Die sie­ben su­pers­ten Su­per­la­ti­ve Süd­ame­ri­kas - ein Rei­se­ta­ge­buch

Sascha Lobo

Ich bin Halbar­gen­ti­ni­er und habe des­halb vor zwölf Jah­ren ei­ni­ge Zeit in Süd­ame­ri­ka ge­lebt. Meh­re­re Mo­na­te bin ich her­um­ge­fah­ren und habe Ein­drü­cke in Mil­lio­nen­hö­he ge­sam­melt. In­zwi­schen kann ich wie­der dar­über spre­chen und das nut­ze ich heim­tü­ckisch aus, um in sie­ben Fol­gen das Süd­ame­ri­ka zu be­schrei­ben, das ich ken­nen ge­lernt habe. Es han­delt sich da­bei um die Län­der Ar­gen­ti­ni­en, Bo­li­vi­en, ein we­nig Peru, ei­nen Hauch Chi­le und viel, viel Pa­ta­go­ni­en, das zwar kein ei­ge­nes Land ist, in dem da­für aber mein Va­ter ge­bo­ren ist, mit dem ich vor Ort war und der mir er­klärt hat, wo­her der Wind dort weht, näm­lich im­mer aus der glei­chen Rich­tung und das ohne Un­ter­lass. Die Häu­ser ha­ben dort auf der wind­ab­ge­wand­ten Sei­te sämt­li­che Tü­ren und Fens­ter. Ab und an flie­gen Scha­fe durch die Ge­gend. In man­chen Ge­gen­den macht der fei­ne Sand in der Luft die Men­schen ver­rückt bis sie Hob­bys ent­wi­ckeln wie Pin­gu­in-Weit­wurf. Noch wei­ter im Sü­den ren­nen die dümms­ten Tie­re der Welt, Nan­dus, eine Art Vo­gel Strauss für sehr Arme, vor sich selbst weg. Die Städ­te Süd­ame­ri­kas hin­ge­gen sind der Mehr­zahl von Geis­tes­kran­ken be­völ­kert und in so­fern ganz nor­ma­le Städ­te, aber jede ein­zel­ne be­gnügt sich kei­nes­falls mit ei­nem ge­sun­den Durch­schnitt, son­dern ver­sucht auf Krampf, in min­des­tens ei­ner Dis­zi­plin voll­kom­men jen­seits je­der Zu­rech­nungs­fä­hig­keit zu sein. Die Men­schen in Süd­ame­ri­ka las­sen sich na­tür­lich in eine Schub­la­de ste­cken, und zwar in die Süd­ame­ri­ka­ni­sche. Das ha­ben sie alle ge­mein­sam. Sonst nichts.

Bo­li­via­ner sind un­fass­bar ehr­li­che Leu­te, so­gar Be­trü­ger mel­den sich zu Wort, wenn der Be­trug am Kun­den ih­rer Mei­nung nach zu hoch aus­fällt. Von den Ar­gen­ti­ni­ern kann man das nicht so recht be­haup­ten, im Ge­gen­teil geht ein Spruch um, der das Ver­hält­nis zwi­schen der un­mo­ra­lischs­ten und der zweit­un­mo­ra­lisch­ten Pro­vinz zu ver­deut­li­chen ver­sucht: Was ist der Un­ter­schied zwi­schen ei­nem Cord­obe­sen (aus Cor­do­ba) und ei­nem Por­te­ño (aus Bue­nos Ai­res)? Bei­de ver­kau­fen Dir ihre Mut­ter, aber der Cord­obe­se lie­fert sie dazu noch nicht aus. So lässt sich na­tür­lich lus­tig und bunt ein Vor­ur­teil ans an­de­re rei­hen, aber Süd­ame­ri­ka ist ein Kon­ti­nent der Ex­tre­me, da muss man manch­mal auch be­schrei­ben­der­wei­se über die Strän­ge schla­gen. Und so ver­klärt sich die­ser Be­richt na­tür­lich nicht nur durch die gut ab­ge­han­ge­ne, aber wie ein be­schla­ge­nes Glas leicht dif­fu­se Er­in­ne­rung, son­dern auch durch die über­höh­te Aus­wahl der be­schrie­be­nen Din­ge. Es sind sämt­lich Su­per­la­ti­ve, und zwar kaum je ein­fa­che Su­per­la­ti­ve, son­dern die gröss­ten, höchs­ten, wei­tes­ten, tolls­ten und eben su­pers­ten Su­per­la­ti­ve, die über­haupt zu fin­den sind. Des­halb lau­ten die Na­men der in den nächs­ten Ta­gen fol­gen­den sie­ben Ka­pi­tel so:

Rio Cuar­to - die häss­lichs­te Stadt der Welt
Po­to­sí - die höchs­te Stadt der Welt
Ti­ti­ca­ca - der höchs­te See der Welt
La Paz - die städ­tischs­te Kes­sel der Welt
Pe­ri­to Mo­reno - der hek­tischs­te Glet­scher der Welt
Feu­er­land - das süd­lichs­te Dings der Welt
Bue­nos Ai­res - die städ­tischs­te Stadt der Welt