susanne gaschkes strategien gegen verdummung

susanne gaschke mag das internet nicht. das ist nichts neues, wenn man schonmal über einen text von gaschke oder ihr autorenregister auf zeit.de gestolpert ist:
- Im Google-Wahn — Der Internetgigant kennt bald jeden unserer Schritte. Es ist Zeit, dass die demokratische Gesellschaft sich wehrt
- Im Netz der Piraten — Der Diebstahl geistigen Eigentums im Internet verletzt nicht nur die Rechte der Autoren, er bedroht auch unsere Kultur
- Die digitale Erlösungslehre — Das Internet formuliert die neue Verheißung des Kapitalismus: Grenzenloses Wissen, für alle, gratis? Lasst euch nicht verführen!
wenn man ihr buch liest, erfährt man, dass sie auch computerspiele, fernsehen, „konsumismus“, zeitverschwendung und „überflüssige kommunikation“ nicht mag. was sie mag sind bücher, literatur, kunst, musik und „erfahrungen mit sozialem engagement“.
„Ich glaube nicht, dass das Netz mehr Demokratie, klügere Wissenschaft, verantwortlicheren Journalismus und mehr soziale Gerechtigkeit hervorbringen wird. Und ich meine, einige Anhaltspunkte dafür zu haben, dass die digitale Kultur diesen Zielen an bestimmten Stellen sogar entgegensteht.“
noch weniger als das internet, mag gaschke allerdings die leute, die das internet gut finden. alle die das internet nicht entschieden ablehnen, nennt sie „Digitalisten“ oder „Internet-Apologeten“. sie wirft alle in einen topf: techniker, unternehmer, industrielle, blogger, twitterer, suchmaschinenoptimierer, netzpolitik-aktivisten, marketing-fuzzis, netzpolitik-aktivisten — selbst differenzierenden kritikern des internet oder seiner auswüchse unterstellt sie oppurtunismus oder konfliktscheu, wenn sie nicht, wie sie, das internet undifferenziert, klar und deutlich verurteilen. sie wirft alle zusammen in einen eimer mit der aufschrift „Digitalisten“. man muss sich nur mal vorstellen wer sich alles in diesem eimer wiederfindet, brin und page neben lawrence lessig, stefan niggemeier neben kai dieckmann, bill gates neben linus thorvald, barack obama neben angela merkel, jeff jarvis und hubert burda. alles „Digitalisten“.
gaschke ist nicht nur extrem undifferenziert, was das internet angeht, ihr ist auch nichts recht zu machen:
- einerseits beklagt sie die durchkommerzialisierung des netzes und seine aufdringlichen marketingstrategien, schimpft aber auch darüber, dass internet-kolumnisten („blogger“) ihre beiträge kostenlos, oder wie sie vieldeutig sagt, „umsonst“ ins internet stellen. „blogger“ nennt sie interessanterweise auch nicht „autoren“, sondern meist „nutzer“.
- einerseits beklagt sie, dass durch das internet und moderne „medien“ die literalität und fähigkeiten zu lesen abnehme, geisselt die im internet ablaufende schrift-kommunikation von menschen untereinander aber gerne als profane oder überflüssige „sinnloskommunikation“.
- einerseits beklagt sie die aggressivität und die determiniertheit der netzbefürworter („Digitalisten“) und welch verheerende folgen die erfolgreiche propagierung der netzideologie habe (sie sieht hier eine „Ideologiemaschine“ am werk), andererseits bezweifelt sie rundheraus, dass aus dem netz überhaupt etwas politisch wirksames kommen könne und behauptet, dass das netz entpolitisiere.
- einerseits beklagt sie sich über leute die geschichten aus ihrem leben mit anderen teilen („Wer sich in »sozialen Netzwerken« selbst weltöffentlich entblättert, ist nur eins: selber schuld.“), andererseits fordert sie, dass geschichten aus dem leben anderer die auf papier gedruckt sind („Bücher“) mehr gelesen werden sollten.
auf der anderen seite hat mir auch einiges von dem was sie schreibt auch ein kopfnicken abgerungen. wer würde einem satz wie diesem widersprechen?
Ich bin fest davon überzeugt, dass es keine zweite Fähigkeit gibt, die für das Zurechtkommen in modernen Gesellschaften so wichtig ist wie das flüssige, souveräne Lesen, Verstehen und Beurteilen von Texten.