hal­lo mis­ter ster­zinsky!

felix schwenzel

der ber­li­ner kar­di­nal ge­org ster­zinsky hat letz­te wo­che ei­nen gast­bei­trag für den ta­ges­spie­gel ver­fasst. der ti­tel lau­te­te: „Dür­fen Mus­li­me in Deutsch­land Mo­scheen bau­en?“ und der ers­te satz des ar­ti­kels ist auch gleich die ant­wort: „Ja, selbst­ver­ständ­lich dür­fen Mus­li­me in Deutsch­land Mo­scheen bau­en.“

mit die­ser ant­wort könn­te ich jetzt auf­hö­ren und bräuch­te mich nicht auf­zu­re­gen. die aus­sa­ge könn­te man aus­dru­cken und ne­ben den aus­druck des grund­gest­zes ab­hef­ten.

auch wenn ster­zinsky als li­be­ra­ler kir­chen­mann gilt, kla­re, ein­fa­che aus­sa­gen wie „selbst­ver­ständ­lich dür­fen Mus­li­me in Deutsch­land Mo­scheen bau­en“ oder „lie­be dei­nen nächs­ten wie dich selbst“ oder „wenn dir ei­ner auf die eine Wan­ge schlägt, halt ihm auch die an­de­re hin“ schei­nen ei­nem kar­di­nal nicht mehr an­ge­mes­sen zu sein. ein kar­di­nal sieht heut­zu­ta­ge sei­ne auf­ga­be of­fen­bar dar­in, an­de­re zu mass­re­geln, zu rich­ten und rum­zu­dif­fe­ren­zie­ren.

plötz­lich stellt hier ein kir­chen­mann re­geln für den bau von kir­chen auf, die er für sei­ne ei­ge­ne kir­che wahr­schein­lich em­pört ab­leh­nen wür­de.

ster­zinsky fragt im text da­nach ob gros­se mo­schee­bau­ten wie das bau­vor­ha­ben in in char­lot­ten­burg „wirk­lich der in­te­gra­ti­on“ dien­ten. seit wann die­nen kir­chen der in­te­gra­ti­on? oder seit wann ist in­te­gra­ti­on die be­din­gung für freie re­li­gi­ons­aus­übung? die­nen christ­li­che kir­chen der in­te­gra­ti­on? über christ­li­che kir­chen in is­la­mi­schen län­dern sagt ster­zinsky das zu­min­dest nicht. dort wür­de der bau „klei­ner [christ­li­cher] kir­chen“ der mög­lich­keit die­nen „die ei­ge­ne re­li­gi­on ohne angst vor ver­fol­gung prak­ti­zie­ren zu kön­nen“. olla. es riecht nach zwei­er­lei mass.

ster­zinsky hat aus­ser­dem angst, dass der bau von mo­scheen „die ten­denz zur ab­schot­tung und zu par­al­lel­ge­sell­schaf­ten“ ver­stär­ke. das sagt ein ka­tho­lik der sich wei­gert ge­sell­schaft­li­che rea­li­tä­ten an­zu­er­ken­nen und dazu auf­ruft ge­gen die gleich­be­hand­lung von ho­mo­se­xu­el­len oder frau­en wi­der­stand zu leis­ten, weil der­er­lei dem ge­setz got­tes wi­der­spre­che? das sagt ein mit­glied ei­ner kir­che des­sen mit­glie­der sich in klos­tern und pa­läs­ten ab­schot­ten und das sek­ten­ähn­li­che or­ga­ni­sa­tio­nen wie den opus dei her­vor­ge­bracht hat? die ka­tho­li­sche kir­che hat angst vor ab­schot­tung? olla.

noch wei­ter un­ten in sei­nem text fragt ster­zinsky ob ein Mo­schee­bau so di­men­sio­niert sein müs­se, „dass zu­min­dest der Ein­druck ent­ste­hen kann, eine Macht­de­mons­tra­ti­on sei be­ab­sich­tigt?“ nun gut. die ka­tho­li­schen kir­chen hier in ber­lin sind ein we­nig po­pe­lig. aber ich wage zu be­haup­ten, dass der gross­teil der ka­tho­li­schen kir­chen ge­nau aus die­sem grun­de ge­baut wur­de: als macht­de­mons­tra­ti­on. als ein mit­tel um men­schen ein­zu­schüch­tern, mit gi­gan­tis­mus und protz die men­schen zu de­mut und furcht zu er­zie­hen.

