„das wird man doch wohl noch abmahnen dürfen?“

felix schwenzel

jan böh­mer­mann hat vor ein paar ta­gen auf face­book auf­ge­schrie­ben dass er und ein be­kann­ter von ihm von ei­nem fo­to­gra­fen ab­ge­mahnt wur­den, weil sie eins sei­ner bil­der auf twit­ter ver­wen­det hä­ten.

als ich den ar­ti­kel auf face­book vor ein paar ta­gen las, fand ich ihn ziem­lich dif­fe­ren­ziert und aus­ge­wo­gen. aus­ge­wo­gen in­so­fern, als sich böh­mer­mann ganz of­fen­sicht­lich über sei­ne ei­ge­ne blöd­heit, die ab­mah­nun­gen und die ge­set­zes­la­ge glei­cher­mas­sen är­ger­te. wenn man den ar­ti­kel sorg­fäl­tig liest, merkt man al­ler­dings auch, dass böh­mer­mann kei­ne ah­nung vom ur­he­ber­recht hat, aber ich möch­te mal be­haup­ten das geht un­ge­fähr je­dem so, der noch nicht we­gen ei­ner ur­he­ber­rechts­ver­let­zung ab­ge­mahnt wur­de. den ar­ti­kel kann man ent­we­der auf face­book le­sen oder nicht, ich kenn mich mit die­sen pri­vat­s­hä­ren­ein­stel­lun­gen von face­book nicht aus.

ein paar tage spä­ter hat jan böh­mer­mann das bild, für das er und sein be­kann­ter ab­ge­mahnt wur­den, mit sei­nem si­de­kick wil­liam cohn nach­ge­stellt:

ich fand und fin­de das sehr wit­zig. ich fin­de aber auch sonst fast al­les was jan böh­mer­mann macht wit­zig.

nicht wit­zig fand das der fo­to­graf, der die ab­mah­nung ge­gen böh­mer­mann ver­an­lasst hat. dan­kens­wer­ter­wei­se hat se­bas­ti­an bau­mer ihm die ge­le­gen­heit ge­ge­ben, sich dazu öf­fent­lich zu äus­sern. ich fin­de es gut, auch mal die an­de­re sei­te der ge­schich­te zu hö­ren, bzw. war ge­spannt, was der mann zu sa­gen hat­te.

mee­dia fasst das was der fo­to­graf zu sa­gen hat­te so zu­sam­men:

Mar­tin Lan­ger ist ge­kränkt, er emp­fin­det das Ver­hal­ten des Mo­de­ra­tors als ruf­schä­di­gend. „Wes­halb wer­de ich als Tä­ter dar­ge­stellt, wenn ich mich an gel­ten­de Ge­set­ze hal­te?“

ab­ge­se­hen da­von, dass der fo­to­graf eine der in­ter­es­san­te­ren fra­gen von böh­mer­mann gar nicht ein­geht, näm­lich, wie es zum bei­spiel sein kann, dass sein be­kann­ter, der auf twit­ter pri­vat und mit we­ni­ger als 200 fol­lo­wern un­ter­wegs ist, für die glei­che ur­he­ber­rechts­ver­let­zung mit dem glei­chen streit­wert ab­ge­mahnt wur­de, also ab­ge­se­hen da­von, fin­de ich die stel­lung­nah­me des fo­to­gra­fen we­nig hilf­reich und auch ein biss­chen un­lo­gisch.

der fo­to­graf schreibt un­ter an­de­rem, dass böh­mer­mann sein „Foto über den Ka­nal Twit­ter ver­brei­tet“ habe und da­für eine ab­mah­nung be­kom­men habe, „da die Nut­zung we­der ab­ge­spro­chen noch li­zen­ziert war“. so weit so gut. böh­mer­mann hat die­sen sach­ver­halt auf twit­ter et­was zu­ge­spitzt so zu­sam­men­ge­fasst:

Wer das Ros­tock-Lich­ten­ha­gen Foto mit Hit­ler­gruß und zu­ge­piss­ter Jog­ging­ho­se twit­tert, wird vom Fo­to­gra­fen Mar­tin Lan­ger ab­ge­mahnt! 1000 €!

die­sen tweet von böh­mer­mann ver­linkt der fo­to­graf mit den wor­ten:

Aber die Per­son hat sich of­fen­bar so dar­über ge­är­gert, beim Bil­der­klau er­tappt wor­den zu sein, dass sie mich nun öf­fent­lich da­für an­pran­gert und zwar auf ver­schie­de­nen So­cial-Me­dia-Ka­nä­len.

was an dem hin­weis, dass der fo­to­graf sei­ne rech­te per ab­mah­nung ver­tei­digt, an­pran­gernd sein soll, ver­ste­he ich nicht. böh­mer­mann be­schreibt aus mei­ner sicht ex­akt das, was der fo­to­graf auch ge­gen­über mee­dia sagt:

Auch Pri­vat­per­so­nen dür­fen das Bild nicht ein­fach so öf­fent­lich pos­ten. Das ist doch im Ur­he­ber­rechts­ge­setz sehr an­schau­lich ge­re­gelt. Dar­an hal­te ich mich.

und böh­mer­mann weist ge­nau dar­auf hin.


