#rp­ten tag 3

felix schwenzel in artikel

wie­der et­was zu spät ge­kom­men und um halb zwölf, also viel zu spät, bei hos­sein der­akhs­han mit the post-web in­ter­net: is this (the fu­ture of) te­le­vi­si­on?

hos­sein der­akhs­han ist vor etwa ei­nem jahr in das blick­feld ge­tre­ten, als er ei­nen ar­ti­kel auf me­di­um/mat­ter ver­öf­fent­lich­te, in dem er den nie­der­gang des webs be­klag­te. dazu schrieb ich da­mals:

pes­si­mis­ti­sches, lan­ges le­se­stück von hos­sein der­akhs­han, die we­gen sei­nes blogs für 6 jah­re im iran im ge­fäng­nis sass und der das alte web, das vor sei­ner in­haf­tie­rung, ver­misst. zu gros­sen tei­len gebe ich ihm recht, an man­chen stel­len sei­nes tex­tes möch­te ich wi­der­spre­chen und fin­de sei­ne dar­stel­lung zu ein­di­men­sio­nal.

den teil sei­ner rede, den ich noch mit­be­kam, fand ich dann nicht nur ein­di­men­sio­nal, son­dern so är­ger­lich, dass ich twit­ter­te:

mich hat die neil-post­ma­ni­sie­rung der ge­sell­schafts­de­bat­te schon 1985 ge­nervt. jetzt schwappt die­ser pes­si­mis­mus täg­lich auf der #rp­ten hoch

tat­säch­lich zi­tier­te hos­sein der­akhs­han ex­pli­zit neil post­man und warn­te sinn­ge­mäss da­vor, dass das in­ter­net uns lang­sam ver­blö­de und wir uns „zu tode amü­sie­ren“ wür­den, weil wir uns „mehr und mehr“ von der schrift­spra­che hin zur bild­spra­che wen­den wür­den und un­se­re in­for­ma­ti­ons­auf­nah­me nur noch häpp­chen­wei­se funk­tio­nie­re.

ich möch­te dem auf meh­re­ren ebe­nen wi­der­spre­chen, aber zum glück stumpf­te hos­sein der­akhs­han in der an­schlies­sen­den fra­ge­run­de sei­ne spit­zen the­sen aus­ver­se­hen et­was ab. so be­rich­te­te er, dass im iran gross­tei­le der nach­rich­ten und be­richt­erstat­tung auf in­sta­gram aus­la­gern wür­den, weil in­sta­gram im iran nicht zen­siert wür­de. so wür­den bei in­sta­gram lan­ge tex­te un­ter den bil­dern er­schei­nen und in­sta­gram da­mit qua­si als text­me­di­um zweck­ent­frem­det. aus­ser­dem wür­de im iran so gut wie je­der te­le­gram nut­zen. das ist ein ver­schlüs­sel­ter nach­rich­ten­dienst, der auch eine grup­pen­funk­ti­on habe, mit der man gros­se le­ser­schaf­ten er­rei­chen kön­ne. kann na­tür­lich gut sein, dass er glaubt, dass nur die men­schen im iran nicht ver­blö­den, weil dort die bild­las­ti­gen diens­te zen­siert sei­en, im rest der welt dank you­tube und face­book dann aber doch? oder er fin­det, dass rich­ti­ger jour­na­lis­mus nur auf pa­pier und rich­ti­ges blog­gen nur in blogs funk­tio­nie­re?

