drei tage talkmob

felix schwenzel, , in wirres.net    

hier steht demnächst ein artikel über ein paar DLD-panels die mir wirklich gut gefallen haben, darüber dass jochen wegener wirklich prima moderieren kann und andere nicht. vielleicht schreib ich auch auf wen ich alles getroffen habe, wer „graf schal“ ist, verlinke den einen oder anderen der über den DLD geschrieben haben und vielleicht ziehe ich sowas wie ein fazit. vielleicht aber auch nicht.

eigentlich totaler quatsch jetzt noch was zum DLD zu schreiben. ich mein, sogar stern.de hat schon was geschrieben. sehr witzig übrigens dieser seitenhieb: „Amerikaner sprechen [Hubert Burda] mit dem Vornamen an, Deutsche und seine Angestellten mit dem akademischen Grad des promovierten Kunsthistorikers.“ man könnte hinzufügen, deutsche onlinejournalisten fügen hubert burdas akademischen titel sogar in die überschrift und die url ein („Konferenz-Digital,-Life,-Design-Dr.-Burdas-Gipfeltreffen“) — ob aus gründen der google optimierung oder um dem doktor respekt zu zollen weiss ich auch nicht.

ich weiss nicht ob ich diesen satz dieses oder letztes jahr öfter gehört habe: „ich arbeite jetzt bei burda.“ — fakt ist diese menschen benutzen, sobald sie einen vertrag bei burda, haben das wort „doktor“ sehr viel öfter.

apropos „doktor“. hubert burda ist mir seit gestern eine portion sympathischer. ich habe ja bekanntlich eine schwäche für gesten (solange sie nicht allzu pathetisch sind). gestern beim panel „ad exchange“ kam irgendwann hubert burda in den völlig überfüllten raum, drängelte sich ein bisschen durch und setzte sich dann völlig unprätentios im gang auf den boden. ich wurde zwar bereits eindringlich davor gewarnt gesten eine zu grosse bedeutung zu geben, aber mir gefiel das.

mir fiel auch irgendwann auf warum burda sich den DLD (wahrscheinlich) einiges kosten lässt. einerseits kann er sich so sicherlich einige high potentials vielversprechende junge menschen einfangen, denen er dann später einen arbeitsvertrag, eine beteiligung oder einen platz an seiner seite geben kann. andererseits bekommen er und seine trüffelschweine durch so eine veranstaltung aus erster hand mit woher der wind weht, was die nächsten grossen trends werden könnten (dieses jahr hat es jeff jarvis ausgeplaudert: man solle sich oder seine kunden fragen: wie würde google es machen?). ausserdem wirkt so eine veranstaltung vermutlich wie eine art mäzenaten-deo. von den grossen geistern mit denen man sich umgibt bleibt immer etwas intellektueller glanz kleben. für den gesellschaftlichen glanz hat burda die bambis. und mit dem bereitwilligen teilen dieses glanzes schafft sich burda ein netzwerk von verbidlichkeiten. der yahoo manager bradley horowitz behauptete zumindest vor zwei jahren flickr und catherina fake auf dem DLD entdeckt zu haben und so den impuls für yahoo geliefert zu haben flickr zu kaufen. sowohl yahoo als auch catherina fake dürften allein deshalb hubert burda auf ewig dankbar sein.

am ende beibt die frage wieviel hubert burda wirklich draufzahlt. die sponsoren des DLD haben sicherlich einen sehr grossen teil der kosten übernommen. den rest wird burda nicht aus der portokasse zahlen können, aber ich vermute jeder cent lohnt sich.

zurück zur veranstaltung. ich habe mit dem einen oder anderen gesprochen, die sich kaum ein panel angeschaut haben und ihre zeit ausschliesslich mit reden, visitenkartentausch, spinnen*, kennenlernen und vertiefen verbracht haben. ich weigere mich ja normalerweise leute kennenzulernen. meisten klappt das ganz gut indem ich einfach so rumgucke und augenkontakt vermeide und niemand fremdes anspreche. die meisten leute verstehen das als arrogantes, überhebliches verhalten und lassen einen links liegen. trotzdem überwinden hin und wieder einige leute diese unsichtbare mauer und sprechen mich einfach an. das ist dann meisten auch furchbar nett, genauso wie es immer wieder funktioniert, dass mich leute die mich bereits kennen mir fremden leuten vorstellen. kurz: leute kennenlernen lässt sich nicht vermeiden. und das ist ja auch gut.

