ode an alexia

felix schwenzel

ar­chi­tek­tur­stu­den­ten sit­zen viel. den gan­zen tag. aus­ser sie schla­fen. aber auch beim schla­fen sit­zen sie manch­mal. meist sit­zen ar­chi­tek­tur­stu­den­ten über plä­ne oder mo­del­le ge­beugt. so habe ich al­e­xia ken­nen­ge­lernt. sit­zend, über ei­nen plan ge­beugt. al­e­xia hat­te ein vor­lie­be für hüft­ho­sen, äus­serst knap­pe hüft­ho­sen und string-tan­gas. so be­grüss­te mich mor­gens im­mer ihr ent­zü­cken­der un­te­rer rü­cken, ihre rit­ze zu ei­nem drit­tel frei­lie­gend, mit ei­nem klei­nen stoff­f­aden be­deckt, der sich ober­halb der rit­ze nach links und rechts teil­te. statt mit „gu­ten mor­gen“ be­grüss­te ich al­e­xia in mei­ner zeit als ar­chi­tek­tur­stu­dent dann meist mit, „oh heu­te eine rote“ oder „aha, heu­te eine schwar­ze un­ter­ho­se“. da­nach ver­such­te sie ki­chernd und ver­geb­lich ihre blös­sen zu be­de­cken, was aber nicht we­gen ih­res üpi­gen, wohl­ge­form­ten be­cken­be­reichs schei­ter­te, son­dern an den knappp be­mes­se­nen klei­der­grös­sen und -schnit­ten. ja, al­e­xia moch­te die knap­pen schnit­te, auch ihr ruck­sack, ihre tops und ei­gent­lich al­les was sie trug, war knapp ge­schnit­ten. ih­ren ruck­sack zier­te zu­dem ein kat­zen­kopf, „hel­lo kit­ty“ nann­te man die­se art von ac­ces­soires.

eine frau die grell­bun­te, knap­pe an­zieh­sa­chen und eine „hel­lo kit­ty“ grund­aus­rüs­tung an der uni zur schau trug, könnn­te man als kin­disch, al­bern oder we­nig ernst­zu­neh­mend wahr­neh­men. das tat aber nie­mand. al­e­xia wisch­te der­lei as­so­zia­tio­nen mit ei­nem un­ge­heu­rem selbst­be­wusst­sein, witz und ei­nem zau­ber­haf­ten la­chen vom tisch. sie war qua­si die ers­te ernst­zu­nehh­men­de hel­lo-kit­ty ruck­sack­trä­ge­rin. aus­ser­dem ver­an­stal­te­te sie in re­gel­mäs­si­gen ab­stän­den par­ties ers­ter güte. al­ler­ers­ter güte. ihre par­ties fan­den in ih­rer wohn­ge­mein­schaft im ober­ge­schoss ei­nes stutt­gar­ter mehr­fa­mi­li­en­hau­ses statt. meist sehr laut und mit den klas­si­schen de­struk­ti­ven und chao­ti­schen ele­men­ten und ver­wüs­tun­gen die eine gute par­ty aus­ma­chen. laut, sehr lang und mit er­eig­nis­sen, hand­ge­men­gen, be­zie­hungs­an­bah­nun­gen oder -be­en­dun­gen, buf­fet­schlach­ten oder ou­tings über die man nach der par­ty wo­chen­lang klat­schen konn­te. ko­mi­scher­wei­se wur­den ihre par­ties fast nie von der po­li­zei be­en­det (wie so vie­le an­de­re stutt­gar­ter par­ties die ich er­le­ben durf­te). noch nicht­ein­mal die nach­barn be­schwer­ten sich, auch nicht die pa­ki­sta­ni­che gross­fa­mi­lie die auf der glei­chen eta­ge leb­te wie al­e­xia und über de­ren schlaf­zim­mer sich die tanz­flä­che be­fand.

was ich an al­e­xia aus­ser­dem be­wun­der­te, war ihr mes­ser­schar­fer ver­stand und ihr fach­li­che kom­pe­tenz. sie wi­ckel­te die pro­fes­so­ren nicht nur mit ih­ren knap­pen, bun­ten kla­mot­ten oder pracht­vol­len de­kol­teé um den fin­ger, son­dern mit erst­klas­si­gen ent­wür­fen und mo­del­len. mit män­nern konn­te sie um­ge­hen; sie be­kam sehr schnell raus, dass ich für men­schen die mir nah­rung und al­ko­hol zu­gäng­lich ma­chen, fast al­les tue. so liess ich sie in gros­serm um­fang an mei­nem pro­fun­den com­pu­ter­kennnt­nis­sen teil­ha­ben und sie stell­te mir im ge­gen­zug nah­rung und kom­pli­men­te zur ver­fü­gung. kom­pli­men­te und nah­rung sind die din­ge die mein herz öff­nen und mich mo­ti­vie­ren gut und ger­ne für je­man­den zu ar­bei­ten, mei­ne schwä­che so­zu­sa­gen. selbst ihre mut­ter schlug in die­se ker­be. ob­wohl ich nur ein­mal an­läss­lich ei­ner par­ty in al­e­xi­as el­tern­haus zu­ge­gen war, wur­de mei­ne see­le noch jah­re­lang nach mei­nem auf­tritt dort mit kom­pli­men­ten mas­siert; der fe­lix sei ja so ein net­ter kerl, schö­ne grüs­se sol­le al­e­xia mir aus­rich­ten, wie es mir denn gin­ge.

