leis­tungs­schutz?

felix schwenzel

ich gebe zu, ich lese spie­gel on­line ger­ne. die sei­te ist voll mit müll, aber es gibt auch sehr vie­le ar­ti­kel die mit jour­na­lis­ti­scher lei­den­schaft ge­schrie­ben oder ori­gi­nell sind und ei­nen gu­ten über­blick über die nach­rich­ten­la­ge ge­ben. ich lese spie­gel on­line fast täg­lich und är­ge­re mich trotz­dem nur alle 3 oder 4 tage.

als ich dann heu­te bei spie­gel-on­line die­sen ar­ti­kel („Brand­brief von Gold­man-Sachs-Ma­na­ger — Die Ab­rech­nung“) auf der start­sei­te sah und an­klick­te, las ich na­tür­lich erst­mal das ori­gi­nal („Why I Am Lea­ving Gold­man Sachs“, lo­bens­wer­ter­wei­se pro­mi­nent von spon ver­linkt. [nach­trag 02:40h] für ei­nen link auf die­sen the-dai­ly-mash-ar­ti­kel der spä­ter er­wähnt wird reichts dann aber schon nicht mehr). durch­aus le­sens­wert, aber halt eng­lisch und aus­ser 214 kom­men­ta­ren drun­ter ohne wei­te­ren kon­text.

da­nach habe ich den spon-ar­ti­kel ge­le­sen. er bot tat­säch­lich ein biss­chen ein­ord­nung, lei­der et­was arg na­he­li­gend („Der Brand­brief sorg­te in den USA und Groß­bri­tan­ni­en prompt für eine Mas­se an Kom­men­ta­ren.“). na gut es fol­gen noch zwei ab­sät­ze mit zi­ta­ten zur ein­ord­nung:

"Je­der an der Wall Street hat das ge­le­sen", sagt Erik Schatz­ker, Mo­de­ra­tor beim Wirt­schafts­sen­der Bloom­berg TV. Sei­ne Kol­le­gin Sara Ei­sen er­gänzt: "Es ist ein De­sas­ter für Gold­man Sachs."

In In­ter­net­fo­ren, Blogs und auf Twit­ter wird flei­ßig über die Bank ge­spot­tet. Der Blog "Busi­ness In­si­der" nennt den Ab­schieds­brief von Smith "ei­nen wei­te­ren PR-Alb­traum" für Gold­man. Die bri­ti­sche Web­sei­te "The Dai­ly Mash" ver­öf­fent­lich­te be­reits eine Sa­ti­re: "War­um ich das Im­pe­ri­um ver­las­se, von Darth Va­der".

der rest des ar­ti­kels be­lässt es da­bei tei­le des „brand­briefs“ zu zi­tie­ren, gros­sen­teils in in­di­rek­ter rede. was hat spie­gel-on­line also ge­nau ge­tan?

ei­nen ab­satz ge­schrie­ben in dem steht, dass je­mand ei­nen brief schrob. ein ab­satz in dem zu­sam­men­ge­fasst steht was in dem brief stand. ei­nen ab­satz mit ei­ner pla­ti­tü­de („vie­le re­ak­tio­nen“) und zwei zi­ta­ten von fern­seh­jour­na­lis­ten. ein ab­satz mit wei­te­ren re­ak­tio­nen. drei ab­sät­ze über­setz­te zi­ta­te aus dem brief. ein ab­satz in dem eine spre­che­rin von gold­man sachs zi­tiert wird. ein ab­satz mit ei­ner ein­schät­zung der lage von gold­man sachs, wahr­schein­lich aus pres­se­agen­tur­mel­dun­gen raus­ge­schnip­selt und ein wei­te­rer ab­satz mit zi­ta­ten aus dem brief.

das soll jetzt kei­ne kri­tik oder ein text über den spie­gel­ver­lag wer­den, ich fin­de den spon-brief-agen­tur-mas­hup to­tal OK. täg­li­ches jour­na­lis­ti­sches hand­werk („was machst du be­ruf­lich?“ „zu­sam­men­tra­gen und zu­sam­men­stü­ckeln.“).

fas­zi­nie­rend fin­de ich nur, dass ver­le­ger heut­zu­ta­ge für so­et­was ei­nen be­son­de­ren schutz zu be­an­spru­chen ver­su­chen. die ar­beit von zu­sam­men­trä­gern und zu­sam­men­stück­lern soll nach an­sicht der ver­la­ge (die mit so­et­was hof­fen wer­bung bes­ser ver­kau­fen zu kön­nen) von ei­nem „leis­tungs­schutz­recht“ ge­deckt wer­den. die ver­la­ge mei­nen, dass nie­mand an­ders aus­ser ih­nen selbst mit sol­chem patch­work geld ver­die­nen dür­fe. das leis­tungs­schutz­recht soll auch für „jour­na­lis­ti­sche in­hal­te“ gel­ten, die zu 90 pro­zent aus zu­sam­men­ge­klau­ten zu­sam­men­ge­tra­ge­nen ma­te­ri­al be­stehen. die ver­le­ger selbst be­zah­len (aus­ser den nach­rich­ten­agen­tu­ren und dem zu­sam­men­stück­lern au­toren) nie­man­den und be­die­nen sich frei­zü­gig an den in­hal­ten an­de­rer. wenn ih­nen das selbst pas­siert, nen­nen sie es oft dieb­stahl oder un­recht­mäs­si­ge kom­mer­zi­el­le nut­zung und wol­len li­zenz­ge­büh­ren da­für se­hen.

mir scheint es ab­surd, li­zenz­ge­büh­ren für et­was zu ver­lan­gen, für das man selbst kei­ne li­zenz­ge­büh­ren zu zah­len be­reit ist. viel­leicht kön­nen wir über das leis­tunsg­schutz­recht noch­mal re­den, wenn ver­la­ge für in­ter­views (also das ab­sau­gen von geis­ti­gem ei­gen­tum aus in­ter­view­part­nern), tweets des ta­ges auf dem ti­tel­blatt oder pa­ra­phra­sie­run­gen von frem­den in­hal­ten (aus zei­tun­gen, bü­chern, fern­se­hen oder blogs) li­zenz­ge­büh­ren oder ho­no­ra­re zah­len.

zu­mal or­dent­li­che jour­na­lis­ti­sche ar­beit heut­zu­ta­ge ja auch bei ei­ner ver­öf­fent­li­chung im in­ter­net durch das ur­he­ber­recht ge­schützt ist. auch wenn die ver­la­ge auch das sehr ei­gen­nüt­zig und selbst­ver­liebt aus­le­gen.


mat­thi­as spiel­kamp stellt sich im han­dels­blatt ähn­li­che fra­gen, al­ler­dings um ei­ni­ges ele­gan­ter als ix.