ist mein telefon loyal?

felix schwenzel

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auf dem weg nach­hau­se habe ich heu­te kurz dar­über nach­ge­dacht, war­um smart­phones smart sein sol­len. zu klug­heit ge­hört ja erst­mal wis­sen. mein smart­phone weiss ei­ni­ges über mich: alle mei­ne adres­sen, mei­ne ter­mi­ne, mei­nen auf­ent­halts­ort, mit wem ich te­le­fo­nie­re und schrei­be. na­tür­lich weiss mein te­le­fon das al­les nicht, son­dern es spei­chert die­se da­ten erst­mal nur. der pro­zess die­se in­for­ma­tio­nen zu ech­tem wis­sen um­wan­deln, steckt noch ziem­lich am an­fang. soft­ware- und te­le­fon­her­stel­ler ver­su­chen durch die ver­knüp­fung der da­ten die über mich vor­lie­gen mit an­de­ren da­ten­quel­len und da­hin­pro­gram­mier­ter lo­gik, in­tel­li­genz zu si­mu­lie­ren. so stellt goog­le now mut­mas­sun­gen dar­über an, wo ich hin möch­te oder was ich su­chen könn­te. ich kann mitt­ler­wei­le mei­nem te­le­fon auch ein­fach sa­gen, es sol­le mei­ne frau an­ru­fen oder mich nach hau­se di­ri­gie­ren.

so­weit ist das al­les na­tür­lich nichts neu­es. mir fiel aber auf, dass das pro­blem mit der da­ten­sam­mel­wut, also das sam­meln von in­for­ma­tio­nen über eine per­son, ei­gent­lich gar nicht so neu ist. im prin­zip gibt es die­se si­tua­ti­on schon vie­le hun­dert jah­re. ein but­ler muss zum bei­spiel, wenn er ein gu­ter but­ler sein will, so viel wie mög­lich über sei­nen chef wis­sen. vor al­lem soll­te er so viel pri­va­tes wie mög­lich wis­sen. auch ein gu­ter but­ler (oder as­sis­tent) soll­te mei­ne kon­tak­te, kor­re­spon­denz-me­ta­da­ten und ter­mi­ne ken­nen, je­der­zeit mei­nen auf­ent­halts­ort so ge­nau wie mög­lich be­stim­men kön­nen und so viel wie mög­lich über mei­ne vor­lie­ben und ab­nei­gun­gen wis­sen. die­se da­ten soll­te sich ein but­ler auch gut mer­ken kön­nen, da­mit ihm das al­les nicht je­den mor­gen neu er­klärt wer­den muss.

ein gu­ter but­ler geht also, von be­rufs we­gen, ei­ner ma­ni­schen da­ten­sam­mel­wut nach. aus­ser­dem bü­gelt und fal­tet er, wie ein gu­tes smart­phone, je­den mor­gen die zei­tung. die pro­ble­me, die wir heu­te (un­ter an­de­rem) mit smart­phones ha­ben sind also kei­nes­wegs neu. zum bei­spiel die fra­ge, wel­che da­ten sam­melt das ding über mich? ist mein smart­phone loy­al und ver­schwie­gen, bzw. schützt es die da­ten die es über mich sam­melt, oder tratscht es die bei je­der ge­le­gen­heit aus? die­se fra­gen ha­ben sich in den letz­ten jahr­hun­der­ten si­cher­lich auch schon un­zäh­li­ge ade­li­ge oder pri­vi­le­gier­te ge­stellt. und wir jetzt eben auch.

viel­leicht wäre das gar kei­ne schlech­te idee, die eine oder an­de­re ge­pflo­gen­heit oder tabu das sich im ver­hält­nis von pri­vi­le­gier­ten und ih­ren die­nern oder as­sis­ten­ten in den jahr­hun­der­ten her­aus­ge­bil­det hat, auch auf tech­nik an­zu­wen­den. viel­leicht soll­ten wir von ge­rä­ten, die uns die­nen oder das le­ben leich­ter ma­chen sol­len, nicht nur rei­bungs­lo­ses funk­tio­nie­ren und ein­fa­che be­dien­bar­keit er­war­ten, son­dern eben auch ver­schwie­gen­heit, dis­kre­ti­on und loya­li­tät?

wenn wir über die tech­nik, die wir der­zeit nut­zen, sei es in form von trag­ba­ren ge­rä­ten oder diens­ten, die auf ge­rä­ten drit­ter lau­fen und die uns über das netz ver­bun­den hel­fen un­ser le­ben zu or­ga­ni­sie­ren, in den ka­te­go­rien von loya­li­tät und auf­rich­tig­keit nach­den­ken, kom­men wir viel­elicht zu ganz neu­en schluss­fol­ge­run­gen oder nar­ra­ti­ven?

dann sind nach­läss­lich­kei­ten oder ko­ope­ra­tio­nen von gros­sen und klei­nen dienst­leis­tern mit po­li­zei und ge­heim­diens­ten viel­leicht eben kein abs­trak­ten da­ten­schutz­lü­cken mehr, son­dern em­pö­ren­de fäl­le von il­loya­li­tät und ver­trau­ens­brü­che.

an­de­rer­seits ist loya­li­tät auch ein teu­res gut. ein but­ler kos­tet in deutsch­land etwa €6000 im mo­nat. da nimmt man viel­leicht auch mal ei­nen für €60 im mo­nat, der sei­nen job ei­ni­ger­mas­sen er­füllt, aber da­für stän­dig nach hau­se te­le­fo­niert. aber muss loya­li­tät wirk­lich teu­er sein oder nur für pri­vi­le­gier­te er­reich­bar sein?



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