besinnliches beschimpfen für eine bessere welt

felix schwenzel

sa­ti­re darf al­les be­haup­te­te kurt tu­chol­ski ein­mal.

war­um ei­gent­lich?

bzw. war­um ei­gent­lich nur sa­ti­re? und darf sa­ti­re wirk­lich al­les?

sa­ti­re veretzt, ver­höhnt, macht lä­cher­lich, stellt bloss.

bei den däi­schen mo­ha­med-ka­ri­ka­tu­ren ging noch ein selt­sa­mer kon­sens durch die­ses land. na­tür­lich soll man sol­che ka­ri­ka­tu­ren ver­öf­fent­li­chen dür­fen und die auf­re­gung dar­über sei falsch. selbst gün­ther beck­stein, der ei­gent­lich für ei­nen bess­ren schutz so­ge­nann­ter re­li­giö­ser ge­füh­le ist, fand die ver­öf­fent­li­chung der ka­ri­ka­tu­ren ok — zu­min­dest mein­te er, müs­se die dä­ni­sche re­gie­rung da­für nicht ent­schul­di­gen. wenn es al­ler­dings um die ver­let­zung der ei­ge­nen re­li­giö­sen ge­füh­le gehe, fin­det beck­stein, müs­sen kla­re gren­zen ge­zo­gen wer­den und plä­diert für ei­nen ge­setz­li­chen schutz re­li­giö­ser ge­füh­le.

als bei­spiels­wei­se mtv zum start der bri­ti­schen zeicht­rick­se­rie po­pe­town wer­bung mit ei­nem auf ei­nem ses­sel sit­zen­den je­sus zeig­te der fand la­chen sei bes­ser als rum­hän­gen, ha­gel­te es kri­tik aus po­li­tik, bi­schofs­kon­fe­ren­zen und vom deut­schen wer­be­rat. so eine wer­bung ver­let­ze die re­li­giö­sen ge­füh­le der chris­ten, sei ge­schmack­los und ge­hö­re ver­bo­ten.

nur wenn man das mal ganz ge­nau be­trach­tet, ver­letzt jede form von kri­tik, egal ob sie sich im an­geb­lich ge­setz­li­chen rah­men be­wegt, ge­schmack­los, lus­tig, bier­ernst oder sa­ti­risch ist. nur wer soll das ent­schei­den? wer zieht die li­ni­en?

wer soll ent­schei­den was ge­schmack­voll ist, be­rech­tig­te oder un­be­rech­tig­te kri­tik be­inhal­tet oder ob eine ver­let­zung hier ok ist oder da nicht? ein deut­scher rich­ter? ein ame­ri­ka­ni­scher rich­ter? ein ira­ni­scher mul­lah?

wo sol­len die gren­zen sein?

kön­nen wir es uns in der glo­ba­li­sier­ten welt in der selbst ka­ri­ka­tu­ren aus ei­nem da­ni­schen pro­vinz­blatt in die welt schwap­pen al­lein un­se­ren ge­schmack, al­lein un­se­re mas­stä­be an die be­wer­tung an­zu­le­gen? wie glaub­wür­dig ist eine ge­sell­schaft die sagt, die be­lei­di­gung von mo­ha­med ist ok, die von je­sus nicht?

ich sage, man kann mei­nungs­frei­heit nicht ab­stu­fen. ent­we­der man will mei­nungs­frei­heit und eine freie ge­sell­schaft oder nicht.

sal­man rush­die hat das in fol­gen­de wor­te ge­fasst:

„Die Vor­stel­lung, man kön­ne eine freie Ge­sell­schaft schaf­fen, in der nie­mand je­mals be­lei­digt oder ge­kränkt wür­de, ist ab­surd. Das­sel­be gilt für die Vor­stel­lung, die Men­schen soll­ten das Recht ha­ben, sich mit recht­li­chen Mit­teln ge­gen Krän­kun­gen und Be­lei­di­gun­gen zu weh­ren. Hier ste­hen wir vor ei­ner grund­le­gen­den Ent­schei­dung: Wol­len wir in ei­ner frei­en Ge­sell­schaft le­ben oder nicht?“

das pro­blem wird im­mer als ein in­ter­kul­tu­rel­les pro­blem darg­stellt, dass die mos­lems nicht wie wir für freie mei­nungs­äus­se­rung sei­en und das kon­zept der frei­en ge­sell­schaft auch gar nicht ver­ste­hen wür­den.

das ist na­tür­lich quatsch. die kla­gen we­gen be­lei­di­gung oder per­sön­lich­keits­recht­ver­let­zung in deutsch­land kann man gar nicht mehr zäh­len. mir fal­len auf an­hieb so vie­le bei­spie­le ein, dass ich dar­aus ei­nen halb­stün­di­gen vor­trag ma­chen könn­te.

sig­mar ga­bri­el möch­te sich von lus­ti­gen bild­chen im in­ter­net nicht be­lei­di­gen las­sen, kurt beck nicht als pro­blem­bär dar­stel­len las­sen, selbst hel­mut mark­wort, der gröss­te ver­fech­ter der mei­nungs­frei­heit seit papst pius ging vor jah­ren ge­richt­lich ge­gen eine ka­ri­ka­tur vor. ve­ro­ni­ka fer­res, atze schrö­der, alle sa­hen ihre per­sön­lich­keits­rech­te in den letz­ten jah­ren mal ver­letzt und ver­such­ten gren­zen in der mei­nungs­frei­heit aus­zu­lo­ten, tel­wei­se er­folg­reich und fast im­mer sehr schmerz­haft für ihre geg­ner.

das ist si­cher eine stei­le the­se über die ich auch noch nach­den­ken muss. aber kann es sein, dass je­mand der eine wirk­li­che per­sön­lich­keit hat, sich gar nicht be­lei­di­gen las­sen kann? kan es sein, dass man an be­lei­di­gun­gen wach­sen kann? hel­mut mark­wort be­haup­tet, heu­te wür­de er nicht mehr ge­gen eine be­lei­di­gen­de ka­ri­ka­tur vor­ge­hen. viel­leicht ist er ge­wach­sen, viel­leicht hat er sich eine per­sön­lich­keit zu­ge­legt?

wenn wir in ei­ner frei­en ge­sell­schaft le­ben wol­len müs­sen wir es aus­hal­ten kön­nen be­lei­digt zu wer­den. nicht nur kri­ti­siert, son­dern auch lä­cher­lich ge­macht und bloss­ge­stellt zu wer­den. denn vie­le be­lei­di­gun­gen ha­ben ei­nen grund über den man nach­den­ken könn­te und dran wach­sen kann. zur not här­ten be­lei­di­gun­gen ab.

ich glau­be die welt wird bes­ser wenn sich alle ge­gen­sei­tig be­lei­di­gen.

ver­bes­sern sie die welt in­dem sie zu weih­nach­ten ein­fach mal ein paar leu­te öf­fent­lich be­lei­di­gen — oder, wenn sie zu fei­ge sind, nen­nen sie mich in den kom­men­ta­ren ein­fach arsch­loch, wich­ser, depp oder ma­chen sie ein paar hüb­sche na­zi­ver­glei­che. üben sie, las­sen sie sich selbst be­lei­di­gen und wach­sen sie dar­an.

so … und jetzt das gan­ze noch­mal als vi­deo bei watch­ber­lin (flv-di­rekt­link).