einfach ist relativ

felix schwenzel in artikel

>

ein kol­le­ge von mir hat sich vor ei­ner wei­le ei­nen klei­nen mi­kro­con­trol­ler und ein re­lais in die ge­gen­sprech­an­la­ge ein­ge­baut, mit dem er den tür­sum­mer jetzt fern­aus­lö­sen kann. die be­triebs­span­nung für den esp8266 holt er sich aus der ge­gen­sprech­an­la­ge, wan­delt ihn mit ei­nem span­nungs­wand­ler auf ver­träg­li­che 3 volt run­ter. mit dem esp8266 mi­kro­con­trol­ler und dem re­lais, kann er jetzt, über ein paar um­we­ge, den tür­sum­mer der haus­tür mit sei­ner ap­ple watch aus­lö­sen. er nutzt zur haus woh­nungs­steue­rung die FHEM-soft­ware — ich bin ja eher ein freund des home-as­sis­ten­ten — aber bei­de haus­au­to­ma­ti­ons-ser­ver ma­chen im prin­zip das glei­che: ak­to­ren und sen­so­ren ein­bin­den und steu­ern. und weil man die­se haus­au­to­ma­ti­ons-ser­ver re­la­tiv mü­he­los auch über home­bridge zu ho­me­kit über­brü­cken kann (home-as­sistant, FHEM), kann mein kol­le­ge sei­nen tür­sum­mer jetzt auch mit app­les ho­me­kit steu­ern.

ich er­zäh­le das, weil ich auch ge­ra­de sehr viel freu­de dar­an habe un­se­re woh­nung zu au­to­ma­ti­si­se­ren und ich fas­zi­niert bin, wie ein­fach die­se sa­chen dank güns­ti­ger hard­ware und ziem­lich gut ent­wi­ckel­ter soft­ware mitt­ler­wei­le sind. ges­tern fiel mir dann mal wie­der auf, wie re­la­tiv die­ses ein­fach ist. denn ge­nau be­trach­tet ist es na­tür­lich nicht ein­fach ei­nen haus­au­to­ma­ti­ons-ser­ver zu be­trei­ben, zu pfle­gen oder ein­zu­rich­ten, mi­kro­con­trol­ler mit der ar­dui­no IDE zu fla­shen oder sich kon­zep­te zur ein­bin­dung, ver­wen­dung und zum zu­sam­men­bau von ak­to­ren und sen­so­ren zu über­le­gen. es ist, ge­nau be­trach­tet ein elen­des gef­ri­ckel und, ähn­lich wie das bau­en von web­sei­ten, eben so­wohl ein­fach als auch furcht­bar kom­plex. für mich war das kom­ple­xi­tätni­veau für den web­sei­ten­bau ende der neun­zi­ger ge­nau rich­tig, so wie jetzt das ni­veau der heim­au­to­ma­ti­sie­rung. web­sei­ten­bau in den neun­zi­gern war kom­pli­ziert und wur­de im lau­fe der jah­re auch im­mer kom­pli­zier­ter, aber die werk­zeu­ge und die die ma­schi­nen wur­den eben im­mer bes­ser. und man konn­te von an­de­ren ler­nen, weil (mehr oder we­ni­ger) alle quell­tex­te of­fen wa­ren. so wie jetzt bei der heim­au­to­ma­ti­sie­rung: es gibt wun­der­ba­re werk­zeu­ge, le­ben­di­ge ge­mein­schaf­ten, die ihre er­fah­run­gen und ih­ren code tei­len und stän­dig ver­bes­sern.

