kos­ten­lo­s­kul­tur?

felix schwenzel

gross­ar­ti­ge slide­show von da­vid gil­le­spie über das in­ter­net und das in­ter­net und das in­ter­net. vie­le gross­ar­ti­ge ge­dan­ken und zi­ta­te die man den hu­bers die­ser welt au­gen­blick­lich um die oh­ren schla­gen ans herz le­gen möch­te und stän­dig vor sich hin mur­meln möch­te. ein klei­ner, gross­ar­ti­ger ge­dan­ke der die wahn­wit­zig be­scheu­er­te the­se von der „kos­ten­los-kul­tur“ (in zei­tun­gen und ver­le­ger­krei­sen auch ger­ne „kos­ten­los-un­kul­tur“ ge­nannt) wi­der­legt:

es geht nicht um kos­ten­los („free“) son­dern um jetzt („now“): „Gi­ven a choice bet­ween FREE and NOW, peo­p­le will sur­pri­se you.“ (fo­lie 200/263)

MP3s sind bei­spiels­wei­se nicht so po­pu­lär ge­wor­den weil sie um­sonst wa­ren, son­dern weil sie ver­füg­bar wa­ren — und zwar im­mer und so­fort. kos­ten­los ist ein be­triebs­un­fall. die mu­sik­in­dus­trie, die zei­tungs­ver­la­ge ha­ben es in der dreis­sig­jäh­ri­gen ge­schich­te des in­ter­net bis heu­te nicht ge­schafft ein­fa­che, schnel­le (und fai­re) be­zahl­tech­no­lo­gien zu ent­wi­ckeln. die­je­ni­gen die es ge­schafft ha­ben im in­ter­net ein­fa­che, idio­ten­si­che­re und schnel­le be­zahl­sys­te­me auf den markt zu brin­gen, ver­die­nen sich eine gol­de­ne nase (ap­ple, goog­le, ama­zon).

die kla­ge­wei­ber, die die kos­ten­los-kul­tur stän­dig be­kla­gen, sind die dop­pel­ten lo­ser. sie be­kom­men nichts vom ku­chen ab und wis­sen gleich­zei­tig, dass das ih­rem ei­ge­nen ver­sa­gen ge­schul­det ist.

kon­struk­ti­ve kri­tik? na gut. ich glau­be tat­säch­lich, dass die nut­zer be­reit sind für in­hal­te zu be­zah­len. da­für gibt es aber min­des­tens drei be­din­gun­gen:

  • die in­hal­te müs­sen ein­zeln sehr güns­tig sein. der ap­ple app-store zeigt wie so­was funk­tio­nie­ren kann: pro­gram­me für 99 oder 199 cent kau­fen die leu­te wie be­kloppt, bei soft­ware die für 80, 90 oder mehr euro über den la­den­tisch geht sind sie we­sent­lich zö­ger­li­cher. zei­tungs­ar­ti­kel für mehr als ei­nen euro? wer kauft denn so­was? bei vier oder fünf cent wür­de ich nicht lan­ge über­le­gen — wenn die be­zah­lung ex­trem un­kom­li­ziert funk­tio­niert.
  • nicht nur der zah­lungs­kom­fort muss 100% schmerz­frei und bar­rie­re­frei sein, son­dern auch das was ich kau­fe. wenn ich für et­was geld aus­ge­be, er­war­te ich ei­nen ge­wis­sen mehr­wert ge­gen­über kos­ten­los (sie­he oben, schnel­ler oder ein­fa­cher zu hand­ha­ben und ein­fa­cher zu be­sor­gen). auch hier zeigt ap­ple wie das ge­hen kann: die mu­sik­samm­lung aus dem itu­nes-store kann vom be­die­nungs­kom­fort mit ei­nem elek­tri­schen tur­bo-CD-re­gal mit­hal­ten, nein, ist bes­ser als je­des CD-re­gal, egal wie high-tech. ich fin­de alle lie­der ex­trem schnell, ver­wal­te sie (mehr oder we­ni­ger) frei und nach mei­nem gut­dün­ken, kann sie auf an­de­re ge­rä­te ko­pie­ren (so­lan­ge es ipods oder ipho­nes sind) und die samm­lung sieht wer­tig und gut aus. nur in­hal­te zu ver­kau­fen reicht nicht. die werk­zeu­ge für den um­gang mit den in­hal­ten und die prä­sen­ta­ti­on der in­hal­te müs­sen eben­so über­ra­gend und min­des­tens der kos­ten­lo­sen va­ri­an­te haus­hoch über­le­gen sein.
  • das an­ge­bot muss all­um­fas­send sein — oder zu­min­dest mass­ge­schnei­dert. wenn ich hin­ter der be­zahl­schran­ke lau­ter lee­re re­ga­le sehe oder nicht al­les fin­de was ich su­che kom­me ich nicht zu­rück.

kurz: schmerz­lo­ses (mi­cro)pay­ment von be­geh­rens­wer­ten in­hal­ten zu­sam­men mit über­ra­gen­den werk­zeu­gen zur ver­wal­tung, auf­be­wah­rung oder prä­sen­ta­ti­on. wenn die hür­den ganz tief lie­gen, ich mich nicht ab­ge­zockt füh­le und das ge­fühl habe die in­hal­te an­ders­wo nicht so ein­fach, kom­for­ta­bel oder edel prä­sen­tiert zu be­kom­men, kann das auch was wer­den mit den be­zahl­in­hal­ten.

wenn zum bei­spiel die fil­me im itu­nes-store bi­li­ger wä­ren (1-2 euro, so wie für eine ge­lie­he­ne DVD), man die aus­wahl hät­te un­ter­ti­tel oder al­ter­na­ti­ve spra­chen zu­zu­schal­ten und man auch in deutsch­land alle ak­tu­el­len ame­ri­ka­ni­schen fern­seh­se­ri­en be­kom­men könn­te, wür­de der itu­nes-store un­ter der nach­fra­ge zu­sam­men­bre­chen und sich alle file­sha­rer und tor­rent-nut­zer selbst für blöd er­klä­ren. der­zeit ist es aber um­ge­kehrt. die tausch­bör­sen und tor­rent­net­ze bie­ten mir die in­hal­te bes­ser auf­find­bar, mit grös­se­rer, ak­tu­el­le­rer aus­wahl und bes­ter qua­li­tät in ver­schie­de­nen spra­chen an.

ein zei­tungs­por­tal in dem man alle wich­ti­gen pu­bli­ka­tio­nen des lan­des fän­de, mit ei­ner über­ra­gen­den such­funk­ti­on und be­dien­ober­flä­che, für so­was könn­te durch­aus ein markt be­stehen. nur was ma­chen die deut­schen ver­la­ge (wahr­schein­lich)? sie zim­mern sich ei­ge­ne por­ta­le mit kom­pli­zier­ten be­zahl­vor­gän­gen, grau­sa­mer be­nut­zer­füh­rung zu­sam­men und ver­lan­gen mond­prei­se da­für.

paid con­tent wird wahr­schein­lich ein eben­so gran­dio­ses schau­spiel ab­ge­ben wie das mas­sen­ser­ben der di­no­sau­ri­er. mit ei­nem un­ter­schied zu da­mals: wir wer­den zeu­gen sein.