würst­li­cher mei­nungs­dar­stel­ler

felix schwenzel

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da sitzt ein al­ter mann im roll­stuhl und spricht dar­über wie die ver­ei­nig­ten staa­ten von ame­ri­ka jah­re­lang ter­ro­ris­ten und rech­te dik­ta­tu­ren un­ter­stütz­ten und aus­bil­de­ten, er spricht über hun­dert­tau­sen­de von to­ten, über die grau­sam­kei­ten von krie­gen und re­gie­run­gen die frei­heit auf den fah­nen ste­hen ha­ben, aber de­ren chefs blut an den hän­den und lan­ge holz­na­sen im ge­sicht ha­ben und das noch nicht­ein­mal ver­heh­len wol­len. kei­ne fra­ge, der mann rö­chelt aus dem letz­ten loch und er regt sich auf. aber er saugt sich nichts aus den fin­gern. er re­det nicht von aus­ser­ir­di­schen oder sei­nen wahn­vor­stel­lun­gen, er re­det über his­to­ri­sche und ge­gen­wär­ti­ge fak­ten die man alle ganz gut nach­prü­fen und nach­voll­zie­hen kann und sei­ne mei­nung, sei­ne ana­ly­se dazu. und er schlägt ei­nen wun­der­ba­ren bo­gen, über krieg, lü­gen und po­li­tik, zu­rück zum in­di­vi­dum, zum men­schen und zu sei­ner sor­ge, dass uns eins un­se­rer höchs­ten gü­ter ver­lo­ren ge­hen könn­te, die wür­de des men­schen, die mensch­lich­keit.

die­ser alte mann heisst ha­rold pin­ter und hat ge­ra­de den li­te­ra­tur-no­bel­preis ge­won­nen. an­gu­cken und le­sen kann man das was er ge­sagt hat hier (via vowe).

wenn je­mand der mit ei­ner ge­wis­sen re­le­vanz ge­seg­net ist sei­ne mei­nung äus­sert, das ist klar, sprin­gen auch gleich die an­ders­mei­ner aufs par­kett und mei­nen in zei­tun­gen oder hier und da rum. klar muss so sein, man nennt das dis­kus­si­on, de­bat­te.

eben­falls in ei­nem roll­stuhl, dies­mal al­ler­dings in ei­nem in­tel­lek­tu­el­len, rollt cle­mens wer­gin, „mei­nungs­re­dak­teur“ vom ta­ges­spie­gel aufs par­kett.

er ist zu faul auf das was pin­ter ge­sagt hat ein­zu­ge­hen, möch­te aber de­noch eine mei­nung vor­täu­schen und ver­sucht des­halb gleich vier schrit­te zu über­sprin­gen um sich ge­dan­ken um das gros­se gan­ze, das wich­tigs­te zu ma­chen: sei­nen zu­stand, den zu­stand der in­tel­lek­tu­el­len. mei­nungs­pro­sa ei­nes fau­len hun­des, schritt für schritt:

  • ers­ma den ol­len ka­cker ab­fer­ti­gen: „selbst­ge­rech­ter west­li­cher Ho­he­pries­ter“ — fer­tich! ha!
  • jetzt klug er­schei­nen, wör­ter be­nut­zen die man nicht so ein­fach mal goog­len kann: „ma­nisch-ma­nich­äi­sche Hass-Ti­ra­den“ — fer­tich, in­tel­lek­tu­ell ist der text ab­ge­dich­tet.
  • jetzt den bo­gen zu mei­nem be­ruf schla­gen (und gleich­zei­tig er­klä­ren war­um ich in die po­li­tik-re­dak­ti­on und nicht ins feuil­le­ton ge­gan­gen bin): „[Den] in­tel­lek­tu­el­len Feuil­le­ton­de­bat­ten [man­gelt es] seit Jah­ren an Mut zum Dis­sens, an Witz, Schär­fe und neu­em, auf­re­gen­dem Den­ken […].“
  • puh, er­schöp­fung. mehr schaff ich in mei­nem en­gen „mei­nungs­re­dak­teurs“-ter­min­plan nich mehr. muss je­mand an­ders mei­ne mei­nung aus­drü­cken: „Tho­mas Schmid sieht in der FAS im Zerr­bild von Pin­ter die Kri­se des eu­ro­päi­schen In­tel­lek­tu­el­len al­ter Prä­gung auf­schei­nen. Hier ein paar Pas­sa­gen aus sei­nem heu­ti­gen Mei­nungs­stück:“
  • so. ihr lin­ken, selbst­ge­rech­ten, in traum­wel­ten le­ben­den scheiss-in­tel­lek­tu­el­len, was sagt ihr nun, wo ich euch kunst­voll ab­ge­fer­tigt habe, haha!

wer­gin ist nicht nur selbst eine selbst­ge­rech­te, an mei­nung, witz, schär­fe und neu­em, auf­re­gen­dem den­ken man­geln­de wurst, nein, viel schlim­mer, er kann noch­nicht­mal lin­ken.