was mich al­ler­dings wirk­lich hö­rig macht, ist wenn je­mand über mei­ne blö­den wit­ze lacht. ich hal­te mich ja be­kannt­lich nicht zu­rück, wenn es dar­um geht den ein­druck ei­nes wit­zi­gen ty­pen zu ma­chen. al­e­xia war eine der we­ni­gen, die über je­den, wirk­lich je­den mei­ner wit­ze lach­te. ich woll­te ei­nes ta­ges die gren­zen von al­e­xi­as hu­mor aus­tes­ten und hielt ihr vor, sie la­che ja über al­les was ich sag­te, selbst wenn ich nur „mann­heim“ sa­gen wür­de. sie lach­te tat­säch­lich, sie lach­te wenn ich „mann­heim“ sag­te! auch wenn ich ver­such­te mal ein erns­tes wort mit ihr zu re­den, „ge­bur­ten­kon­trol­le“ bei­spiels­wei­se. auch dar­über konn­te sie la­chen. was für eine frau! eine frau die über das wort „mann­heim“ lach­te.

auch heu­te noch lacht al­e­xia, wenn ich sie mit „mann­heim“ be­grüs­se. auch heu­te noch ar­bei­te ich für sie, wenn sie mir nah­rung zur ver­fü­gung stellt. was mich aber in den letz­ten ta­gen be­son­ders be­ein­druck­te, ist ihre un­be­ding­te so­li­da­ri­tät und ein­satz­be­reit­schaft wenn es um ihre freun­de geht. je­le­na, mit der sie eine nicht un­be­trächt­lich­ge zeit sit­zend in der ar­chi­tek­tur­fa­kul­tät zu­brach­te, hat ja be­kannt­lich eine schwe­re in­sek­ten-pho­bie. vor ein paar ta­gen sass jel­a­na in ih­rer woh­nung und be­grüss­te den wie­der­ge­kehr­ten früh­ling mit ei­nem of­fe­nen fens­ter. die­se ge­le­gen­heit nutz­te eine hor­nis­se, um in je­le­nas woh­nung ein­zu­drin­gen. eine si­tua­ti­on die für je­le­na die gröss­te an­zu­neh­men­de ka­ta­stro­phe be­deu­tet. zum glück hat­te je­le­na noch zu­griff auf ihre di­ver­sen kom­mu­ni­ka­ti­ons­ein­rich­tun­gen und bat zu­erst ihre freun­din bri­git­te im chat um hil­fe. lei­der sass bri­git­te am an­de­ren ende des in­ter­nets, in ber­lin und nicht in stutt­gart. bri­git­te schlug je­le­na vor, al­e­xia an­zu­ru­fen, was sie so­fort tat: „hal­lo al­e­xia, je­le­na hier. ich wür­de dich ja ger­ne fra­gen wie es dir geht, aber hier ist eine hor­nis­se bei mir im zim­mer.“ al­e­xia be­griff so­fort den ernst der si­tua­ti­on und rief ih­rem mann zu: „AL­BRECHT, WIR MÜS­SEN SO­FORT ZU JE­LE­NA FAH­REN.“

al­brecht und al­e­xia lös­ten die knif­fe­li­ge si­tua­ti­on fünf mi­nu­ten spä­ter am an­de­ren ende der stadt re­la­tiv sim­pel in­dem sie je­le­nas fens­ter öff­ne­ten und die hor­nis­se da­mit wie­der an die fri­sche luft lies­sen. mich be­ein­druck­te die­se re­ak­ti­on so sehr, dass ich mich, wie man sieht, be­müs­sigt fühl­te al­e­xia da­für eine (lang ver­dien­te) ode zu schrei­ben, auch wenn mei­ne schrift­sprach­li­chen fä­hig­kei­ten nicht ein­mal an­satz­wei­se da­für aus­rei­chen, dem we­sen die­ser gross­ar­ti­gen frau ge­recht zu wer­den. aber man kann es ja mal pro­bie­ren.