ex-ge­heim­tipp

felix schwenzel

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sand, könn­te man mei­nen, ist ein vier­ter ag­gre­gat­zu­stand. nicht fest, nicht flüs­sig, gleich­zei­tig hart und weich, sau­ber und schmut­zig. sand ist vol­ler pa­ra­do­xien. wir has­sen sand, weil er manch­mal wenn es eng wird knirscht, aber wir lie­ben ihn, weil wir mit sand kind­heit und ur­laub as­so­zi­ie­ren.

vor ein paar jah­ren ka­men auch die ers­ten gross­stadt-gas­tro­no­men auf die idee die po­si­ti­ven as­so­zi­ia­tio­nen von sand zur stei­ge­rung des ge­trän­ke-ab­sat­zes zu nut­zen und sand­käs­ten für er­wach­se­ne zu bau­en. der ers­te mir be­kann­te ist die strand­bar-mit­te. die idee wur­de in den letz­ten drei jah­ren gross­flä­chig ko­piert und aus­ge­wei­tet; bun­des­press­estrand, ost­strand — mitt­ler­wei­le gibt es in ber­lin an die 10 strand­bars.

als ge­heim­tipp galt bis vor kur­zem auch der king ka­mea­mea gar­den zwi­schen der spree und der kö­pe­ni­ker stras­se. „hier ist ber­lin noch im arsch“ denkt man wenn man dort hin­kommt. ein­ge­rahmt von leicht­in­dus­trie-rui­nen und ge­braucht­wa­gen­händ­lern, dem deut­schen ar­chi­tek­tur zen­trum und zweit­klas­si­gen ge­wer­be­bau­ten auf der ei­nen sei­te, s- und fern­bahn­glei­sen auf der an­de­ren sei­te der spree, liegt der ka­mea­mea gar­den auf ei­ner brach­flä­che die dem be­wuchs nach zu ur­tei­len schon sehr lan­ge brach liegt. auf dem stau­bi­gen weg von der kö­pe­ni­ker stras­se zum king ka­mea­mea gar­den, riecht es zu­erst stark nach ge­braucht­wa­gen, dann nach urin, dann nach pferd. der pfer­de­ge­ruch kommt von den zir­kus­pfer­den ei­nes zir­kus, der sich sein som­mer- und win­ter­la­ger un­ter ei­ner der rui­nen ein­ge­rich­tet hat.

es gibt den ob­li­ga­to­ri­schen auf­ge­schüt­te­ten sand­strand, es gibt „wald­flä­chen“, eine be­ton-aus­sicht­platt­form mit lie­ge­stüh­len, eine grill­bu­de de­ren be­die­nung mi­nu­ten­lang die grill­spe­zia­li­tä­ten er­klärt und wenn man un­be­dingt will auch ver­kauft und eine bar in der man teil­wei­se noch bar­fuss und mit ras­ta-lo­cken be­dient wird. die mu­sik ist grau­se­lig, die laut­spre­cher ver­zer­ren, aber glück­li­cher­wei­se muss man die nur an der et­was ab­seits lie­gen­den bar aus­hal­ten. am was­ser herscht ruhe, ruhe zu­min­dest vor der mu­sik.

das pu­bli­kum ist wild ge­mischt: pseu­do-krea­ti­ve, die sich mit lap­top­ta­sche an den strand set­zen (ich), ex-DINKs mit ih­ren kin­dern, al­tern­de 68er, nach­wuchs-68er, mit­te-cha­rac­ters. aus­ser­dem, wie die­sen som­mer über­all, sehr vie­le wes­pen.

ein klei­nes pa­ra­dies, ein ex-ge­him­tipp.

king ka­mea­mea gar­den
hin­ter dem deut­schen ar­chi­tek­tur zen­trum (daz)
kö­pe­ni­cker str. 48/49
10179 ber­lin