lost, sle­vogt, ban­se, klu­ge, schirr­ma­cher

felix schwenzel

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heu­te war der zug von ber­lin nach ham­burg mal wie­der voll, so dass ich wie letz­te wo­che sams­tag auf den spei­se­wa­gen aus­ge­wi­chen bin. die at­mo­sphä­re war mal wie­der nicht ganz im sin­ne der bahn, die ja meint an­ge­nehm wäre es im spei­se­wa­gen nur ohne han­dys und lap­tops. mein lap­top war auf­ge­klappt und spiel­te die ak­tu­el­le fol­ge „lost“ ab, ge­gen­über hat­te auch je­mand sei­nen lap­top auf­ge­klappt, dad­del­te aber vor­nehm­lich an sei­nem ipho­ne rum, da­ne­ben zwei an­zug­trä­ger die an­dert­halb stun­den auf ihr han­dy starr­ten und ne­ben mir ei­ner der hin und wie­der mit sei­nem te­le­fon te­le­fo­nier­te, es fünf­mal re­boo­te­te und an­sons­ten drauf­starr­te und drauf­r­um­wisch­te. der rest der an­we­sen­den per­so­nen im spei­se­wa­gen zog es vor laut zu re­den und zu ga­ckern.

lost de­mons­trier­te mal wie­der, dass die au­toren der se­rie ihre zu­schau­er auch in den letz­ten fol­gen noch­mal kräf­tig ver­wir­ren und auf die fal­schen fähr­ten set­zen wol­len und lässt mich die tat­sa­che ver­flu­chen, dass fern­seh­se­ri­en im wo­chen­rhyt­mus aus­ge­strahlt wer­den und sich nicht wie DVDs am stück weg­gu­cken las­sen. vor al­lem ist lost nur 43 mi­nu­ten lang, so dass ich nach der sen­dung noch wei­te­re 45 mi­nu­ten zeit hat­te.

beim durch­kli­cken in itu­nes fand ich noch ein paar alte fol­gen der dctp.tv-rei­he „mei­nungs­ma­cher“ in ir­gend­ei­nem itu­nes-ver­zeich­nis. sol­che fil­me per RSS als ech­ten pod­cast an­zu­bie­ten ist doch ziem­lich ge­ni­al. das zeug lädt sich au­to­ma­tisch auf den rech­ner und man kann es ir­gend­wann im zug auf sei­ner fest­plat­te schlum­mernd ent­de­cken. die cloud und strea­ming-ge­döns in eh­ren, off­line hat auch was für sich.

ein paar der mei­nungs­ma­cher-vi­de­os hat­te ich be­reits ge­se­hen, ein paar hat­te ich of­fen­sicht­lich ver­ges­sen zu se­hen. zum bei­spiel das in­ter­view mit es­ther sle­vogt vom thea­ter­kri­tik-blog nacht­kri­tik.de. da ging es um das pu­bli­zie­ren in der ni­sche, be­geis­te­rung und eu­pho­rie für eine sa­che, der man mit ein paar ein­fa­chen tech­ni­schen hilf­mit­teln und et­was geld, ein­fach und ab­seits der aus­ge­tre­te­nen pfa­de aus­druck ver­lei­hen kann. mir fiel auf, dass „be­geis­te­rung“ eine viel bes­se­re de­fi­ni­ti­on des be­griffs „blog­gen“ ab­gibt als die eher un­ge­len­ken ver­su­che das mit ei­ner tech­ni­schen platt­form, der um­ge­kehrt chro­no­lo­gi­schen ver­öf­fent­li­chung von ar­ti­keln oder kom­men­ta­ren zu de­fi­nie­ren.

blog­gen ist, wenn je­mand mit spass und eu­pho­rie über the­men schreibt die ihn in­ter­es­sie­ren und das ver­öf­fent­licht.

so ge­se­hen, kann blog­gen auch auf pa­pier oder im rah­men ei­ner gros­sen oder klei­nen ver­lags­pu­bli­ka­ti­on pas­sie­ren. ein gu­tes bei­spiel für ei­nen blog-ar­ti­kel der zu­fäl­lig in ei­ner zei­tung­s­pal­te ver­öf­fent­licht wur­de und des­halb ko­lum­ne heisst, habe ich heu­te zu­fäl­lig in der ber­li­ner zei­tung ge­le­sen (wit­zi­ger ar­ti­kel wit­zi­ge ko­lum­ne von pa­trick beuth).

das in­ter­view mit es­ther sle­vogt ver­san­de­te ir­gend­wann bei mi­nu­te 25, ist aber trotz­dem sehr se­hens­wert.

