bloggen? wasn das?

felix schwenzel

[die­ser text soll­te ei­gent­lich (stark ge­kürzt) in der nächs­ten aus­ga­be von soDA er­schei­nen (soDA «asia ali­as»). nun wird eine an­de­re aus­ga­be vor­ge­zo­gen und das heft mit mei­nem text er­scheint erst im ja­nu­ar. bis da­hin ist der text ver­schim­melt und re­no­vie­rungs­be­dürf­tig. also nix wie raus da­mit.]

blog­gen ist nichts an­de­res, als auf ein wei­ßes blatt pa­pier zu schrei­ben. man­cher schwört auf „mo­le­ski­ne“ no­tiz­bü­cher zum schrei­ben, man­cher auf „col­lege“ blö­cke, man­cher auf lose, weis­se blät­ter, ei­ni­ge be­haup­ten nur mit ei­nem fül­ler, an­de­re nur mit ei­nem ku­gel­schrei­ber oder blei­stift schrei­ben zu kön­nen. auf das ge­schrie­be­ne ha­ben die werk­zeu­ge kei­nen ein­fluss. auch ein blog ist erst­mal ein lee­res blatt. wenn ich möch­te, auch ein bun­tes blatt pa­pier, aus vor­ge­fer­tig­ten vor­la­gen kann ich ei­nen ein­fa­chen, fei­er­li­chen, bun­ten oder äs­the­tisch frag­wür­di­gen rah­men schaf­fen. aber das lee­re blatt muss ich — um es zu le­ben zu er­we­cken — selbst fül­len, mit mei­nen ei­ge­nen wor­ten. wie auf dem blatt pa­pier kön­nen die wor­te un­ge­heu­re kraft ent­wi­ckeln aber auch ganz pro­fan und lang­wei­lig wer­den.

der witz, die crux beim blog­gen ist aber dass der text so­bald ich ihn fer­tig habe po­ten­ti­ell von meh­re­ren mil­lio­nen men­schen ge­le­sen wer­den kann. ich muss nicht in den ko­pier­la­den ge­hen oder den dru­cker heiss­lau­fen las­sen um mei­ne er­güs­se zu ver­viel­fäl­ti­gen, ich muss sie nicht ver­schi­cken, im ge­gen­teil, der text ist ein­fach, qua­si für alle, da: *plopp*.

frü­her, als so­was noch „home­page“ oder „web­prä­senz“ hiess, konn­te man auch ei­nen text — plopp — ir­gend­wo hin­stel­len. ein paar such­ma­schi­nen schick­ten ei­nem ab und zu mal ein, zwei le­ser vor­bei, aber meist schim­mel­ten die sei­ten und tex­te ne­ben an­kün­di­gun­gen („hier ent­steht dem­nächst die web­prä­sens von otto mus­ter­mann“) nur so vor sich hin.

beim blog­gen ist das an­ders. durch eine pri­se ma­gie und al­ler­lei tech­ni­schen fir­le­fanz (ping­ser­ver, track­backs, re­fer­rer­track­ing, tag­ging, ag­gre­ga­to­ren, kom­men­tar­funk­tio­nen, link­dumps) legt die blog-ma­schi­ne al­ler­lei spu­ren nach hier und da, von hü nach hott, von dort zu mir, von de­nen auf die ich mich be­zog oder die ich zi­tier­te oder link­te zu­rück zu mir. in dem mo­ment in dem ich schrei­be lege ich ei­ner kra­ke gleich spu­ren, tre­te in ein ge­flecht aus be­zie­hun­gen und re­fe­ren­zen ein, wer­de teil der so­ge­nann­ten „blogo­sphä­re“. das hört sich pa­the­tisch an, ist es auch ein biss­chen, aber es hat eine ge­wis­se ma­gie. denn durch den tech­ni­schen fir­le­fanz fin­den mei­ne tex­te ihre le­ser von al­lei­ne. nicht so­fort, von heu­te auf mor­gen, aber wenn ich re­gel­mäs­sig schrei­be, ist es un­aus­weich­lich dass sich ein stän­dig wach­sen­der le­ser­stamm bil­det.

je­der der das macht, je­der der mal mit dem blog­gen an­fängt er­liegt die­ser ma­gie, ver­he­dert sich in dem be­zie­hungs­ge­flecht aus le­sern, kom­men­ta­ren, links von an­de­ren web­logs oder au­toren das sich bil­det. das be­zie­hungs­ge­flecht das sich um mehr oder we­ni­ger je­des web­log bil­det sagt frei­lich noch nichts über die qua­li­tät des ge­schrie­be­nen aus. eine fra­ge die über­flüs­si­ger­wei­se ne­ben der in­fra­ge­stel­lung von „re­le­vanz“ von web­logs im­mer wie­der auf­taucht. denn jede per­le fin­det in der blogo­sphä­re ihre sau. oder an­ders aus­ge­drückt, es gibt nicht eine blogo­sphä­re, son­dern sehr vie­le. man­che sphä­ren bil­den sich aus drei, vier men­schen um ein web­log, man­che über­schnei­den sich, man­che sind ge­füllt mit tau­sen­den von men­schen die sich ge­gen­sei­tig le­sen, sich auf­ein­an­der be­zie­hen oder sich ge­gen­ein­an­der in­spi­rie­ren oder dis­sen. ge­mein­sam ha­ben alle sphä­ren, dass sie stän­dig wach­sen. ein kom­mu­ni­ka­ti­ons­raum mit vie­len par­al­lel ver­lau­fenb­den ge­sprä­chen.

die fra­ge nach der re­le­vanz oder den fol­gen von web­logs auf die „me­di­en“ ist ge­nau­so über­flüs­sig wie die fra­ge nach der re­le­vanz ei­nes opern­hau­ses, ei­ner knei­pe oder ei­nes markt­plat­zes.

gros­se, re­vo­lu­tio­nä­re ge­dan­ken sind auf ei­nem weis­sen blatt pa­pier ent­stan­den, trotz­dem muss man weis­sen oder lee­ren blät­tern kei­ne re­le­vanz at­tes­tie­ren, kaf­fee­häu­ser hat­ten einst den ruf sub­ver­siv zu sein, trotz­dem kann man nicht da­von aus­ge­hen, dass in je­dem kaf­fee­haus oder je­der knei­pe klu­ge oder neue ge­dan­ken ent­ste­hen. nichts des­to trotz:

„Bloggen ist wie am Tresen stehen
mit dem besten Kumpel
und die ganze Kneipe
hört zu was es
Neues gibt.“
http://www.myblog.de/500beine/art/1916727

das po­ten­zi­al und ein fo­rum für neue, re­vo­lu­tio­nä­re, fri­sche, re­le­van­te oder pro­fa­ne ge­dan­ken und ideen ist da, auch und ge­ra­de in web­logs. noch nie war es so ein­fach ei­nen ge­dan­ken in die welt zu set­zen und zu be­ob­ach­ten wie er sich ver­brei­tet. man muss nur schrei­ben (wol­len), bzw. blog­gen.

nichts ver­stan­den? dann fan­gen sie an zu blog­gen! oder zu­min­dest blogs zu le­sen.