geheimes budget in danger (aktualisiert)

felix schwenzel

ges­tern kün­dig­te „in­no­cence in dan­ger“ an, ge­gen den ver­lag der ber­li­ner zei­tung „pres­se­recht­lich“ vor­zu­ge­hen und „straf­an­zei­ge“ ge­gen „den jour­na­lis­ten“ und die ver­ant­wort­li­chen re­dak­teu­re die­ses ar­ti­kels zu er­stat­ten (pdf-da­tei der pres­se­mit­tei­lung auf in­no­cence­ind­an­ger.de). selt­sam al­ler­dings: »Die be­trof­fe­nen Jour­na­lis­ten ha­ben die Pres­se­mit­tei­lung zur Kennt­nis ge­nom­men, Schrei­ben von "In­no­cence in Dan­ger" lie­gen ih­nen je­doch nicht vor.«

„der jour­na­list“, von dem „in­no­cence in dan­ger“ ei­gen­ar­ti­ger­wei­se spricht, heisst „Mat­thi­as Thie­me und Kat­ja Ticho­mi­ro­wa“ und be­haup­tet un­ter an­de­rem, dass es sich bei »In­no­cence in Dan­ger um ei­nen ge­mein­nüt­zi­gen Ver­ein han­de­le, "der an das Fi­nanz­amt Ber­lin be­rich­tet und dort sei­ne Zah­len vor­legt"« und auf die­ser grund­la­ge im »ver­gan­ge­nen Jahr für wei­te­re fünf Jah­re die Ge­mein­nüt­zig­keit be­stä­tigt be­kom­men« hat.

„in­no­cence in dan­ger“ möch­te das nun (un­ter an­de­rem) wie folgt rich­tig­stel­len:

Innocence in Danger e.V. ist ein eingetragener Verein, dessen Gemeinnützigkeit zuletzt 2009 vom Finanzamt Berlin geprüft und für weitere fünf Jahre attestiert wurde.

der ar­ti­kel in der ber­li­ner zei­tung ent­hal­te, so „in­no­cence in dan­ger“, »halt­lo­se Vor­wür­fe und ver­leum­de­ri­sche Aus­sa­gen zur an­geb­lich in­trans­pa­ren­ten Mit­tel­ver­wen­dung der Or­ga­ni­sa­ti­on«. so wird in dem ar­ti­kel (un­ter an­de­rem) fol­gen­des ge­fragt:

Doch wohin fließen die vielen Spenden, was wird mit dem Geld gemacht?
Wer Antworten auf diese Fragen sucht, stößt auf die andere Seite der Guttenbergschen Glitzerwelt. Dann herrscht bei den Kinderschützern mit Sitz in Köln plötzlich eisernes Schweigen. Intransparenz statt Eloquenz. Anfragen der Berliner Zeitung bei Innocence in Danger wurden tagelang nicht beantwortet.
Keine Auskunft gibt der Verein etwa zu Fragen nach der Höhe der Spendeneinnahmen, der Zahl der Mitarbeiter, der Mittelverwendung und den Verwaltungskosten.

„in­no­cence in dan­ger“ stellt dazu klar:

Die Geschäftszahlen werden jährlich ordnungsgemäß vorgelegt. Auf der Website stellt der Verein zudem sämtliche Presseveröffentlichungen und die Jahresberichte zur Verfügung.

tat­säch­lich fin­den sich auf der web­site jah­res­be­rich­te, zum bei­spiel der des jah­res 2009. dar­in wird das wort „euro“ al­ler­dings nicht ein ei­zi­ges mal er­wähnt. nir­gend­wo sind zah­len zur höhe der spen­den­ei­nah­men oder der mit­tel­ver­wen­dung oder den ver­wal­tungs­kos­ten zu fin­den.

„in­no­cence in dan­ger“ wei­ter:

Interessierte haben somit die Möglichkeit sich über die Projekte und das intensive Engagement von Innocence in Danger umfassend zu informieren.

das ist rich­tig. auf der web­site sind „pro­jek­te“ auf­ge­lis­tet. das pro­jekt „peer2peer-auf­klä­rung“ stellt der ver­ein mit 750 wor­ten „um­fas­send“ vor. si­cher­lich kei­ne schlech­te idee, ju­gend­li­che an­de­re ju­gend­li­che auf­klä­ren zu las­sen, auch wenn die wort­wahl ir­gend­wie holp­rig er­scheint:

In Schulen, Vereinen und Freizeiteinrichtungen werden Jugendliche ihre sogenannten Peers (also andere Jugendliche) über Schutz vor sexualisierten Übergriffen durch die neuen Medien aufklären.

