le­sun­gen am wo­chen­en­de

felix schwenzel

am sonn­tag war ich, statt for­mel1 zu gu­cken, mal wie­der auf ei­ner kaf­fee.satz-le­sung. das schö­ne an sol­chen le­sun­gen ist, man sich pri­ma in­spi­rie­ren las­sen (mir kom­men auf le­sun­gen im­mer un­heim­lich vie­le gute ideen in den kopf die ich kurz nach der le­sung al­ler­dings alle wie­der ver­ges­sen habe) und viel über sich selbst ler­nen.

ich habe ges­tern bei­spiels­wei­se be­merkt, dass ich mich mehr und mehr in ein in­to­le­ran­tes, vor­ur­teils­be­la­de­nes arsch­loch ver­wand­le (oder schon im­mer eins war). wenn je­mand ei­nen text vor­liest der nicht 100 pro­zen­tig mei­nen hör- oder le­se­ge­wohn­hei­ten ent­spricht schal­te ich erst­mal auf stur und las­se den text aus for­ma­len grün­den auf der ei­nen sei­te rein und auf der an­de­ren sei­te gleich wie­der raus ohne ihn auch nur an­satz­wei­se ver­ste­hen zu wol­len. wohl­ge­merkt aus for­ma­len grün­den, weil mir ir­gend­was am satz­bau oder an der er­zähl­form nicht passt.

am sonn­tag wa­ren es die tex­te von an­dre­as stich­mann, den jo­chen rei­ne­cke hier ad­äquat ge­wür­digt hat. erst als das hal­be pu­bli­kum sich sche­ckig lach­te, liess ich mich her­ab den text über­haupt wahr­zu­neh­men, hin­ter die for­ma­le fas­sa­de, an die man sich als to­le­ran­ter mensch ja auch ein­fach so ge­wöh­nen kann, zu bli­cken um dort wun­der­ba­re und ur­ko­mi­sche ge­dan­ken, frag­men­te und be­ob­ach­tun­gen wahr­zu­neh­men. als je­mand, der von an­de­ren ver­langt, über for­ma­li­en wie recht­schrei­bung oder gross- und klein­schrei­bung hin­weg­zu­se­hen, ist so eine hal­tung schon ganz schön dreist.

noch ar­ro­gan­ter und in­to­le­ra­ter war ich bei der wahr­neh­mung des gast­ge­bers. je­des­mal wenn ich ihn sehe, wenn er sich breit grin­send, wild ges­ti­ku­lie­rend, selbst­ver­liebt und ir­gend­wel­chen spon­tan aus­ge­dach­ten quatsch er­zäh­lend vor das pu­bli­kum stellt, emp­fin­de ich ab­scheu. muss man sich mal auf der zun­ge zer­ge­hen las­sen, ich sitz bei dem in der woh­nung und fin­de ihn ein­fach doof ob­wohl er doch das glei­che macht wie je­der der ein pu­bli­kum hat. er ver­sucht sein pu­bli­kum nicht zu lang­wei­len, lus­tig zu sein, zu un­ter­hal­ten und will ein­fach nur ge­mocht wer­den. bes­tens ver­ständ­li­che mo­ti­ve, die auch mich (manch­mal) in mei­nen hel­len stun­den an­trei­ben.

auch ich bin selbst­ge­fäl­lig, drän­ge mich in den vor­der­grund und tue das, was ich tue oft mit hand­werk­li­chen feh­lern. ich bin so ver­mes­sen schlecht oder gar nicht vor­be­rei­tet vor mein pu­bli­kum zu tre­ten, sie mit ol­len ka­mel­len zu lang­wei­len und ver­lei­he mei­ner ich-be­zo­gen­heit bru­tals­mög­lich aus­druck. und nur bei die­sem schau­spie­ler stört es mich. aber viel­leicht nerv­te mich auch gar nicht der schau­spie­ler so sehr, son­dern das pu­bli­kum. war­um la­chen und klat­schen die bei wit­zen die ei­nem ei­gent­lich die fuss­nä­gel auf­rol­len soll­ten, war­um schreit eine aus dem pu­bli­kum „mehr!“, als die qual­vol­le per­for­mance end­lich zu­en­de geht?

an­sons­ten fand ich die le­sung üb­ri­gens ganz gran­di­os. und ich bin mitt­ler­wei­le be­reit, jo­chen rei­ne­cke zum wit­zigs­ten men­schen den ich ken­ne zu er­klä­ren — und das ob­wohl er aus­sieht wie ein ju­ra­stu­dent mit leich­tem hang zur adi­po­si­tas, frisch aus dem ver­bin­dungs­haus.

die an­de­re le­sung, am sams­tag, war üb­ri­gens auch ganz fa­mos. ton­do­ku­men­te da­von gibt es auch ein paar.