micropayment

felix schwenzel, , in wirres.net    

stefan niggemeier hat anlässlich der relativ plötzlichen einführung von abendblatt-inhalten die man nur noch nach abschluss eines abos (oder der nutzung einer hintertür) lesen kann, einen treffenden kommentar verfasst. ich habe mir für die jungle-world auch ein paar gedanken zu paid content gemacht und dabei eigentlich nur erneut meine mittlerweile auch wissenschaftlich belegten skepsis wiederholt, die ich bereits vor ein paar wochen schonmal hier geäussert habe. die grundthese lautet, dass menschen eigentlich nur bereit sein werden für journalistische inhalte zu zahlen, wenn sie das gefühl haben dafür etwas zu bekommen, was sie anderswo nicht bekommen, der preis angemessen ist und extrem bequem zu zahlen ist.

mit anderen worten: einem abomodell einzelner titel gebe ich keine chance (siehe auch „spiegel.de, zeit.de oder taz.de: Welches Abo gönne ich mir denn nun?“).

wenn es ein einheitliches zahlungssystem gäbe, mit dem man bequem kleinstsummen zahlen könnte, also klassische, einmalige micropayments im bereich weniger cent könnte paid content eventuell funktionierte. auf meine anfrage bei mpass.de, einem zusammenschluss von o2 und vodafone zur bezahlung per handy (mit derzeit 24 registrierten händlern!) ob mit mpass auch einfache microzahlungen von wenigen cent möglich seien, sagte mir ein sprecher man habe das bereits in planung. in planung sind solche micropayment-mechanismen allerdings seit mitte der neunziger jahre. allesamt sind gescheitert.

heute habe ich gelesen, dass auch paypal ein micropayment-system eingeführen möchte, allerdings kosten allein die transaktionskosten schon saftige 10 cent plus weitere 10% gebühr. die heise-überschrift „Paypal führt Micropayment ein“ ist übrigens einer golem-überschrift von vor vier jahren recht ähnlich: „PayPal: Neues Preisschema speziell für Micro-Payments“. echte micropayments waren das weder damals, noch heute.

da der artikel von mir erst ab sonntag online in der jungle-world zu lesen ist da der text in der jungle-world stark gekürzt wurde und ich für den artikel auch nur ein „micropayment“ als entlohnung erwarten kann, habe ich mir die freiheit genommen den text hier ungekürzt und mit ein paar links zu veröffentlichen:

Der Versuch im Internet Geld zu verdienen ist so alt wie das Internet selbst. Mit Büchern und Handelswaren klappt das mittlerweile ganz gut. Mit Nachrichten und journalistischen Produkten weniger. Lausige Pennys seien das, die man im Internet verdienen könne, klagte der Verleger Hubert Burda vor etwa einem Jahr.

Es gab unzählige Versuche im Internet Erlösmodelle zu etablieren, Abo-Modelle, die Bezahlung einzelner Artikel, der Verkauf von so genanntem elektronischem Papier. Nachdem die New York Times im Septmeber 2007 ihren kostenpflichtigen Dienst „TimesSelect“ einstellte und ihr gesamtes Archiv und die bis dahin nicht frei zugänglichen Texte und Kolummnen kostenlos zugänglich machte, wurde das Modell bezahlter Inhalte als gescheitert angesehen. In Deutschland zog Spiegel Online einige Monate später nach und öffnete im Februar 2008 das gesamte Archiv des Spiegels. Die Rechnung war einfach. Durch den kostenlosen Zugang erhoffte man sich mehr Besucher, eine grössere Verbreitung der eigenen Inhalte und dadurch mehr Erlöse durch Werbung.

Heute zeigt sich allerdings, dass mit Reichweite und Anzeigenerlösen auch keine zufriedenstellenden Profite im Onlinejournalismus erlösen lassen. Vor allem die stetig fallenden Preise von Onlineanzeigen machen den Verlagen zu schaffen. Auf einmal geisselt die halbe Branche die jahrelang selbst kultivierte „Kostenloskultur“ und sucht wieder nach Wegen, die Leser online zur Kasse zu bitten.

Einerseits sind die Voraussetzungen günstig. Junge Leser ziehen mittlerweile die digitale Ausgabe der Print-Variante vor und mehr Menschen als je zuvor sind bereit digitale journalistische Erzeugnisse am Bildschirm zu lesen. Nur dafür bezahlen mag nach wie vor kaum einer. Das liegt auch an den unattraktiven Preismodellen der Verleger. Die FAZ verkauft Einzelartikel online für saftige zwei Euro, viele Zeitschriften und Zeitungen verkaufen ihre digitalen Angebote nur im Paket, als so genanntes „E-Paper“ im Abo. Selbst Abonnenten der Papierausgabe, müssen, um das digitale Angebot nutzen zu können, meistens nochmal kräftig draufzahlen.

Dabei ist die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft von Internet-Nutzern durchaus vorhanden. Wenn das Angebot und der Preis stimmt und die Bezahlung mühlos ist. Das zeigen die Musik-Download-Angebote, beispielsweise von Apple und Amazon. Es gibt sogar Anzeichen dafür, dass Konsumenten den legalen, kostenpflichtigen Musikdownload dem kostenlosen vorziehen. So behauptet der Musiker David Gillespie, dass die angebliche Kostenloskultur im Internet, viel eher eine „Jetzt-Kultur“ ist, dass es also nicht darum geht etwas kostenlos zu bekommen, sondern es sofort zu bekommen. Entsprechend sagt er: „Given a choice between FREE and NOW, people will surprise you.“ So könnte der Erfolg der Musik-Download-Angebote von Apple und Amazon auch darin begründet sein, dass man sich dort schnell und unkompliziert aus einer riesigen Auswahl bedienen kann. Dass man dafür auch ein bisschen bezahlen muss, stört die Internetnutzer offenbar kaum. Dass ein angemessener Preis und eine unkomplizierte Bezahlung die Schwelle Geld auszugeben senkt, zeigt auch der „App-Store“ für das iPhone. Dort zahlt man für iPhone-Programme fast nie mehr als 1-5 Euro und plötzlich kaufen die Leute Programme als seien es warme Semmeln.