was auch im­mer „se­xua­li­ser­te über­grif­fe durch neue me­di­en“ sind, es steht si­cher­lich im „flä­chen­de­cken­den Kon­zept“ das „in­no­cence in dan­ger“ „in Ko­ope­ra­ti­on mit Ex­per­tin­nen und Ex­per­ten von Ei­gen­sinn e.V., IJAB, der Thea­ter­päd­ago­gi­schen Werk­statt Os­na­brück, den Ber­li­ner Jungs e.V. und  ju­genschutz.net“ ent­wi­ckelt hat. nur ist die­ses kon­zept al­les an­de­re als „um­fas­send“ do­ku­men­tiert. über die kos­ten oder wie die mit­tel ge­nau ver­wen­det wer­den sol­len steht da zu­min­dest nichts.

da­für kann man sich ein bild ma­chen, mit wel­cher kru­den lo­gik „in­no­cence in dan­ger“ mit­un­ter ar­gu­men­tiert. der ver­ein hat sich ja, wir er­in­nern uns, dem schutz von kin­dern und ju­gend­li­chen durch „se­xua­li­sier­te Über­grif­fe durch die neu­en Me­di­en“ ver­schrie­ben. der fo­kus liegt auf den neu­en me­di­en, also dem schutz der kin­der vor den ge­fah­ren des in­ter­nets.

„in­no­cence in dan­ger“ schreibt:

Die große Mehrheit will glauben, sexuelle Gewalt an Kindern findet immer nur woanders statt doch leider sieht die Realität anders aus: 80–90% aller Fälle finden im sozialen Umfeld des Kindes statt. Wir müssen begreifen, dass für Kinder und Jugendliche der Chatroom oder das soziale Netzwerk längst zu ihrem sozialen Umfeld gehört. Hier haben Täter und Täterinnen direkten Zugriff auf das Kind.

da gibt es also stu­di­en die be­le­gen, dass 80-90% al­ler miss­brauchs­fäl­le im so­zia­len um­feld von kin­dern und ju­gend­li­chen statt­fin­den. also im ver­wand­ten-, be­kann­ten- und freun­des­kreis. um den fahrt­wind die­ser stu­di­en mit­zu­neh­men, voll­zieht „in­no­cence in dan­ger“ eine wil­de lo­gi­sche vol­te und neu­in­ter­pre­ta­ti­on: das in­ter­net ge­hört für vie­le kin­der und ju­gend­li­che zu ih­rem so­zia­len um­feld — zack da­mit ist be­legt das sich irre vie­le (man hört die zahl 80-90% noch nach­hal­len) miss­brauchs­fäl­le im in­ter­net, in den neu­en me­di­en ab­spie­len. die chuz­pe, so zu ar­gu­men­tie­ren muss man erst­mal ha­ben. die zie­le des ver­eins mö­gen eh­ren­wert sein, kei­ne fra­ge dass im in­ter­net ge­fah­ren für kin­der und ju­gend­li­che lau­ern — aber die art wie hier ar­gu­men­tiert, auf­ge­bauscht und agiert wird, scheint doch zu­min­dest an­satz­wei­se frag­wür­dig zu sein.

das ist auch ei­ner der kri­tik­punk­te im ar­ti­kel der ber­li­ner zei­tung:

"Dieser Verein lenkt von den wichtigen Problemen ab", kritisiert Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds. "Ich wüsste nicht, dass die eine einzige Beratungsstelle oder ein Kinderhaus hätten." Stattdessen kapriziere sich Innocence in Danger allein auf Missbrauch im Internet. "Das sind sehr wenige Fälle im Jahr", sagt Hilgers.

die pres­se­mitt­tei­lung von „in­no­cence in dan­ger“ von ges­tern stammt üb­ri­gens aus der fe­der von si­mo­ne stein die in bonn eine agen­tur für kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­ra­tung führt und in ei­ner (un­da­tier­ten) pres­se­mit­tei­lung (die me­ta­da­ten der pdf-da­tei sa­gen, dass die PM vom 10.09.2010 ist) stolz vom „neu­en etat­ge­winn“ be­rich­tet (ge­meint ist der etat für kom­mu­ni­ka­ti­ons­ar­beit für „in­no­cence in dan­ger“):

Die Kommunikationsarbeit für diesen Partner leisten zu dürfen, ist für Bonne Nouvelle eine lohnenswerte und spannende Herausforderung.