montag

die leute die nicht soo gerne selbst reden und nicht so gerne leute kennenlernen gucken sich die vorträge und panels an. ein paar habe ich auch gesehen und war von ein paar schwer enttäuscht und über ein paar heftig erfreut. erwartungsgemäss (und bereits erwähnt) war das panel venter ./. dawkins hochinteressant (life: a gene centric view). die thesen und die forschungen der beiden bieten ja eigentlich unkalkulierbaren zündstoff. der eine behauptet dass es gott nicht gebe, der andere (so behaupten einige) spielt gott. einer von den beiden wunderte sich, warum das publikum so ruhig sei. damit meinten die beiden natürlich nicht die businesskasper die im saal rumlaberten, sondern dass ihre thesen normalerweise entschiedenen widerspruch hervoriefen. dass es kaum aufschreie aus dem publikum gab als dawkins wiederholte, dass er sich zimelich sicher sei, dass es ausserhalb biologischer organismisen soetwas wie seele oder bewusstsein gäbe, wunderte mich auch nicht wirklich. in deutschland spielt religion und vor allem deren offensive verteidungung eigentlich kaum noch eine rolle. aber dass die deutschen als die weltweit führenden gentechnik-skeptiker nummer eins nicht mal leise stöhnten als venter den transfer von erbgut in andere arten oder die herstellung von reproduktionsfähigen zellen aus synthetisch gefertigtem erbgut als völlig ungefährlich und als auch alltäglich in der natur vorkommend trivialisierte wunderte mich dann doch. ich mein, der mann will künstliches leben schaffen, versucht (wen ich mich nicht täusche) patente auf von ihm entschlüsseltes erbgut anzumelden und hat gegen alle deutschen datenschutzbestimmungen verstossen als er sein gesamtes erbgut im internet veröffentlichte. niemand muckte auf, niemand stellte kritische fragen!

doch einer tats; richard dawkins. der ist zwar mit venter einer meinung, dass die biologie langsam zu einer informationswissenschaft, bzw. -technologie wird und dass das erbgut pure information sei, aber als venter behauptete, dass gene und chromosomen die design-komponenten der zukunft seien und er (auch) deshalb so hart an der herstellung eines künstlichen, designten organismus arbeite, da fragte dawkins venter ob er es verstehe dass sich manche menschen sorgen um diese eingriffe in das erbgut machten und ob er nicht auch selbst das risiko sehe damit das biologische gleichgewicht aus der balance zu bringen. venter antwortete ziemlich überzeugend und warnte vor einer zu einfachen sicht auf die biologie. der austausch von erbgut hätte schon immer stattgefunden. das menschliche genom besitze enorm viele teile die ursprünglich von viren stammten, wir tragen (wenn ix das mal nicht falsch verstanden habe) sogar pflanzliche erbinformationen in uns herum. der aufnahme von fremden erbgut in das eigene stünden viele schranken im wege, aber es sei eine bilogische realität und eigentlich völlig normal. auch die ansicht, dass der mensch durch genetische eingriffe das tempo der evolution über die massen beschleunigte liess er nicht gelten, evolution finde ständig und gut zu beobachten in mikroorganismen statt. die ganze luft sei voller bakterien und viren die wir ständig aufnähemen und die sich ständig veränderten.

venter scheint etwas entscheidendes begriffen zu haben. er wird die leute nur von seiner arbeit überzeugen können wenn er damit etwas unfassbar nützliches macht. also schlägt er vor die welt zu retten indem er versucht organismen zu entwickeln, die CO2 in grossen mengen binden. solche designten organismen, denkt er wohl zu recht, könnten mit ihrer nützlichkeit jede skepzis gegen die gentechnik wegspülen.

