schwanz­ver­gleich ver­stor­ben, tot­ge­burt ge­plant

felix schwenzel

jens schrö­der be­er­digt die deut­schen blog­charts:

Pro­fi-Blogs mit 20-Mann-Re­dak­tio­nen und ei­nem In­hal­te-Aus­stoß von 30 oder mehr Tex­ten pro Tag las­sen sich doch eher mit Spie­gel On­line ver­glei­chen als mit ei­nem 1-Per­so­nen-Hob­by-Blog, in dem viel­leicht alle zwei Tage ein Text er­scheint. Zu­dem wird es oft­mals nicht leich­ter, über­haupt ein­zu­ord­nen, was ein Blog ist und was schon längst ein Ma­ga­zin.

statt­des­sen bas­telt jens schrö­der an ei­ner lis­te von „deutsch­spra­chi­gen In­ter­net-Leit­me­di­en“ auf ba­sis sei­ner mo­nat­li­chen hy­per­land charts. ich glau­be ja mitt­ler­wei­le, dass das al­les quark ist. die neu­en charts sol­len auf ba­sis von „Li­kes, Shares und Tweets bei Face­book und Twit­ter“ er­stellt wer­den. nur mes­sen li­kes, shares und tweets ja nicht die be­liebt­heit (oder gar qua­li­tät) ei­nes „me­di­ums“, son­dern die be­liebt­heit ei­nes ein­zel­nen bei­trags.

aber selbst das un­ter­fan­gen die be­liebt­heit ein­zel­ner ar­ti­kel an drei fak­to­ren zu mes­sen hal­te ich für quark. riv­va hat das frü­her mal ge­macht un­ter riv­va.de/leit­me­di­en. dort wur­den da­mals al­ler­dings, wie bei den deut­schen blocharts, nur die ver­lin­kun­gen von blogs (oder ge­nau­er riv­va-quel­len) ge­mes­sen. ich glau­be die qua­li­tät ei­ner sol­chen lis­te wächst nicht durch das hin­zu­fü­gen oder än­dern der ran­king­fak­to­ren.

und: wenn also nun li­kes, shares und tweets ge­mes­sen und ver­gli­chen wer­den sol­len, was ist mit flat­trs, pin­te­rest pins, book­marks bei de­li­cious oder pin­board, +1, quo­te.fm-quo­tes oder der an­zahl le­ser oder kom­men­ta­re? und selbst wenn jens schrö­der (oder ein künf­ti­ges riv­va) all die­se fak­to­ren er­fas­sen könn­te, wie wür­den die ein­zel­nen fak­to­ren ge­wich­tet wer­den?

vor al­lem fra­ge ich mich aber: wozu oder wem nüt­zen sol­che lis­ten über­haupt? um ir­gend­ei­ne qua­li­tät zu mes­sen? re­le­vanz? in­ter­essanz? selbst wenn das ge­län­ge, wen, aus­ser de­nen die auf der lis­te ste­hen*, in­ter­es­sier­te das? kann eine sol­che lis­te über­haupt für mich in­ter­es­san­te in­hal­te oder „me­di­en“ fin­den? ich glau­be aus­ser zu schwanz­ver­glei­chen füh­ren sol­che charts zu nichts, für dass sich die ar­beit und mühe loh­nen wür­de.

auch bei riv­va hat mich ei­gent­lich nie gross in­ter­es­siert was nach oben ge­spült wird, son­dern der kon­text den riv­va auf­zeig­te. nicht die quan­ti­fi­zie­rung ist in­ter­es­sant, son­dern die kon­tex­tua­li­sie­rung. das war frü­her schon so und ist es jetzt ganz be­son­ders, wo je­dem twit­ter-, face­book-, pin­te­rest- oder-was-weiss-ich-nut­zer die in­ter­es­san­ten ar­ti­kel so oder so in die time­line ge­spült wer­den.

quan­ti­fi­zie­rung ist mög­li­cher­wei­se für out­si­der in­ter­es­sant um sich ei­nen über­blick zu ver­schaf­fen, für in­si­der ist sie nur so lan­ge in­ter­es­sant wie sie selbst quan­ti­fi­ziert wer­den und sich ein­bil­den, sich so ver­glei­chen oder ihre re­le­schwanz­län­ge mes­sen zu kön­nen.

wenn jens schrö­der jetzt eine lis­te von „deutsch­spra­chi­gen In­ter­net-Leit­me­di­en“ er­stellt, wird das eine tot­ge­burt. tu es nicht, jens.


*) ich ver­lor nach dem letz­ten re­launch der deut­schen blog­charts schlag­ar­tig das in­ter­es­se an den blog­charts. in­ter­es­san­te blogs fand ich dort nicht, nur blogs die in ir­gend­et­was gut ab­schnit­ten oder po­pu­lär und da­mit oh­ne­hin be­kannt wa­ren.