bruder klaus kapelle

felix schwenzel, , in artikel    

bruder klaus kapelle

gute architektur lenkt den blick, schlechte leider auch. das ist im prinzip wie beim film. sind regie- und kameramensch wirklich gut, wählen sie ausschnitte, perspektiven und bewegungen so, dass sie der szene oder dem gesamtwerk dienen. bei filmen können wir diese qualitäten gut erkennen, einerseits, weil wir gut geschult in der wahrnehmung und rezeption von filmkunst sind, andererseits, weil wir die perspektive nicht erst finden müssen, sondern sie uns fertig präsentiert wird.

bei architektur ist das anders. in und um bauten können wir die perspektive beliebig verschieben und wechseln, indem wir uns bewegen. öffnungen, rahmen oder achsen helfen uns zwar dabei, uns zu orientieren, da aber architektur vom kontext (der umgebung) und der nutzung abhängt, wird es nochmal schwieriger qualitäten zu erkennen. manchmal helfen uns fotografien bei der orientierung, fotografien von leuten die sich mit perspektiven auskennen und uns helfen können qualitäten zu erkennen, die wir vorher nicht erkannt haben.

der schweizer architekt peter zumthor macht es uns relativ leicht die qualitäten seiner arbeiten im raum zu erkennen. ich glaube das funktioniert vor allem deshalb, weil er sich intensiv mit den orten auseinandersetzt, an denen er baut und seine architektur — auch wenn sich das abgegriffen anhört — in einen dialog treten lässt. ich bin den bauten von peter zumthor schon oft hinterhergereist, unter anderem nach graubünden, wo ich mir vor gut 20 jahren die wunderbare kapelle des heiligen benedikt oberhalb von sumvitg angesehen habe, oder das thermalbad in vals. in östereich hab ich mir mal das kunsthaus in bregenz angesehen und demnächst™ möchte ich unbedingt das kunstmuseum des erzbistums köln besichtigen.

vor etwa einem jahr hatte ich mir vorgenommen, die bruder klaus kapelle in wachendorf von peter zumthor aufzusuchen. vor knapp einem monat war ich dort und habe bisher nur ein bild vom besuch dort geinstagramt.

bruder klaus kapelle

die kapelle thront auf einem acker, der sich quasi am arsch der welt befindet, in einem kleinen eifeldorf. um zur kapelle zu gelangen muss man ungefähr einen kilometer von einem parkplatz über äcker laufen.

fussweg kapelle

man sieht die kapelle den ganzen weg über, sie steht wie ein in den acker gerammtes bauklötzchen oben am hügel. an dem tag an dem wir in wachendorf waren, blies ein heftiger wind, was zu wunderbaren lichtwechseln führte.

die kapelle macht auf den ersten blick nicht viel her, sie sieht in der tat aus wie ein kompliziertes bauklötzchen oder ein beton-bunker, aber sie hat eine faszinierende eigenschaft. sie lenkt den blick. beim anmarsch auf die kapelle, setzt man sie ständig in relation zur landschaft, staunt über das changierende, stechende braun der ackerböden, setzt die hügel und den himmel in beziehung, bzw. staunt über den grandiosen eifelhimmel und die weite die sich öffnet, wenn man die kapelle aus der entfernung betrachtet. aus der nähe, beim herumlaufen um den bau, schneiden die scharfen kanten der kapelle wieder sichtachsen zurecht und geben der landschaft halt.

blick von der kapelle auf wachendorf
blick von der kapelle auf wachendorf

der innenraum der kapelle ist zeltförmig zum himmel geöffnet, oben ist einfach ein loch in der decke, durch das licht und regen fällt. auf dem boden der kapelle steht das wasser an ein paar stellen, es ist russig dunkel und relativ eng. in den wänden befinden sich kleine löcher die mit glas gefüllt sind und die die wände mit lichtpunkten strukturieren.

das innere der bruder klaus kapelle in wachendorf

auch wenn man auf dem weg zur kapelle die ganze zeit den himmel gesehen hat, erzwingt das loch in der decke, eine ganz neue perspektive auf den himmel. in der theorie wissen wir alle, dass die perspektive vom standpunkt abhängt, aber das zu erleben, in dieser form, ist wirklich faszinierend und nur ansatzweise in diesem verwackelten video zu erkennen.

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aus diesem lesenswerten zeit-interview, habe ich folgendes zumthor-zitat kopiert:

Ich habe an der Universität in Mendrisio den Studenten immer gesagt: „Ihr habt jetzt die Aufgabe, Häuser zu machen, die auf eine Stadt, eine Landschaft reagieren. Das Wichtigste dabei ist, dass ihr auf eure eigenen inneren Bildern von Schönheit oder Stimmigkeit reagiert.“ Es geht um den Prozess von Schauen und Fühlen, aus dem sich Formen ergeben, deren Wirkung man prüfen muss. Das ist eine künstlerische Arbeit. Beim Bauen selbst kommt viel Theoretisches und Technisches dazu. Aber der Anfang ist derselbe wie beim Maler oder Schriftsteller, es ist Autorenarbeit. Und dann gibt es Glücksmomente, in denen etwas Überraschendes entsteht.