das schlimme ist, ich neige dazu venter zuzustimmen. es klingt schon überzeugend wenn er sachen sagt wie:

life is a universal concept. it’s a design concept. we can transfer life as digital information. perhaps publishing my genome on the internet had more implications than i thought.

variation, vererbung und selektion (und viel zeit); dass wir so entstanden sein sollen und das leben um uns herum ist schwer zu glauben, ebenso wie es schwer ist zu glauben, dass das herumfummeln an genen und chromosomen die welt verbessern könnte. aber ich habe mich entschieden das erstmal für ne weile zu glauben und auch zu beobachten. wenn es ein next big thing gibt, dann ist es langfristig sicher die gentechnik, bzw. das verschmelzen von gentechnik und informationstechnologie und design.

eine weitere faszinierende veranstaltung war das interview mit ken roth vom human rights watch unter dem titel „inconvenient stories“. jens hat dazu eigentlich alles geschrieben was ich auch dazu geschrieben hätte: faszinierend wie human rights watch arbeitet, faszinierend dass das funktioniert und faszinierend dass human rights watch funktioniert. die kraft des öffentlichen wortes scheint ungebrochen.

verpasst habe ich dieses panel, leider. ich bin ja mal gespannt ob ich das noch später als videocast sehen kann.

party

nicht nur nico ist die stimme rauh geworden, auch mir. das was die meisten leute auf der party so trieben konnte man eigentlich schon nicht mehr „smalltalk“ nennen. das war eher „smallscreaming“ oder so. erstaunlich fand ich die tatsache, dass überall aschenbecher rumstanden. bei herrn sixtus seinem getwittere meine ich irgendwann mal gelesen zu haben, dass man in münchen nur noch im puff und zuhause rauchen dürfe. promis hab ich auf der party, ausser denen die auch schon im HVB-forum rumliefen, kaum gesehen (irgendwer vom focus offenbar schon). jumbotay mag ich nicht prominent nennen und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich barbara (germanys next topmodel) richtig erkannt habe.

dienstag

am letzten tag habe ich mir zwei veranstaltungen angeschaut: „green transportation“ und „exploding media“. dieter hat beide bereits wunderbar zusammengefasst und mit links und videos angereichert. ein zitat hatte ich mir auf dieser veranstaltung noch notiert: david hirschberg zitierte irgendwann jemanden von nike, der angesichts des enormen erfolges der nike läufer comunity (die mit dem ipod) gesagt haben soll, dass firmen wie nike nicht dazu da seien medienfirmen mit werbeaufträgen am leben zu erhalten, sondern dass firmen wie nike dazu da seien sich mit den kunden zu verknüpfen und zu verbinden. dieser abgesang auf werbung hält hirschberg natürlich nicht davon ab mit technorati voll auf werbung zu setzen.

fazit

insgesamt hat die erwartung meine erwartungen übertroffen. ich muss allerdings sagen, dass ich mehr oder weniger völlig ohne erwartungen nach münchen gefahren bin. auch wenn es teilweise furchtbar eng war und man sich ständig auf die füsse trat, besser als o’reillys 2.0-dings in fast menschenleerem messeambiente wars definitiv. auch wenn kaum eine veranstaltung pünktlich anfing und manche veranstaltungen wie 2007 sehr unter der moderation litten, vieles und manch einer überraschten mich (wieder) und über viele begegnungen habe ich mich ausgesprochen gefreut.

p.s.: zu graf schal sag ich nix.

[nachtrag]
unterm strich scheinen die meisten ein positives fazit zu ziehen:

*) „netzwerken“ ist ein furchbar langes wort. „spinnen“ ist viel kürzer und beschreibt die tätigkeit doch auch viel besser. „spinnen“ ist auch klebriger.

[nachtrag 23.01.2008]
hübscher text von jeff jarvis zum gespräch venter ./. dawkins.

[nachtrag 27.01.2008]
interview mit craig venter auf zeit.de