ist das Ergebnis eines internationalen Architekturwettbewerbes. Es ordnet sich durchaus in das Hochhausensemble auf der Fischerinsel ein und entspricht einer gewollten Verdichtung, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – auch in historisch bedeutender, zentraler Innenstadt-Lage.

was soll man gegen solche pläne haben? der historiker benedikt goebel hat einen guten grund:

Ein Hochhaus habe dort nichts zu suchen.

hm, warum nicht? weil dort bereits hochhäuser stehen? ja, weil die hochhäuser die dort stehen „fehler“ gewesen seien (sagt die vorsitzende des vereins berliner historische mitte, annette ahme) oder der ehemalige senatsbaudirektor hans stimmann:

Ich halte die geplante Bebauung der sogenannten Fischerinsel mit einem weiteren Wohnhochhaus für falsch. Damit werden die Planungen der 70er-Jahre für ein sozialistisches Stadtzentrum mit Wohnen in Hochhäusern weitergeführt als existiere die DDR noch.

ich finde verdichtung in der stadt gut. auf der seite der architekten kann man ein paar visualisierungen der geplanten bebauung sehen und erkennen, dass das hochhaus kein gestalterischer höhenflug ist, sich aber sehr gut ins stadtbild einfügt. und vor allem: es ist wohnraum.

es gibt zwar menschen wie daniel fuhrhop, die meinen, man sollte das (neu) bauen ganz verbieten:

In meiner Streitschrift „Verbietet das Bauen!“ führe ich 50 Werkzeuge auf, die Neubauten überflüssig machen: von Altbausanierung bis Leerstand-Management, von Imagekampagnen für scheinbar randständige Wohnorte ("aus Duisburg wird Düsseldorf-Nord") bis hin zu ganz neuen Formen der Wohnraumnutzung.

Besonders wertvoll sind diese Werkzeuge angesichts des Zuzugs der Flüchtlinge: Die benötigen nämlich sofort neuen Wohnraum und nicht erst in einem Jahr. Darum brauchen wir für sie keinen Neubau, sondern wir sollten vorhandene Räume nutzen und Leerstand beseitigen. So stehen allein in den 19 größten deutschen Bürostandorten acht Millionen Quadratmeter Büros leer, hinzu kommen eine Million ungenutzter Wohnungen und darüber hinaus Hunderte Fabrikhallen und Kasernen - genug für mehrere Millionen Flüchtlinge.

die zusammenfassung seiner streitschrift-thesen in der geo ist jedenfalls lesenswert und ich glaube dass da einige gute ideen drin stecken. trotzdem ist gerade berlin eine stadt die weiter wie wild wächst. die ganzen beschissenen und teilweise lieblos in mitte hingeschissenen hotels scheinen gut belegt zu sein, der zuzug nach berlin scheint, wenn man sich die mietpriesentwicklungen in den zentraleren bezirken ansieht, ungebrochen. ich glaube, dass verdichtung in berlin nach wie vor sinn macht. selbst am reissbrett entworfene gebiete wie der sehr verdichtete potsdamer platz, funktionieren in berlin.

städtebau hat mich im studium immer ein bisschen gelangweilt. nicht weil es an sich langweilig war, sondern weil es so komplex und unkonkret war. stadtplanung und stadtplanumsetzung zieht sich oft über jahrzehnte, wenn nicht gar jahrhunderte hin. es sind unfassbar viele aspekte zu beachten, ökologische, verkehrsplanerische, soziale, soziologische und sehr viel unplanbares. was mir aber sehr grossen spass macht, ist städtebau in der praxis zu beobachten. berlin dabei beoabchten, wie es sich verdichtet, neue stadtteile entstehen und sich beleben, wie neue stadtteile durch öffentlichen nahverkehr erschlossen werden und aufblühen. allein deshalb kann ich schon nicht wütend werden, wenn hier hin und wieder eine weitere freifläche betoniert und hochverdichtet wird. um diese wut zu entwickeln, muss man wohl hysteriker historiker sein.

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bildquelle, visualisierung: finest-images