da­nach hab ich dann — huch — ein in­ter­view mit frank schirr­ma­cher ge­se­hen. sehr old­school im 4x3, statt in die­sem mo­der­nen 16:9 for­mat. das in­ter­view mit schirr­ma­cher führ­te alex­an­der klu­ge, der es im ge­gen­teil zu phil­ip ban­se vor­zieht im off zu blei­ben und nur eine ei­ni­zi­ge, fes­te ka­me­ra-po­si­ti­on be­nutzt. nix ge­gen ban­se, für sei­ne re­pu­bli­ca-in­ter­views die­ses jahr kann man ihm gar nicht ge­nug dan­ken (dan­ke!). aber klu­ge muss man auch dan­ken, für die­ses in­ter­view mit schirr­ma­cher. in dem in­ter­view merkt man, dass schirr­ma­chers bio­top nicht die nor­ma­len fern­seh-talk­shows sind (bei ill­ner ist er ge­ra­de­zu ver­dörrt), son­dern das ge­spräch mit an­de­ren in­tel­lek­tu­el­len. schirr­ma­cher über­schlägt sich ge­ra­de­zu vor freu­de über jede fra­ge von klu­ge („ganz ge­nau!“, „ab­so­lut!“, „ja! ja!“, „sehr gu­tes bild!“), kann aber sei­ne po­si­ti­on, bzw. die fra­gen die er meint an­ge­sichts der di­gi­ta­li­sie­rung der welt frei­ge­legt zu ha­ben, über­zeu­gend er­klä­ren. an­ders ge­sagt, seit ich das in­ter­view von alex­an­der klug mit frank schirr­ma­cher ge­se­hen habe, habe ich über­haupt kei­nen bock mehr auf schirr­ma­cher-bas­hing. im ge­gen­teil, mir ist plötz­lich nach schirr­ma­cher-ku­scheln.

dass schirr­ma­cher eine fei­nes näs­chen für die rich­ti­gen de­bat­ten zur rich­ti­gen zeit hat, war mir schon län­ger klar. und ich bin si­cher nicht der ein­zi­ge der be­wun­dert, wie er die­se de­bat­ten, zum nut­zen sei­ner zei­tung, be­feu­ert und steu­ert. was mir am in­ter­view be­son­ders ge­fiel, das wort „mul­ti­tas­king“ fiel nicht ein­zi­ges mal und schirr­ma­cher zeigt, dass er we­der tech­no­phob, noch ah­nungs­los, alar­mis­tisch oder pes­si­mis­tisch ist. er be­ob­ach­tet die di­gi­ta­le-re­vo­lu­ti­on und zieht ein paar frap­pie­rend über­zeu­gen­de schlüs­se, die man nicht ein­fach be­sei­te wi­schen kann.

das über­zeu­genste bild das er zeich­net, ist dass in­ge­nieu­re nicht er­zäh­len, ob­wohl sie (der­zeit) „den ro­man des le­bens schrei­ben“. er for­dert, dass wir die wer­ke der in­ge­nieu­re und pro­gram­mie­rer, die al­go­rith­men die die zu­neh­mend di­gi­tal ge­präg­te welt steu­ern, in nar­ra­ti­on über­set­zen oder in bil­der fas­sen müs­sen. das ist viel prag­ma­ti­scher und klü­ger als bei­spiels­wei­se su­san­ne gasch­kes das-ist-und-macht-al­les-doof-hal­tung. auch schirr­ma­chers war­nung vor der all­macht der al­go­rith­men, über die sich vie­le ger­ne lus­tig ma­chen, er­scheint nach­dem man das in­ter­view ge­se­hen hat viel schlüs­si­ger. wenn die­se al­go­rith­men näm­lich von in­sti­tu­tio­nen ge­nutzt wer­den, sei es zur ter­ror-ab­wehr oder krank­heits­früh­erken­nung und das in­tui­ti­ve, das mit­ge­fühl aus­mer­zen, könn­ten wir das eine oder an­de­re grös­se­re ge­sell­schaft­li­che pro­blem be­kom­men. ge­nau be­trach­tet ha­ben wir die pro­ble­me schon, man muss nur mal je­man­den fra­gen des­sen na­mens­vet­ter auf der ame­ri­ka­ni­schen no­fly-lis­te steht oder wer in ei­ner nicht so gu­ten ge­gend wohnt und bei der be­an­tra­gung ei­nes kre­dits ein schlech­tes scoring er­zielt.

stei­le the­se: wer das schirr­ma­cher-in­ter­view ge­se­hen hat, macht es sich mit schirr­ma­cher-bas­hing künf­tig nicht mehr so leicht. ix zu­min­dest.

dan­ke dctp.tv.