ei­gen­ar­tig fin­de ich auch den wie­der­hol­ten hin­weis des fo­to­gra­fen, dass er sich im rah­men des ge­set­zes be­we­ge und gar nicht ver­ste­he, war­um sich da je­mand drü­ber auf­regt oder är­gert. ich fin­de das dop­pelt er­staun­lich, weil der fo­to­graf un­ter an­de­rem sehr tol­le (kei­ne iro­nie) fo­tos für green­peace ge­macht hat. green­peace be­schäf­tigt qua sat­zung da­mit, kon­zer­ne oder or­ga­ni­sa­tio­nen „an­zu­pran­gern“ die in der re­gel nichts an­de­res ma­chen, als sich an ge­set­ze zu hal­ten. bei­spiels­wei­se hielt sich shell vor ei­ni­gen jah­ren mit der ge­plan­ten ver­sen­kung der brent spar auch an alle gel­ten­den ge­set­ze. so wie der fo­to­graf jetzt sagt: „ich habe nichts falsch ge­macht“, hat auch shell (an­fangs) ar­gu­men­tiert: die ver­sen­kung der öl­platt­form ent­spre­che gel­ten­dem recht, wur­de jah­re­lang auf al­ter­na­ti­ven ge­prüft und war von den bri­ti­schen be­hör­den ge­neh­migt.

ob­wohl shell nichts falsch ge­macht hat­te, war green­peace an­de­rer mei­nung als shell und stell­te den kon­zern „an den pran­ger“. wie sich spä­ter her­aus­stell­te teil­wei­se auch mit fal­schen zah­len. na­tür­lich ist die­ser ver­gleich über­zo­gen und hinkt, aber was ich sa­gen will: wer sein recht in der öf­fent­lich­keit durch­setzt, kann dar­an nicht die er­war­tung von po­si­ti­ver öf­fent­li­cher wahr­neh­mung knüp­fen, schon gar nicht, wenn man sich mit ei­nem witz­bold (oder mit um­welt­schüt­zern, blog­gern oder que­ru­lan­ten) an­legt. das mit der po­si­ti­ven öf­fent­li­chen wahr­neh­mung kann man al­ler­dings durch ge­schick­te kom­mu­ni­ka­ti­on hin­be­kom­men — das ist aber (lei­der) ganz of­fen­sicht­lich eine gros­se schwä­che des fo­to­gra­fen, der jan böh­mer­mann von sei­nem pro­fes­sio­nel­len „rechts­bei­stand“ hat ab­ge­mah­nen las­sen, aber auf ei­nen pro­fes­sio­nel­len kom­mu­ni­ka­ti­ons­bei­stand ver­zich­tet.


mit dem pos­ten des fo­tos von böh­mer­mann und cohn be­ge­he ich üb­ri­gens auch eine ur­he­ber­rechts­ver­let­zung. auch das pos­ten von screen­shots aus ei­ner fern­seh­se­rie dürf­te in deutsch­land nicht ganz un­pro­ble­ma­tisch sein, trotz­dem habe ich es vor­ges­tern ge­tan. auch der be­trieb mei­nes re­cla­im-blogs, dass mei­ne pos­tings und favs und shares und links aus so­zia­len netz­wer­ken zu­rück auf mei­nen ser­ver agg­re­giert, dürf­te ur­he­ber­recht­lich hoch­pro­ble­ma­tisch sein. was ich sa­gen will: egal ob voll­pro­fi, als frei­er mit­ar­bei­ter beim ZDF oder RBB, als hob­by-blog­ger mit kom­mer­zi­el­len ein­spreg­se­ln: in ur­he­ber­recht­li­che fal­len tap­pen wir alle, im­mer wie­der. wenn man ein­fach sagt, der böh­mer­mann ist zu blöd und soll­te als pro­fi al­les übers ur­he­be­recht wis­sen, macht man es sich zu ein­fach, ge­nau­so wie man es sich zu ein­fach macht, ei­nen fo­to­gra­fen, der auf sei­nen rech­ten be­steht, öf­fent­lich als geld­gei­len doo­fi dar­zu­stel­len. es ist kom­pli­zier­ter — aber teil­wei­se auch wirk­lich zu kom­pli­ziert.



[nach­trag 30.01.2015, 12 uhr]
jan böh­mer­mann hat auf face­book die de­bat­te für be­en­det er­klärt (hat er nicht, das ist ein (aus­ge­lie­he­nes) po­falla-wort­spielzi­tat):

Na­tür­lich bin ich da­für, dass alle Ur­he­ber für Ihre Wer­ke an­ge­mes­sen be­zahlt wer­den. Und na­tür­lich fin­de ich es falsch, wenn Rech­te von Ur­he­bern ver­letzt wer­den.
Ich emp­fin­de es aber als un­ver­hält­nis­mä­ßig, dass so­wohl ich mit 159.000 Fol­lo­wern als auch mein Kol­le­ge mit 100 Fol­lo­wern für das Pos­ten ei­nes Fo­tos bei Twit­ter ohne jeg­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on di­rekt mit 1000 Euro ab­ge­mahnt wer­den. Dar­um geht es mir.
Dass ich den Na­men des ab­mah­nen­den Fo­to­gra­fen bei Twit­ter ver­öf­fent­licht habe, war al­ler­dings eben­so un­ver­hält­nis­mä­ßig. Das bringt die De­bat­te nicht wei­ter und war wirk­lich nicht sehr schlau. Sor­ry for that!