dazu kommt noch eine fehl­ein­schät­zung, der, mei­ner mei­nung, auch schon post­man auf­ge­ses­sen ist. das in­for­ma­ti­ons­be­dürf­nis gros­ser be­völ­ke­rungs­grup­pen war schon im­mer bild­las­tig. ela­bo­rier­te schrift­kom­mu­ni­ka­ti­on war, so­weit ich das sehe, nie ein mas­sen-phä­no­men, son­dern spielt sich bis heu­te eher in bil­dungs­na­hen schich­ten ab. auch vor dem fern­se­hen und dem netz gab es bild­las­ti­ge il­lus­trier­te oder klick­bait (bei­spiels­wei­se in form über­zo­ge­ner schlag­zei­len). blogs ha­ben nie ein mas­sen­pu­bli­kum an­ge­zo­gen, son­dern, schon im­mer, in ni­schen ge­blüht. und selbst das fern­se­hen hat sich mitt­ler­wei­le so weit aus­dif­fe­ren­ziert, dass es in ni­schen (zum bei­spiel der ni­sche der „qua­li­täts­se­ri­en“) mit an­spruchs­vol­len, kom­le­xen ro­ma­nen mit­hal­ten kann. an­ders ge­sagt: wer sich zu tode amü­sie­ren woll­te, konn­te das auch schon vor 200 jah­ren tun, wer buch­sta­ben liebt, fin­det die heu­te in hö­he­rer zahl und viel­sei­ti­ger kom­bi­niert, als je­mals zu­vor in der men­schei­heits­ge­schich­te.

bei dem we­ni­gen was ich von hos­sein der­akhs­han mit­be­kom­men habe, schien mir das was er sag­te eher von ver­bit­te­rung ge­prägt, als von sau­be­rer ana­ly­se. aber viel­leicht soll­te ich mich noch­mal in gän­ze durch den vor­trag quä­len.

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[nach­trag 06.05.2016]
et­was dif­fe­ren­zier­ter als ich setzt sich tho­mas pleil hier mit hos­sein der­akhs­hans the­sen aus­ein­an­der und zieht auch per­sön­li­che kon­se­quen­zen, näm­lich, un­ter an­de­rem, mehr ins ei­ge­ne blog zu schrei­ben und die­se in­hal­te auf an­de­re platt­for­men zu syn­di­zie­ren.

mar­cus ham­mer­schmitt schreibt auf te­le­po­lis auch kri­tisch über hos­sein der­akhs­han.


wir sind dann sit­zen­ge­blie­ben und statt des er­war­te­ten, be­reits zwei tage vor­her ge­lau­fe­nen pro­gramm­punkts art: what is it good for? mit ruth da­ni­el (vi­deo­auf­zeich­nung, noch nicht an­ge­se­hen), kam dann ga­bri­el lif­ton-zo­li­ne mit what you need to see! – im­mersi­ve sto­rytel­ling, das im prin­zip ein pro­dukt­pitch für RYOT war. RYOT ist ein jour­na­lis­ti­sches for­mat, dass viel mit 360°-vi­de­os ar­bei­tet und kürz­lich von der huf­fing­ton-post auf­ge­kauft wur­de.

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mich in­ter­es­siert das aus zwei grün­den nicht son­der­lich: ers­tens huf­fing­ton post und zwei­tens 360°-vi­de­os. die tech­no­lo­gie sei zwar da, be­ton­te ga­bri­el lif­ton-zo­li­ne mehr­fach, aber auf mich wirkt sie we­der aus­ge­reift, noch be­son­ders vor­teil­haft ge­gen­über vi­deo­tech­no­lo­gien mit ge­rin­ger grad­zahl. bei mir sind we­der 360°, noch VR so recht an­ge­kom­men. mit der RYOT app, kann ich zwar pri­ma 360°-vi­de­os auf ei­nem te­le­fon an­se­hen, aber war­um ich mir die vi­de­os mit dem han­dy vor der nase an­se­hen und mich da­bei um die ei­ge­ne ach­se dre­hen soll­te, um die rich­ti­ge per­spek­ti­ve zu fin­den, habe ich noch nicht ver­stan­den. kommt viel­leicht noch, dau­ert bei mir aber si­cher noch ein paar jah­re.