Könnte die einfache Zahlung von geringen Beträgen also ein Einnahmemodell für den Online-Journalismus sein? Vor allem, wie niedrig müssten die Beträge sein, damit die Hemmschwelle Geld auszugeben verschwindet? der Medienberater und Journalist Thomas Knüwer machte in einem Blogeintrag folgende Rechnung auf:

„Zeitschriften wie "Spiegel", "Focus" oder "Stern" kosten so zwischen 2,50 und 4 Euro. Sie enthalten, selbst in schlechten Zeiten mindestens 40 Artikel oder Elemente von einer Seite Umfang und mehr. Das bedeutet: Ein Artikel kostet dort 10 Cent.“

Würden sich Artikel für 10 Cent (oder weniger) online verkaufen lassen? Vielleicht, es gibt aber mindestens ein schwerwiegendes Problem. Es gibt bisher keine geeigneten Bezahlsysteme für solche geringen Beträge (auch Micropayment genannt). Es gibt zwar spätestens seit Mitte der Neunziger Jahre Bestrebungen Systeme zu entwickeln, mit denen man unkompliziert Kleinstbeträge zahlen kann, durchschlagenden Erfolg hatte bisher aber keines. Sie scheiterten alle an mangelndem Interesse der Konsumenten und Händler und an zu hohen Transaktionskosten.

Spektakulärstes Beispiel dafür war das 1999 gestartete Unternehmen Paybox, das mit Beteiligung der Deutschen Bank ein unkompliziertes Bezahlsystem etablieren wollte, mit dem sowohl kleine Beträge für Content und Micropayments, als auch große Beträge sicher, bequem und einfach abgewickelt werden können. Zahlungen konnten mit jedem handelüblichen Handy getätigt werden, aber offenbar konnten die Betreiber nicht genügend Deutsche von den Vorteilen der Bezahlung via Handy überzeugen. 2003 wurde der Dienst in Deutschland eingestellt. In anderen Ländern, vor allem Östereich, läuft der Dienst weiterhin und vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern gibt es offenbar eine grosse Nachfrage nach einfachen Bezahlmethoden mit dem Handy. So berichtet der Spiegel im Januar 2008, dass auf den Philippinen rund 3,5 Millionen Menschen die Zahlfunktion ihres Handys benutzen, in China gar acht Millionen. Der erst im März 2007 gestartete Dienst „M-Pesa“ der kenianischen Vodafone-Beteiligung Safaricom hatte schon nach neun Monaten eine Million Nutzer gewonnen.

Aber selbst wenn sich Paybox oder anderere Handybezahldienste in Deutschland etabliert hätten, für die Bezahlung von Kleinstbeträgen sind die einfachen Handybezahldienste mehr oder weniger alle ungeeignet, da die Transaktionskosten viel zu hoch sind. So nimmt Paybox derzeit in Östereich pro Transaktion 10 Cent, plus eine Umsatzbeteiligung von 3-4%. Alle anderen im Internet etablierten Bezahldienste, seien es „Paypal“, „Firstgate“ oder „T-Pay“ erheben neben der Umsatzbeteiligung Transaktionskosten von 10-30 Cent, die aus „Micropayments“ schon allein wegen der Transaktionskosten beinahe „Macropayments“ machen. Amazon und Apple umgehen die Transaktionskostenfalle übrigens, indem sie nicht jede einzelne Transaktion abrechnen, sondern über einen bestimmten Zeitraum sammeln, bevor sie sie abrechnen.

So haben Verleger die ihre Leser online zur Kasse bitten wollen gleich mehrere Probleme. Entweder ist die Hemmschwelle um mal eben etwas zu bezahlen zu hoch, wenn die Schwelle und die Preise gesenkt werden, sind die Transaktionskosten zu hoch. Dann haben die Verleger das Problem, dass ihr Angebot meist viel zu schmal ist um den Leser zum mühsammen Übersteigen der „Bezahlwand“ zu überreden. Wenn man sich bei iTunes oder bei Amazon einmal angemeldet und die Formalitäten erledigt hat, steht einem ein Musikkatalog mit beinahe dem gesamten Musikrepertoire der Welt offen. Wenn man sich durch den Formulardschungel der FAZ-Anmeldeprozedur gequält hat, kann man ausschliesslich FAZ-Artikel kaufen und lesen. Für alle anderen Angebote müsste man sich mühsam erneut anmelden.

Bezahlinhalte im Internet könnten eine Chance haben, wenn sich alle grossen und kleinen Verleger zusammentun, um ein einfaches, einheitliches und günstiges Bezahlmodell zu etablieren, das den Zugriff auf ein attraktives und breites Angebot erlaubte. Aber bevor alle deutschen Verleger an einem Strang ziehen, herrscht wahrscheinlich eher Weltfriede.

siehe auch:
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,667407,00.html
http://carta.info/20447/mathias-doepfner-manager-magazin/
http://www.netzpolitik.org/2009/springer-vs-google-mit-cloaking-zum-erfolg/
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Paypal-fuehrt-Micropayment-ein-888304.html
http://www.ich-partizipiere.de/spiegel-de-zeit-de-oder-taz-de-welches-abo-gönne-ich-mir-mal
http://carta.info/20487/paid-content-kachingle/

[nachtrag 05.01.2010]
vodafone möchte „Fehlinformationen“ in diesem artikel korrigiert wissen.