su­san­ne gasch­kes stra­te­gien ge­gen ver­dum­mung

felix schwenzel

su­san­ne gasch­ke mag das in­ter­net nicht. das ist nichts neu­es, wenn man schon­mal über ei­nen text von gasch­ke oder ihr au­toren­re­gis­ter auf zeit.de ge­stol­pert ist:

wenn man ihr buch liest, er­fährt man, dass sie auch com­pu­ter­spie­le, fern­se­hen, „kon­su­mis­mus“, zeit­ver­schwen­dung und „über­flüs­si­ge kom­mu­ni­ka­ti­on“ nicht mag. was sie mag sind bü­cher, li­te­ra­tur, kunst, mu­sik und „er­fah­run­gen mit so­zia­lem en­ga­ge­ment“.

„Ich glau­be nicht, dass das Netz mehr De­mo­kra­tie, klü­ge­re Wis­sen­schaft, ver­ant­wort­li­che­ren Jour­na­lis­mus und mehr so­zia­le Ge­rech­tig­keit her­vor­brin­gen wird. Und ich mei­ne, ei­ni­ge An­halts­punk­te da­für zu ha­ben, dass die di­gi­ta­le Kul­tur die­sen Zie­len an be­stimm­ten Stel­len so­gar ent­ge­gen­steht.“

noch we­ni­ger als das in­ter­net, mag gasch­ke al­ler­dings die leu­te, die das in­ter­net gut fin­den. alle die das in­ter­net nicht ent­schie­den ab­leh­nen, nennt sie „Di­gi­ta­lis­ten“ oder „In­ter­net-Apo­lo­ge­ten“. sie wirft alle in ei­nen topf: tech­ni­ker, un­ter­neh­mer, in­dus­tri­el­le, blog­ger, twit­te­rer, such­ma­schi­nen­op­ti­mie­rer, netz­po­li­tik-ak­ti­vis­ten, mar­ke­ting-fuz­zis, netz­po­li­tik-ak­ti­vis­ten — selbst dif­fe­ren­zie­ren­den kri­ti­kern des in­ter­net oder sei­ner aus­wüch­se un­ter­stellt sie op­pur­tu­nis­mus oder kon­flikt­scheu, wenn sie nicht, wie sie, das in­ter­net un­dif­fe­ren­ziert, klar und deut­lich ver­ur­tei­len. sie wirft alle zu­sam­men in ei­nen ei­mer mit der auf­schrift „Di­gi­ta­lis­ten“. man muss sich nur mal vor­stel­len wer sich al­les in die­sem ei­mer wie­der­fin­det, brin und page ne­ben law­rence les­sig, ste­fan nig­ge­mei­er ne­ben kai dieck­mann, bill gates ne­ben li­nus thor­vald, ba­rack oba­ma ne­ben an­ge­la mer­kel, jeff jar­vis und hu­bert bur­da. al­les „Di­gi­ta­lis­ten“.

gasch­ke ist nicht nur ex­trem un­dif­fe­ren­ziert, was das in­ter­net an­geht, ihr ist auch nichts recht zu ma­chen:

  • ei­ner­seits be­klagt sie die durch­kom­mer­zia­li­sie­rung des net­zes und sei­ne auf­dring­li­chen mar­ke­ting­stra­te­gien, schimpft aber auch dar­über, dass in­ter­net-ko­lum­nis­ten („blog­ger“) ihre bei­trä­ge kos­ten­los, oder wie sie viel­deu­tig sagt, „um­sonst“ ins in­ter­net stel­len. „blog­ger“ nennt sie in­ter­es­san­ter­wei­se auch nicht „au­toren“, son­dern meist „nut­zer“.
  • ei­ner­seits be­klagt sie, dass durch das in­ter­net und mo­der­ne „me­di­en“ die li­te­ra­li­tät und fä­hig­kei­ten zu le­sen ab­neh­me, geis­selt die im in­ter­net ab­lau­fen­de schrift-kom­mu­ni­ka­ti­on von men­schen un­ter­ein­an­der aber ger­ne als pro­fa­ne oder über­flüs­si­ge „sinn­los­kom­mu­ni­ka­ti­on“.
  • ei­ner­seits be­klagt sie die ag­gres­si­vi­tät und die de­ter­mi­niert­heit der netz­be­für­wor­ter („Di­gi­ta­lis­ten“) und welch ver­hee­ren­de fol­gen die er­folg­rei­che pro­pa­gie­rung der netz­ideo­lo­gie habe (sie sieht hier eine „Ideo­lo­gie­ma­schi­ne“ am werk), an­de­rer­seits be­zwei­felt sie rund­her­aus, dass aus dem netz über­haupt et­was po­li­tisch wirk­sa­mes kom­men kön­ne und be­haup­tet, dass das netz ent­po­li­ti­sie­re.
  • ei­ner­seits be­klagt sie sich über leu­te die ge­schich­ten aus ih­rem le­ben mit an­de­ren tei­len („Wer sich in »so­zia­len Netz­wer­ken« selbst welt­öf­fent­lich ent­blät­tert, ist nur eins: sel­ber schuld.“), an­de­rer­seits for­dert sie, dass ge­schich­ten aus dem le­ben an­de­rer die auf pa­pier ge­druckt sind („Bü­cher“) mehr ge­le­sen wer­den soll­ten.

auf der an­de­ren sei­te hat mir auch ei­ni­ges von dem was sie schreibt auch ein kopf­ni­cken ab­ge­run­gen. wer wür­de ei­nem satz wie die­sem wi­der­spre­chen?

Ich bin fest da­von über­zeugt, dass es kei­ne zwei­te Fä­hig­keit gibt, die für das Zu­recht­kom­men in mo­der­nen Ge­sell­schaf­ten so wich­tig ist wie das flüs­si­ge, sou­ve­rä­ne Le­sen, Ver­ste­hen und Be­ur­tei­len von Tex­ten.