Freu­bier für al­le!

Sascha Lobo

Wenn man frü­her, als es noch Kon­takt­an­zei­gen gab, Kon­takt­an­zei­gen las, dann konn­te man schnell fest­stel­len, dass die wich­tigs­te Ei­gen­schaft ‚Hu­mor ha­ben’ hiess. Das ist na­tür­lich Quark aus ganz vie­len Grün­den. Hu­mor ha­ben ist eine Null­ei­gen­schaft, weil [bit­te hier selbst Ar­gu­men­te aus­den­ken]. Eine wirk­lich wich­ti­ge Ei­gen­schaft wird oft mit die­sem Hu­mor­ge­ha­be ver­wech­selt, ich habe sie mir erst jüngst ver­ge­gen­wär­tigt: sich freu­en kön­nen. Ich möch­te ein Lo­bo­lied sin­gen auf alle Men­schen, die sich freu­en kön­nen, Scha­den­freu­de aus­ge­nom­men. Freu­de ist eine Top­ei­gen­schaft. Ich freue mich im­mer, wenn an­de­re sich freu­en, dann freue ich mich dar­über, dass ich mich freue, dann setzt eine Freu­spi­ra­le ein, ein Freu­fels­kreis prak­tisch, ein En­dor­phin­mas­sa­ker. In die­sem Zu­sam­men­hang muss ich kurz mit ei­nem al­ten Sprich­wort ab­rech­nen, ‚Vor­freu­de ist die schöns­te Freu­de’, das muss aus der Zeit stam­men, als man mit Sex noch bis zur Ehe ge­war­tet hat, mit dem Ef­fekt, dass sich in der ers­ten Nacht zwei weit­ge­hend un­ge­üb­te Fi­cker ge­gen­über­stan­den, bzw. ge­gen­über­la­gen. Vor­freu­de ist nicht schlecht, klar, aber gar nichts ge­gen zum Bei­spiel die Tufreu­de, die Nach­freu­de oder die Er­kennt­nis­freu­de. ‚Vor­freu­de ist die viert­schöns­te Freu­de’, dar­über könn­te man ver­han­deln.

Er­kennt­nis­freu­de ist ein lus­ti­ges Ding, das umso öf­ter auf­tritt, je we­ni­ger man weiss, aber je in­ter­es­sier­ter man ist. Über­haupt soll­te man mehr über die ab­brü­hen­de Wir­kung der Wis­sens- und Er­fah­rungs­an­häu­fung nach­den­ken. Bis ich sieb­zehn Jah­re alt war, wuss­te ich zum Bei­spiel nicht, wie un­fass­bar gut feuch­ter Quarz­sand in Na­del­wäl­dern riecht, dann stell­te sich durch simp­les dran Rie­chen die Er­kennt­nis ein und ich freu­te ein gan­zes nie­der­län­di­sches Dorf in die Angst­star­re, weil sich bei mir die Freu­de über den Sand­ge­ruch in ei­ner Freu­den­schrei­at­ta­cke ent­lud. Die meis­ten Ver­liebt­heits­mo­men­te mei­nes Le­bens kann ich auf ge­mein­sa­me Freu­se­kun­den her­un­ter­iso­lie­ren.

Dem­entspre­chend bin ich der Mei­nung, dass sich die meis­ten Men­schen zu we­nig freu­en. Der ge­sam­te Freu­de-Kom­plex birgt na­tür­lich eine ex­trem hohe Pe­ter-Hah­ne-Ge­fahr, der ich durch das eben­so simp­le wie sinn­lo­se Ein­fü­gen der Ver­mu­tung ‚even­tu­ell gibt es Leu­te, die Pe­ter Hah­ne für eine Vot­ze hal­ten’ be­geg­nen möch­te. Trotz­dem soll­te man auf eu­ro­päi­scher Ebe­ne über die Ein­füh­rung ei­ner Freu­pflicht nach­den­ken.