die an­de­re mög­lich­keit die man der­zeit für die heim­au­to­ma­ti­sie­rung hat, ist viel geld zu be­zah­len. es gibt mitt­ler­wei­le vie­le, ziem­lich aus­ge­reif­te und mäch­ti­ge sys­te­me und platt­for­men, für die man nicht viel mehr ge­schick, als für den an­schluss ei­nes fern­se­hers braucht. der nach­teil die­ser platt­for­men ist ne­ben den an­schaf­fungs­kos­ten, dass man sich an die platt­for­men bin­det und die haus- und woh­nungs­da­ten da­ten meist auf oder über de­ren ser­ver lau­fen. die­se zen­tra­li­sie­rung kann dann auch schnell zu mitt­le­ren ka­ta­stro­phen füh­ren, wenn die in­fra­struk­tur die­ser platt­for­men aus­fällt oder die platt­for­men aus kom­mer­zi­el­len grün­den ein­fach zu ma­chen. jüngst ist das mit den au­to­ma­ti­schen haus­tier­fut­ter­stel­len von pet­net pas­siert. nach­dem die ser­ver von pet­net aus­fie­len, funk­tio­nier­ten auch de­ren ver­kauf­ten, au­to­ma­ti­schen fut­ter­stel­len nicht mehr.

die si­tua­ti­on beim so­ge­nann­ten in­ter­net of things ist der des webs nicht ganz un­ähn­lich. das open web war (und ist) viel­ver­spre­chend und auf­re­gend, aber eben auch kom­plex und an­spruchs­voll. die gros­sen, zen­tra­len web­platt­for­men konn­ten sich durch­set­zen, weil sie die teil­nah­me ein­fach für je­den ma­chen, (fast) ohne tech­ni­sche hür­den. im in­ter­net of things bie­ten zen­tra­le, kom­mer­zi­el­le platt­for­men ge­nau das glei­che: nied­ri­ge ein­stiegs­hür­den und kom­fort. be­zahlt wird mit geld, kon­troll­ver­lust und ab­hän­gig­kei­ten.

die chan­ce, die wir beim of­fe­nen web ver­passt ha­ben (den ver­link­ten text von ja­son kott­ke über das www un­be­dingt le­sen), wie­der­holt sich beim in­ter­net der din­ge wie­der: ge­gen zen­tra­li­sie­rungs­ten­den­zen kommt man mit of­fe­nen, ver­teil­ten an­sät­zen kaum an, weil zen­tra­le platt­for­men (meist) ein viel bes­se­res an­ge­bot in sa­chen kom­fort und nut­zen ma­chen kön­nen.

das glei­che ge­rät, das sich mein kol­le­ge zum sum­mer-be­tä­ti­gen selbst ge­baut hat, kann man üb­ri­gens auch hier für €99 kau­fen (der­zeit €79 für vor­be­stel­lun­gen). wenn man so ein nel­lo kauft, funk­tio­niert der tür­sum­mer künf­tig über den ser­ver der fir­ma nel­lo. die app nutzt die API des nel­lo-ser­vers und je­der öff­nungs­vor­gang läuft eben über den nel­lo-ser­ver. das hat — wenn’s funk­tio­niert — ei­nen gros­sen kom­fort­ge­winn zur fol­ge: man kann frem­den zu­gang ins haus ge­wäh­ren, man sieht je­den öff­nungs­vor­gang in der app und in de­ren ver­laufs­funk­ti­on, man kann den zu­gang au­to­ma­ti­sie­ren. aber wenn der ser­ver von nel­lo nicht mehr funk­tio­niert, ist auch der kom­fort hin. (au­to­ma­ti­sier­tes tür­öff­nen scheint der­zeit ge­ra­de ziem­lich an­ge­sagt zu sein: ding, ring, myd­bell, sky­bell)

ich ver­mu­te, wir kom­men um zen­tra­le platt­for­men nicht her­um, aber ähn­lich wie beim web, soll­ten wir sehr dar­auf ach­ten, uns nicht all­zu ab­hän­gig von die­sen platt­for­men zu ma­chen und mög­lichst viel kon­trol­le zu be­hal­ten. aber das be­deu­tet na­tür­lich auch, dass wir uns tie­fer­gehnd mit der tech­no­lo­gie be­schäf­ti­gen müs­sen. das habe ich zu­min­dest in der nächs­ten zeit vor.