da „in­no­cence in dan­ger“ laut der pres­se­mit­tei­lung von ges­tern sehr spar­sam mit den spen­den­gel­dern um­geht („ver­zich­tet be­wusst auf die kos­ten­pflich­ti­ge Be­an­tra­gung des DZI-Spen­den­sie­gels und lässt statt­des­sen die so ein­ge­spar­ten Mit­tel Pro­jek­ten für Kin­der und Ju­gend­li­che di­rekt zu­gu­te kom­men“) bleibt nur zu hof­fen, dass bon­ne nou­vel­le die kom­mu­ni­ka­ti­ons­ar­beit eh­ren­amt­lich leis­tet, da­mit die ein­ge­spar­ten mit­tel pro­jek­ten für kin­der und ju­gend­li­che di­rekt zu­gu­te kommt.

am ende der PM von ges­tern schreibt si­mo­ne stein:

Der Verein […] verzichtet bewusst auf die kostenpflichtige Beantragung des DZI-Spendensiegels und lässt stattdessen die so eingesparten Mittel Projekten für Kinder und Jugendliche direkt zugute kommen. Mit dieser Entscheidung reiht sich Innocence in Danger e.V. in die Liste vieler anderer NGOs ohne DZI-Spendensiegel ein, wie z. B. Greenpeace, Ein Herz für Kinder und Deutsche Krebshilfe.

im ge­gen­teil zu „in­no­cence in dan­ger“ stellt aber bei­spiels­wei­se green­peace je­des jahr ei­nen ge­nau­en und um­fang­rei­chen re­chen­schafts­be­richt über das spen­den­auf­kom­men und die aus­ga­ben auf (pdf-da­tei jah­res­rück­blick 2009). die deut­sche krebs­hil­fe ver­öf­fent­licht eben­so ge­naue zah­len zur mit­tel­her­kunft und mit­tel­ver­wen­dung (pdf-da­tei ge­schäfts­be­richt 2009).

mal im erst: was ist so schlimm dar­an, statt nur dem fi­nanz­amt und ei­ni­gen gross­spen­dern, al­len sei­nen spen­dern und un­ter­stüt­zern re­chen­schaft ab­zu­le­gen?


[nach­trag 01.12.2010, 8:55h]
bet­ti­na win­se­mann fragt sich auf te­le­po­lis auch war­um spen­der nicht er­fah­ren soll­ten wie ihr geld ver­wandt wird.


[nach­trag 01.12.2010, 21:40]
die faz spricht von ei­ner „kamp­ga­ne“ der frank­fur­ter rund­schau und schreibt:

Der Verein „Innocence in Danger“ hat sich nicht geweigert, seine Zahlen zu veröffentlichen. Er hat das Interesse, dass über ihn hereingebrochen ist, einfach unterschätzt und das Ultimatum eines Journalisten nicht eingehalten. „Wir sind noch ein relativ kleiner Verein mit 2,5 Hauptamtlichen, einigen Ehrenamtlichen und Honorarkräften“, sagt Stephanie zu Guttenberg. „Wir beantworten alle Anfragen. Weil unsere Bücher von einem Steuerberatungsbüro geführt werden, dauert das manchmal länger als einen Tag. Wegen des großen Interesses am Verein werden wir demnächst die Finanzdaten 2010 und 2009 veröffentlichen“.

die faz nennt auch die sum­me der bis­he­ri­gen ein­nah­men von in­no­cence in dan­ger (2009 270173 euro). ob si­mo­ne stein die pres­se­ar­beit eh­ren­amt­lich macht oder nicht, habe ich bis­her, knapp 24 stun­den nach mei­ner an­fra­ge (per email) noch nicht be­ant­wor­tet be­kom­men, aber da laut ste­pha­nie zu gut­ten­berg alle an­fra­gen be­ant­wor­tet wer­den, kommt be­stimmt ir­gend­wann mal eine ant­wort. aus­ser­dem prü­fe der steu­er­be­ra­ter von „in­no­cence in dan­ger“ jetzt, „ob sich die Kos­ten für das [DZI-] Sie­gel loh­nen“. soll­te „in­no­cence in dan­ger“ für die pres­se- und pr-ar­beit zah­len, loh­nen sich die­se aus­ga­ben ganz si­cher. die pres­se­ar­beit ge­gen­über der faz war zu­min­dest al­ler­ers­te sah­ne. wo­bei na­tür­lich ei­ni­ge fra­gen of­fen blei­ben. war­um war in der pres­se­mit­tei­lung vom 29.11 nicht da­von die rede, dass man die fi­nanz­da­ten für 2009 und 2010 ver­öf­fent­li­chen möch­te und über­legt sich doch um das DZI-sie­gel zu be­wer­ben?