tho­mas fi­scher foto: re­pu­bli­ca/jan zapp­ner CC BY 2.0

wir sind wei­ter sit­zen­ge­blie­ben und dann kam über­ra­schen­der­wei­se tho­mas fi­scher mit straf­recht, wahr­heit und kom­mu­ni­ka­ti­on. das soll­te ei­gent­lich schon am vor­tag ge­zeigt wer­den, aber da hat­te tho­mas fi­scher wohl den flug ver­passt. sein vor­trag war an­ge­nehm und sym­pa­thisch, und han­del­te ge­nau von den the­men, die in der an­kün­di­gung stan­den:

Wie re­kon­stru­ie­ren wir Wahr­heit im Straf­prz­ess? Wie kon­stru­ie­ren wir Wirk­lich­keit von Si­cher­heit, Be­dro­hung, Straf­be­dürf­nis und Schuld?

Wie pas­sen Trans­pa­renz, Si­cher­heits­be­dürf­nis und Men­schen­rech­te zu­sam­men?

fun­fact am ran­de, die ak­tu­el­le fol­ge von the good wife han­delt (un­ter an­de­rem) ge­nau von die­sem the­men­kom­plex.

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nach dem mit­tag­essen sind wir dann zu kath­rin pas­sig (clash of cul­tures – be­we­gun­gen und ihre or­ga­ni­sa­tio­nen) und drei mit­strei­tern ge­gan­gen. kath­rin pas­sig er­öff­ne­te ihre ein­füh­rung in das the­ma mit ei­nem zi­tat von mir:

kath­rin pas­sig schaue ich mir auch an, wenn sie mit meh­re­ren auf der büh­ne steht und wenn das vor­trags­the­ma sich staub­tro­cken an­hört.

sie wies al­ler­dings dar­auf hin, dass das the­ma uns alle et­was an­ge­he und dass die aus­ein­an­der­set­zung mit or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren, uns vie­le schwie­rig­kei­ten und trä­nen er­spa­ren könn­te, weil wir uns qua­si stän­dig (im­pli­zit oder ex­pli­zit) or­ga­ni­sier­ten. tat­säch­lich schaff­te kath­rin pas­sig in ih­rer vor­re­de, mich für das the­ma zu in­ter­es­sie­ren und vor al­lem ihr hin­weis auf die­sen, schon et­was äl­te­ren, text von jo free­man habe ich ernst­ge­nom­men und ihn vor dem schrei­ben die­ser zei­len ge­le­sen. hier ein zi­tat aus dem text, das gut zeigt um was es geht:

[T]he idea of “struc­tur­e­less­ness” does not pre­vent the for­ma­ti­on of in­for­mal struc­tures, only for­mal ones. Si­mi­lar­ly “lais­sez fai­re” phi­lo­so­phy did not pre­vent the eco­no­mic­al­ly powerful from es­tab­li­shing con­trol over wa­ges, pri­ces, and dis­tri­bu­ti­on of goods; it only pre­ven­ted the go­vern­ment from do­ing so.

er­staun­lich an jo free­man’s text ist vor al­lem, wie zeit­ge­mäss er ist, und wie ex­akt er pro­ble­me be­schreibt, die wir auch in den 2000er jah­ren sehr gut ken­nen.

die ein­zel­nen wort­bei­trä­ge von vol­ker grass­muck, leo­nard do­busch und mo­nic mei­sel wa­ren nicht er­kennt­nis­los, aber ich muss sa­gen, dass mir die lek­tü­re von jo free­man’s text sehr viel mehr er­kennt­nis­se und aha-ef­fek­te ver­schafft hat, als das pa­nel selbst. so­weit ich sehe, hat kath­rin pas­sig die run­de hier sehr voll­stän­dig tran­skri­biert.

