leistungsschutzrecht pro und contra und zusammengefasst

felix schwenzel, , in wirres.net    

arnd haller, justiziar von google nord und zentraleuropa, schrieb vor ein paar tagen zehn gründe gegen ein press-leistungsschutzrecht auf. kai biermann, resortleiter digital bei zeit online, fasste die zehn gründe zusammen — wie ich fand teilweise falsch oder ungenau. kai biermann hat auch nicht alles verstanden, was arnd haller schrieb, mir geht es da genauso, wenn ich versuche die gründe für das leistungsschutzrecht zu verstehen. was haller schrob fand ich hingegen ganz gut verständlich, wenn auch nicht so brilliant wie das was google der FTC kürzlich zu einem ähnlichen thema schrob.

nichts desto trotz, hier meine ergänzungen zu kai biermanns zusammenfassung

1. Ihr Verlage übertreibt, was Eure Verluste durch das Netz angeht.

nein. haller schreibt, dass die verlage die verluste im printgeschäft übertreiben, dass sich die behauptung, die nutzer wollen für inhalte nicht zahlen, nicht halten lässt und dass es den verlagen insgesamt wirtschalftlich gut geht.

2. Ihr müsst Euren Kram ja nicht ins Netz stellen. Aber wenn Ihr es tut, “ist es geradezu abwegig, dafür andere zur Kasse zu bitten”.

ja, abwegig ist das in der tat, aber er schreibt auch, dass verlage froh sein können, für die infrastruktur die suchmaschinen und soziale netzwerke zur verfügung stellen, nicht zahlen zu müssen.

3. Es gibt keine Gesetzeslücke sondern höchstens ein paar Probleme bei der Verfolgung von Kopisten.

was genau sind denn „kopisten“? was machen die und wie hindert das leistungsschutzrecht sie an der ausübung ihrer tätigkeit?

das urheberrecht solle bei der einführung eines leistungsschutzrechtes nicht angetastet werden, wiederholt zumindest christoph keese unermüdlich. im umkehrschluss bedeuten die aussagen von keese oder den verlagen: „Es gibt keine Gesetzeslücke sondern höchstens ein paar Probleme beim geld verdienen mit kostenlosen inhalten.“ von kopisten oder einer verschärfung beim urheberrecht redet soch keiner. oder hab ich jetzt was falsch verstanden?

4. Ein Leistungsschutzrecht käme alle viel zu teuer zu stehen, alles würde mehr kosten.

stimmt, das sagt er und es ist wohl auch sachlich richtig. denn etwas was jemandem profite beschert kostet andere nunmal etwas. aber mit der zusammenfassung bin ich trotzdem nicht einverstanden. der gedanke, den haller über seine drei absätze von grund 4 ausbreitet, dass ein leistungsschutzrecht weiten teilen der deutschen wirtschaft schaden könnte, fehlt.

5. Eure schönen Texte wären weg und nicht im Netz mehr zu finden.

die zusammenfassung hört sich an, als ob haller drohen würde. die drohung finde ich aber in hallers text weder in, noch zwischen den zeilen.

6. Ein Leistungsschutzrecht hilft Journalisten und Journalismus nicht, es macht nur Konzerne reicher.

sehr gute zusammenfassung! allerdings benutzt haller die worte „journalist“ oder „journalisten“ in diesem absatz nicht ein einziges mal.

7. Ein Leistungsschutzrecht braucht Reichweite, damit es Geld bringt. Mehr Reichweite kostenloser Inhalte aber verschlimmert nur Euer Problem, dass Ihr damit nichts verdient.

(Den Punkt verstehe ich nicht, denn wirkt das Recht, werden viele die Inhalte eben nicht mehr nehmen, damit sie nicht zahlen müssen. Die Reichweite sinkt. Entweder hat der Chefjustiziar hier einen Denkfehler gemacht, oder ich bin zu blöd.)

eigentlich ist es doch einfach: haller, oder genauer die gegner des leistungsschutzrechts, fürchten, dass die reichweite der angebote durch das leistungsschutzrecht sinken würde. die verleger fürchten das offenbar nicht, sondern behaupten noch dazu, überhaupt nur mit dem leistungsschutzrecht ihre angebote finanzieren zu können. den denkfehler sieht haller bei den verlegern, die glauben behaupten journalismus im netz nur mit reichenweitenstarken, kostenlosen angeboten und einem leistungsschutzrecht finanzieren zu können.