(faz-link via dana in den kom­men­ta­ren)


[nach­trag 02.12.2010, 08:40]

mög­li­cher­wei­se, so legt es zu­min­dest der text in der faz nahe, be­zieht sich in­no­cence in dan­ger in der pres­se­mit­tei­lung vom 29.11 nicht auf die­sen (von mir oben ver­link­ten) ar­ti­kel vom 28.11 in der ber­li­ner zei­tung, son­dern auf die­sen ar­ti­kel vom 29.11 in der frank­fur­ter rund­schau. bei­de sind im glei­chen ver­lag er­schie­nen (du­mont) und von den glei­chen au­toren (oder wie in­no­cence in dan­ger sagt „dem jour­na­lis­ten“) mat­thi­as thie­me und kat­ja ticho­mi­ro­wa ge­schrie­ben.

in der tat ist der ar­ti­kel in der frank­fur­ter rund­schau et­was mehr auf kra­wall ge­bürs­tet als der in der ber­li­ner zei­tung, da „in­no­cence in dan­ger“ aber sagt, dass der DZI-ge­schäfts­füh­rer burk­hard wil­ke sich mitt­ler­wei­le „vom Kon­text in den sei­ne Aus­sa­gen“ ge­stellt wur­den di­stan­zie­re, muss es sich doch um den text in der ber­li­ner zei­tung han­deln, da wil­ke im text in der frank­fur­ter rund­schau nicht er­wähnt wird.

mitt­ler­wei­le habe ich das ge­fühl, dass al­ler­hand ne­bel­ker­zen ge­zün­det wur­den und wer­den und die pres­se­ar­beit von in­no­cence in dan­ger sich lang­sam warm­ge­lau­fen hat.


[nach­trag 02.12.2010, 11:30]

auch die sued­deut­sche.de schrieb am 1.12, dass in­no­cence in dan­ger nicht be­reit ge­we­sen sei aus­kunft über ein­nah­men und aus­ga­ben zu ge­ben:

Der als gemeinnützig anerkannte Verein war erstaunlicherweise nicht zu einer Auskunft bereit. Auch auf Anfrage von sueddeutsche.de wollte eine Sprecherin nicht einmal grob die Einnahme- und Ausgabenstruktur des Vereins erläutern.

und auch mat­thi­as thie­me leg­te ges­tern noch­mal in der frank­fur­ter rund­schau nach:

Stephanie zu Guttenbergs Vereingegen Kindesmissbrauch im Internet, „Innocence in Danger“, hat der FR am Mittwoch keine Antwort auf Fragen zur Höhe der eingenommenen Spenden und zur konkreten Verwendung der Mittel gegeben. Als Reaktion auf wachsende Kritik äußerte sich Guttenberg allerdings gegenüber der Nachrichtenagentur dapd und der FAZ und kündigte mehr Transparenz an. Sie sagte, offensichtlich sei der Bedarf an Offenlegung von Zahlen so groß, dass dem künftig nachgekommen werde.

(via alt­pa­pier)


[nach­trag 03.12.2010, 10:02]

(via law­blog.de) t. denk­ler in der süd­deut­schen:

Erst versucht Stephanie zu Guttenberg kritische Journalisten mit Anzeigen einzuschüchtern. Jetzt verspricht sie mehr Transparenz in der deutschen Sektion von "Innocence in Danger", der die Ministergattin als Präsidentin vorsteht.

jörg-olaf schä­fers fasst auf netz­po­li­tik noch­mal die dis­kus­si­on (die­sen ar­ti­kel hier al­ler­dings igno­rie­rend) zu­sam­men und blickt linkt auch zu­rück, zum bei­spiel auf die­sen ar­ti­kel von ste­fan nig­ge­mei­er.


[nach­trag 06.12.2010, 16:20]

cha­ri­ty­watch.de ist der mei­nung, dass in­no­cence in dan­ger „un­schul­dig der in­trans­pa­renz an­ge­klagt“ sei:

Seit einigen Tagen wird kritisch über den Verein Innocence in Danger mit Freifrau Stephanie zu Guttenberg als Präsidentin berichtet. Hauptvorwurf: Intransparenz. Das merkwürdige daran: CharityWatch.de wurde schon Mitte Oktober zugesagt, die Finanzzahlen nach Fertigstellung zur Verfügung zu stellen. Zwischenzeitlich liegen die Einnahmen und Ausgaben vor und bestätigen eine gute Arbeit des Vereins, der sich für die Bekämpfung von Kindesmissbrauch einsetzt.

CW-Meinung. Die Vereine Innocence in Danger und sein Kooperationspartner N.I.N.A. zeigen sich sehr transparent. Öffentlich geäußerte Kritik, die das Gegenteil unterstellt, kann von CharityWatch.de nicht nachvollzogen werden. Im Gegenteil: Die Verwendung der Gelder ist nachvollziehbar und vernünftig, weshalb Spenden problemlos empfohlen werden können.