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ei­nen vor­teil hat­te es je­den­falls live beim pa­nel da­bei zu sein, wir hat­ten ei­nen mü­den hund im fuss­raum (foto von der bei­fah­re­rin auf in­sta­gram).


nach et­was her­um­ir­ren und hof-ste­hen woll­ten wir uns dann herrn kretz­schmar an­se­hen, der zu­sam­men mit anna lena schil­ler stif­te spre­chen las­sen woll­te. anna lena schil­ler und beet­le­bum wur­den üb­ri­gens drei­mal vor­ge­stellt, ein­mal vom büh­nen­mo­de­ra­tor, ein­mal auf ei­ner fo­lie und dann noch­mal von anna lena schil­ler. ich bin da ja eher ein freund der me­ta­da­ten, die bei ver­an­stal­tun­gen wie der re­pu­bli­ca sehr zahl­reich vor­han­den sind. aber auch spä­ter, in der you­tube-auf­zeich­nung von sol­chen vor­trä­gen, kann man den na­men der vor­tra­gen­den ei­gent­lich kaum ver­pas­sen. aber was solls? zehn­fach hält ein­fach bes­ser (mein name ist üb­ri­gens fe­lix schwen­zel).

auch wenn ich nur die ein­füh­rung der bei­den und ei­nen kurz­vor­trag von jo­han­nes kret­sch­mar mit­be­kom­men habe (wir muss­ten we­gen platz­angst nach 10 mi­nu­ten raus), habe ich wie­der lust be­kom­men, mal wie­der selbst zu zeich­nen krit­zeln. ei­gent­lich schon seit rand­all mun­roes vor­trag.

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da­nach zu jour­nel­le, die das in­ter­net dick ge­macht hat und zu der ich aus gründen nicht viel mehr sa­gen kann, als dass ich sie gran­di­os, fan­tas­tisch und irre wit­zig fin­de. das war ei­ner der per­sön­lichs­ten und aha-igs­ten vor­trä­ge die­ser re­pu­bli­ca.

"Ich habe nie was ge­gen ge­sun­de Er­näh­rung ge­sagt. Ei­ni­ge mei­ner bes­ten Freun­de er­näh­ren sich ge­sund." @jour­nel­le auf der #rp­TEN

Quark­kro­kett­chen (@an­ne­schuess­ler04.05.2016 16:01

und wenn je­mand so auf die büh­ne kommt, kann ei­gent­lich eh nix mehr schief­ge­hen.


und dann war die re­pu­bli­ca — zack! — auch schon wie­der (fast) vor­bei. john­ny haeus­ler fing das cheese­ga­te sehr wür­de­voll ab („Ain't no suns­hi­ne when cheese gone“) und, ob­wohl ich das seit min­des­tens 13 jah­ren weiss, bin ich im­mer wie­der er­staunt dar­über, was für eine ram­pen­sau john­ny haeus­ler ist. be­son­ders er­freu­lich fand ich, dass die be­su­cher­zahl in die­sem jahr tat­säch­lich, wie er­war­tet, noch­mal um die 1000 men­schen hö­her lag als letz­tes jahr, und dass sich das nicht un­an­ge­nehm be­merk­bar mach­te (aus­ser beim völ­lig über­füll­ten sa­scha-lobo-vor­trag). noch er­staun­li­cher: die zahl der live-stream-zu­schau­er, die, wenn ich mich recht er­in­ne­re, zu spit­zen­zei­ten um die 20.000 be­ström­te lag. das heisst aber auch, dass es noch min­des­tens zwan­zig­tau­send men­schen gibt, die noch flash be­nut­zen.


ich fand die re­pu­bli­ca die­ses jahr sehr ent­spannt (kein vor­be­rei­tungs­stress). ich freue mich dar­auf, noch ein paar vor­trä­ge auf you­tube an­zu­se­hen und noch­mal in ei­nem se­pa­ra­ten ar­ti­kel die ver­an­stal­tungs-high­lights zu­sam­men­zu­fas­sen — und na­tür­lich freue ich mich auf die #rp11 (oder is­ses dann wie­der die #rp17?).