the age of trotzdem

felix schwenzel in gesehen

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sa­scha lobo nahm sich die­ses jahr die frei­heit, sei­ne grund­satz­re­den-the­men nicht auf der re­pu­bli­ca-sei­te an­zu­kün­di­gen, son­dern in di­ver­sen in­ter­views. ich hab zwar nur das wired-in­ter­view dazu ge­fun­den, aber es gibt be­stimmt noch an­de­re. in der wired kün­dig­te er an, die­ses jahr auf die pu­bli­kums­be­schimp­fung zu ver­zich­ten, was er im vor­trag aber schnell als lüge be­zeich­ne­te. na­tür­lich be­schimpf­te er sein pu­bli­kum, und sich selbst gleich mit. er ver­such­te die­ses jahr die ihr-und-ich-dua­li­tät auf­zu­lö­sen, die sich the­ma­tisch durch sei­ne vor­trä­ge der letz­ten jah­ren zog, als er be­ton­te, dass die vor­wür­fe die er „uns“ in den letz­ten jah­ren mach­te, ei­gent­lich pro­jek­tio­nen sei­ner ei­ge­nen un­zu­läng­lich­kei­ten ge­we­sen sei­en.

an­de­rer­seits funk­tio­nie­ren die meis­ten sei­ner gags eben nur mit ei­ner kla­ren tren­nung des lobo-ichs und des pu­bli­kum-ihrs, wes­halb der vor­satz der selbst­be­schimp­fung im lau­fe der vier­stün­di­gen pre­digt der an­der­talb­stün­di­gen grund­satz­re­de (na­tür­lich) ver­san­de­te. rhe­to­risch war das al­les ziem­lich bril­li­ant und ge­schlif­fen und ich mag den leicht pas­to­ra­len ton, den sacha lobo auf sei­nen re­pu­bli­ca-re­den an­schlägt. mir ge­fällt es auch von sa­scha lobo be­schimpft zu wer­den, ei­ner­seits weil er meist recht hat und an­de­rer­seits, weil das (eben) rhe­to­risch meist bril­li­ant ist und sei­ne ana­ly­sen (na­tür­lich) das er­geb­nis lan­gen nach­den­kens sind und (lei­der) meist auf den punkt sind. trotz­dem nei­ge ich tra­di­ti­ons­ge­mäss dazu, ihm in sei­nen schluss­fol­ge­run­gen zu wi­der­spre­chen, weil ich im ge­gen­teil zu ihm, nie be­reit war mei­nen in­ter­net­op­ti­mis­mus (oder ge­nau­er, welt­op­ti­mis­mus) auf­zu­ge­ben.

das woll­te er, mit an­kün­di­gung, in die­sem jahr än­dern, und sei­nen (un­se­ren?) in­ter­net­op­ti­mis­mus wie­der­fin­den. lei­der ge­lang ihm das nur so halb, mit dem hal­bi­ro­ni­schen schlag­wort TROTZ­DEM. ganz schlimm ge­schei­tert ist sein ver­such „uns“, das pu­bli­kum beim TROTZ­DE­Men mit­ein­zu­be­zie­hen, auch wenn es zu min­des­tens ei­ner gu­ten über­lei­tung zum the­ma mü­dig­keit führ­te. als rhe­to­ri­sches werk­zeug war das „TROTZ­DEM“ ziem­lich gut ge­eig­net, wenn sa­scha lobo es al­lei­ne von der büh­ne rief, als kol­lek­ti­ver auf­schrei, als pu­bli­kums- oder ge­mein­de­echo, gings in die hose.

was mir in die­sem jahr mehr als sonst auf­fiel, war das re­cy­cling von vor­han­de­nem ma­te­ri­al. ne­ben et­li­chen the­men aus sei­nen spie­gel-on­line-ko­lum­nen, kam mir auch sein aus­flug zum the­ma snap cash be­kannt vor, den pia klei­ne wie­sen­kamp vor ein paar wo­chen von ei­ner ora­cle-ver­an­stal­tung ins in­ter­net ge­strömt hat­te. die­se wie­der­ver­wen­dung ist na­tür­lich mehr als le­gi­tim, zu­mal das ma­te­ri­al von lobo fast aus­nahms­los bril­li­ant ist (kei­ne iro­nie). al­lein für sei­nen hin­weis dar­auf, dass fast alle iden­ti­fi­zier­ten is­la­mis­ti­schen at­ten­tä­ter be­reits po­li­zei­be­kannt wa­ren oder auf an­ti­ter­ror­lis­ten stan­den, ver­dient sa­scha lobo ei­nen jour­na­lis­ten­preis (oder min­des­tens ei­nen ko­lum­nis­ten­preis). was mir aber, trotz al­ler mü­hen, die sich sa­scha lobo ganz of­fen­sicht­lich ge­macht hat, fehl­te, war eine in­halt­li­che klam­mer, die aus all den schreck­li­chen er­kennt­nis­sen und hi­obs­ana­ly­sen, die er über die jah­re bril­li­ant her­aus­ar­bei­tet, tat­säch­li­chen op­ti­mis­mus oder lö­sungs­an­sät­ze auf­zeigt.

aber da ist sa­scha lobo wie­der bei uns oder bei sei­nem „ihr“, und ge­nau­so su­chend und rat­los wie alle an­de­ren.

na­tür­lich ist sein lö­sungs­an­satz, et­was zu un­ter­neh­men, wirt­schaft­lich er­folg­reich et­was gu­tes, hilf­rei­ches, welt­ver­bes­se­rern­des zu ma­chen, ein prag­ma­ti­scher, gang­ba­rer weg (von vie­len), aber an­de­rer­seits hat er das (leicht va­ri­iert) be­reits vor zwei und vor drei und wahr­schein­lich auch vor vier jah­ren ge­for­dert. das macht nichts von dem was er sagt falsch, aber es macht deut­lich, dass sa­scha lobo’s weg zum op­ti­mis­ten noch sehr weit ist. sein weg zu je­man­dem, der, trotz all der ver­kom­men­heit und nie­der­tracht sig­mar ga­bri­els der welt, op­ti­mis­mus ver­brei­ten kann, ist noch viel wei­ter.

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an­de­re über sa­scha lo­bos vor­trag:


bild von re:pu­bli­ca/jan zapp­ner CC BY 2.0