wenn das nicht so wäre, wäre der köl­ner dom eine klei­ne hüt­te.

ab­geshen da­von soll­te ster­zinsky er­ken­nen, dass es nix bringt gi­gan­to­ma­ni­sche kir­chen zu bau­en. zu­min­dest sei­nem ver­ein lau­fen die leu­te wei­ter in scha­ren da­von, egal wie gross die kir­chen sind. ihm scheint es dar­um zu ge­hen im chor mit mar­kus söder zu sin­gen. das lied lau­tet: „Mo­scheen dür­fen nicht grö­ßer als Kir­chen sein.“

das wür­de, meint söder, das stadt­bild be­ein­träch­ti­gen. wo kä­men wir denn hin, wenn ge­sell­schaft­li­che rea­li­tä­ten sich im stadt­bild ab­bil­den wür­den?

zu gu­ter letzt zi­tiert ster­zinsky auch noch falsch. er be­haup­tet gün­ter wal­raff und klaus staeck wür­den sich ge­gen den bau „gros­ser“ mo­scheen aus­spre­chen. ich konn­te nichts der­glei­chen fin­den. im ge­gen­teil. wall­raff ist da­für „vie­le mo­scheen blü­hen“ zu las­sen (meint aber man sol­le ge­bau hin­se­hen was dort ge­schieht). klaus staeck hin­ge­gen ana­ly­siert eher ster­zinskys mo­ti­ve als sich ge­gen den bau von mo­scheen aus­zu­spre­chen: „die Mo­scheen-Pla­nung [schaf­fe] Neid bei den An­hän­gern an­de­rer Re­li­gio­nen, die im­mer we­ni­ger Men­schen an­lock­ten“.

ster­zinsky meint, re­li­gi­ons­frei­heit sei kei­ne ein­bahn­stras­se. ein ähn­lich blö­der spruch wie „das in­ter­net ist kein recht­frei­er raum“ oder „In­te­gra­ti­on ist kei­ne Ein­bahn­stra­ße“. aus po­li­ti­ker­mün­dern kom­men sol­che sät­ze im­mer sehr ger­ne: „So­li­da­ri­tät ist kei­ne Ein­bahn­stra­ße“, „To­le­ranz ist kei­ne Ein­bahn­stra­ße“. das sind al­les ziem­li­che leer­lauf­sät­ze die ei­gent­lich nichts an­de­res aus­sa­gen als: ihr könnt ma­chen was ihr wollt, so­lan­ge ihr tut was wir wol­len.

es ist klar. alle kir­chen, alle re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten ha­ben gren­zen. das ist im grund­ge­setz re­la­tiv klar de­fi­niert, dort steht, dass re­li­gi­on und staat streng ge­trennt wer­den müss­ten. das hat bis­her ganz gut funk­tio­niert und uns vor je­der men­ge un­heil und elend be­wahrt.

und ge­nau das wür­de ich ger­ne von ei­nem mann wie ster­zinsky hö­ren: re­li­gi­on und staat ge­hö­ren ge­trennt, ex­tre­mis­mus, un­mensch­lich­keit, ver­fas­sungs­feind­schaft sind scharf zu äch­ten und durch den staat und trans­pa­renz der kir­chen zu be­kämp­fen.

und da könn­te die ka­tho­li­sche kir­che doch mal mit gu­tem bei­spiel vor­an­ge­hen, statt mit dem fin­ger auf an­de­re zu zei­gen. herr ster­zinsky, ver­zich­ten sie auf ihr fürst­li­ches ge­halt das ih­nen das land ber­lin ge­gen den grund­satz der tren­nung von kir­che und staat über­weist, för­dern sie die trans­pa­renz der ka­tho­li­schen kir­che, der va­tik­an­bank bei­spiels­wei­se und üben sie de­mut statt auf an­de­re zu zei­gen!

so … und jetzt das gan­ze noch­mal ge­kürzt, ge­stam­melt und sinn­ver­min­dert als vi­deo bei watch­ber­lin (flv-di­rekt­link).