parasiten

felix schwenzel

ar­min thurn­her, grün­der des „fal­ters“ soll auf ir­gend­ei­ner ver­an­stal­tung ge­sagt ha­ben, dass „web-me­di­en“ pa­ra­si­tär sei­en. sie ver­lies­sen sich auf „alte me­di­en“ und re­cher­chier­ten nicht selbst. so stands auf dem — laut thurn­her — pa­ra­si­tä­ren „web-me­di­um“ turi2. thurn­her ist auch nicht der ers­te der be­haup­tet „web-me­di­en“ sei­en pa­ra­si­tär. die­se hal­tung scheint so eine art mem bei al­ten, frus­trier­ten, schrei­ben­den men­schen zu sein. ro­bert niles setz­te sich be­reits vor ein paar jah­ren mit die­ser fra­ge aus­ein­an­der.

was mich wirk­lich wun­dert ist, das thurn­her glaubt, dass die re­cher­che der „al­ten me­di­en“ nicht pa­ra­si­tär sei. ist es nicht ge­nau­so pa­ra­si­tär, wenn ein pa­pier-me­di­um über eine ver­an­stal­tung be­rich­tet? da setzt sich ein jour­na­list in eine ver­an­stal­tung, hört sich an was ge­sagt wird und ver­brei­tet da­nach die­se frem­de ge­dan­ken, qua­si an­de­rer leu­te „geis­ti­ges ei­gen­tum“, in ir­gend­ei­nem me­di­um. re­cher­che, also im (fran­zö­si­schen) wort­sinn der „su­che“, ist doch im­mer „pa­ra­si­tär“: man sucht vor­han­de­nes und nutzt es — ohne um er­laub­nis zu bit­ten. jede buch­re­zen­si­on, jede re­por­ta­ge, je­der sport­be­richt ist pa­ra­si­tär. oder, wenn man sich die de­fi­ni­ti­on von pa­ra­si­ten an­sieht, also „schäd­lin­ge, die — an­ders als bei der sym­bio­se — ih­rem wirt kei­nen nut­zen brin­gen“, könn­te man sich fra­gen, was es je­man­dem der von ei­nem auto an­ge­fah­ren wur­de nutzt, wenn ein jour­na­list dar­über be­rich­tet? jour­na­lis­mus ist eher in aus­nah­me­fäl­len sym­bio­tisch, bei­spiels­wei­se bei plat­ten­kri­ti­ken oder buch­ren­zen­sio­nen. der jour­na­list der über ein buch oder eine plat­te schreibt, bringt dem re­zen­sier­ten pu­bli­ci­ty, öf­fent­lich­keit oder auf­merk­sam­keit. nur ge­nau das tun die an­geb­lich pa­ra­si­tä­ren „web-me­di­en“ auch (und ge­nau wie die „al­ten me­di­en“, nicht aus­schliess­lich). zu­mal selbst die an­geb­lich „pa­ra­si­tä­re“ web-nut­zung von in­hal­ten, ei­ner vor­he­ri­gen „re­cher­che“ be­darf. be­vor man ei­nem „al­ten me­di­um“ in­hal­te „pa­ra­si­tär“ ent­neh­men kann, muss man sie le­sen, sie su­chen, ord­nen, be­wer­ten oder zu­min­dest das we­sent­li­che ex­tra­hie­ren.

wo soll denn ge­nau der un­ter­schied bei der re­cher­che von „al­ten“ und „neu­en“ me­di­en sein? die al­ten me­di­en be­die­nen sich ge­nau­so wie die neu­en an vor­han­de­nen in­hal­ten oder der wirk­lich­keit. selbst jour­na­lis­ten die sich dem in­ter­net ver­wei­gern agie­ren nicht im luft- oder quel­len­lo­sen raum. alte me­di­en be­die­nen sich an der wirk­lich­keit, zap­fen quel­len an, su­chen in zei­tungs­ar­chi­ven, zi­tie­ren men­schen die mehr wis­sen als der au­tor oder schla­gen von an­de­ren müh­sam er­stell­te le­xi­ka auf. wenn ar­min thurn­her auch nur ei­nen ar­ti­kel im fal­ter zei­gen kann, der ori­gi­när ist, also nicht auf den ge­dan­ken an­de­rer men­schen auf­baut, wer­de ich über­le­gen ob ich mein ur­teil über ihn (näm­lich dass er ein zur bi­got­te­rie und se­lek­ti­ven wahr­neh­mung nei­gen­der frust­beu­tel ist) re­vi­die­re.

me­di­en, jour­na­lis­mus, selbst li­te­ra­tur, sind per de­fi­ni­ti­on pa­ra­si­tär. egal ob alt oder neu. jour­na­lis­ten und li­te­ra­ten zeh­ren von der ge­sel­schaft und ih­ren men­schen, wie mü­cken von blut zeh­ren. und das ist auch ganz gut so, denn wenn jour­na­lis­ten oder ar­min thurn­her sich al­les aus den ei­ge­nen fin­gern saug­ten was sie schrei­ben, wäre das auch ir­gend­wie öde.