pauschalisierungen sind immer pauschal

felix schwenzel

pe­ter gla­ser:

In der Internet-Ära sind wir alle dazu verdammt, Journalisten zu sein.

das ist der letz­te satz ei­nes ar­ti­kel dem ich ger­ne voll­um­fäng­lich zu­stim­me. wie fast al­les von pe­ter gla­ser ist es über­zeu­gend und lo­cker-flo­ckig ge­schrie­ben, bes­tens in­for­miert und ei­gent­lich ein­fach toll.

aber der letz­te satz ist voll­kom­me­ner quatsch. mit die­sem satz flacht er sei­nen gan­zen ar­ti­kel ab, weil er sich nicht die mühe macht ein pas­sen­des syn­onym oder eine um­schrei­bung für „jour­na­lis­mus“ zu fin­den. hät­te er ge­sagt „je­der ist ver­dammt eine öf­fent­lich wahr­nehm­ba­re stim­me zu ha­ben“ oder „je­der ist ver­dammt dazu am fluss der in­for­ma­tio­nen ak­tiv teil­zu­neh­men“ hät­te ich nicht ge­me­ckert. war­um lässt sich pe­ter gla­ser zu so ei­ner pau­scha­len flach­heit hin­reis­sen? weil je­der der in ir­gend­wei­ner sos­se steckt meint, die an­de­ren steck­ten auch in die­ser sos­se. pe­ter gla­ser ist jour­na­list. sei­ne sos­se ist der jour­na­lis­mus.

ich habe mich vor vie­len jah­ren mal mit mei­nem deutsch­leh­rer über die zu­kunft un­ter­hal­ten. der deutsch­leh­rer tauch­te am ende un­se­res ge­sprä­ches kurz aus sei­ner sos­se auf und sag­te „ei­gent­lich ist je­der ein leh­rer, sein le­ben lang.“ hät­te ich mit mei­nem va­ter über sei­ne vi­si­on der zu­kunft ge­re­det, er hät­te ge­sagt, dass wohl je­der mensch zu le­bens­lan­gem ler­nen ver­dammt sei. mein ma­the­leh­rer sag­te im­mer, al­les sei ma­the­ma­tik. in mei­ner ers­ten ar­chi­tek­tur­vor­le­sung sag­te man uns, wir wür­den fast alle gas­tro­no­men wer­den, jo­sef beuys mein­te wir sei­en alle künst­ler, karl marx sah uns alle als werk­tä­ti­ge, in den acht­zi­gern wur­de von dienst­leis­tern pro­gnos­ti­ziert, dass wir in deutsch­land in we­ni­gen jah­ren alle als dienst­leis­ter ar­bei­ten wür­den. ich sage: wenn man in sos­se schwimmt ist es nicht das klügs­te zu be­haup­ten in sos­se zu schwim­men sei die zu­kunft.

alle der oben ge­nann­ten ha­ben gleich­zei­tig recht und un­recht. im­mer mehr men­schen wer­den tä­tig­kei­ten aus­üben, die man frü­her „jour­na­lis­tisch“ gen­ant hat, im­mer mehr men­schen las­sen an­de­re men­schen an ih­rem wis­sen teil­ha­ben und be­tä­ti­gen sich als et­was das man frü­her „leh­rer“ nann­te, man­che wer­den le­bens­lang da­zu­ler­nen wol­len, man­che nicht, im­mer mehr men­schen üben tä­tig­kei­ten aus die man frü­her „künst­le­risch“ ge­nannt hat. nur auf eine ein­fa­che for­mel lässt sich das al­les nicht brin­gen.

und: als jour­na­list las­se ich mich noch lan­ge nicht be­schimp­fen!

[nach­trag]
die sa­che mit den (sos­sen­trie­fen­den) be­griff­lich­kei­ten die man sich im­mer im kon­text sei­ner ei­ge­nen sos­se um die oh­ren haut, be­schreibt klaus jar­chow hier sehr tref­fend. chris­tia­ne schulz­ki-had­dou­ti schreibt 10 the­sen zur zu­kunft der me­di­en auf und trifft mit ih­rer ers­ten the­se viel ge­nau­er und sos­sen­frei­er als pe­ter gla­ser wenn sie sagt, dass die bar­rie­ren „der In­hal­te­pro­duk­ti­on und -re­zep­ti­on“ im­mer nied­ri­ger wer­den.