8. Ihr macht Eure Kunden zu Kriminellen.

sehr gute zusammenfassung!

9. Die einzigen, die wirklich etwas daran verdienen werden, sind die Anwälte, die das seltsame Recht klären und ausfechten müssen.

sehr gute zusammenfassung!

10. Es nutzt nur den Konzernen. (Hatten wir schon bei 6., steht aber noch mal da.) Und Ihr verbaut Euch die Chance auf neue Geschäftsmodelle – die Ihr dringend braucht.

man kanns auch anders zusammenfassen: ein grossteil der journalisten, denen das neue gesetz angeblich nutzen soll, leht das leitungsschutzrecht aus den gleichen gründen wir die anderen gegner ab: das leistungsschutzrecht ist wettbewerbshemmend, wirkt konzentrationsfördernd (hihi) und kommt einer kapitulation der grossen verlage vor den kräften eines freien, unregulierten marktes gleich.

und jetzt wüsste ich noch gerne wie kai biermann zu einem presse-leistungsschutzrecht steht.

* * *

wie ich oben schrieb, dass was robert schweizer, rechtsvorstand bei burda, über die gründe für das leistungsschutzrecht schrieb, kann ich nicht in allen punkten nachvollziehen. aber zusammenfassen will ich es dennoch:

1. sinn und zweck des leistungsschutzrechtes ist die unternehmerischen risiken von verlagen abzupuffern und ihnen einnahmen zu garantieren, egal wie verantwortungslos sie unternehmerisch oder journalistisch handeln.

2. die verleger beanspruchen das „ausschließliche Recht“, Presseerzeugnisse oder Teile daraus zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben

3. „ausschliesslich“ soll allerdings nur im gesetz stehen, bedeutet aber gar nicht „ausschliesslich“, sondern was ganz anderes.

4. „Das Leistungsschutzrecht der Presseverlage schützt […] die unternehmerischen Leistungen der Verlage“ — etwas was die letzten 50 jahre völlig ungeschützt der welt ausgesetzt war und zu furchtbaren zuständen im verlagswesen geführt haben muss.

5. ohne verlage sind journalisten arme würstchen.

6. das leistungsschutzrecht dient keinesfalls ausschliesslich dazu, den verlagen viel geld zu verschaffen. das ist lediglich eine sachliche konsequenz des leistungsschutzrechtes.

7. die verlage haben im internet alles richtig gemacht und sind völlig unschuldig an ihrem unternehmerischen scheitern im internet.

8. es geht nicht ums geld, sondern darum mit der technik schritt zu halten — das geht nur mit einem leistungsschutzrecht und dem geld was damit verdient werden kann.

9. werbung in presseerzeugnissen ist scheisse total unseriös. mit dem leistungsschutzrecht können wir unabhängig von werbung werden und trotzdem weiter riesige werbeeinahmen einehmen, sobald der werbemarkt wieder anzieht.

10. wir schaffen es nicht unsere inhalte im internet zu geld zu machen, also soll ein gesetz die menschen dazu zwingen uns das geld einfach zu geben.

11. qualitätsjourmnalismus und die demokratie ist nur mit geldstrotzenden verlagen am leben zu erhalten.

12. wer nur liest muss nichts bezahlen. alle anderen schon.

13. wir sind nicht zu blöd geschäftmodelle im internet zu finden. wir haben doch das leistungsschutzrecht gefunden!

14. die ordnung der welt ist nur mit dem leistungsschutzrecht zu erhalten. alles andere führt zum ende der welt.

[nachtrag 10:45h]
ich hatte helmut hartung, der das interview geführt hat, mit robert schweizer, dem burda rechtsvorstand verwechselt, der interviewt wurde. ist oben jetzt korrigiert.