vo­da­fone rohr­kre­pie­rer 2.0

felix schwenzel

an schlech­te wer­bung ha­ben wir uns alle ge­wöhnt. sie ist all­ge­gen­wär­tig. wenn sie be­son­ders schlecht, doof for­mu­liert oder spa­ckig ist fo­to­gra­fie­re ich sie und ver­su­che mich dar­über lus­tig zu ma­chen. an­sons­ten bil­de ich mir ein, sie ei­ni­ger­mas­sen gut aus­blen­den zu kön­nen und sie on­line dank wer­be- und flash-blo­ckern gar nicht erst wahr­zu­neh­men. manch­mal ge­winnt die wer­bung den kampf um auf­merk­sam­keit, es gibt leu­te, die fül­len gan­ze web­logs mit schlech­ter wer­bung, ich freue mich manch­mal über be­son­ders be­scheu­er­ten spam und wenn wer­bung wit­zig oder äs­the­tisch über­ra­gend ist, schen­ke ich ihr so­gar ger­ne mei­ne vol­le auf­merk­sam­keit.

manch­mal ver­sucht wer­bung sich di­rekt an mich zu wen­den, in­dem sie ge­sich­ter oder stim­men von per­so­nen ver­wen­det die ich ken­ne oder gut fin­den könn­te. das nennt man dann „tes­ti­mo­ni­al“. das tes­ti­mo­ni­al soll dann von sei­nem image oder sei­ner sym­pa­thie auf die mar­ke ab­strah­len.

wenn also vo­da­fone jetzt mit sa­scha lobo, frau schnu­tin­ger und ih­rem baby da­her­kommt und im hin­ter­grund des wer­be­spots ro­bert ba­sic und kos­mar zu er­ken­nen sind und die wer­be­fuz­zis von ei­ner „ge­ne­ra­ti­on upload“ la­bern füh­le ich mich an­ge­spro­chen. man kann da si­cher­lich stra­te­gi­sches kal­kül ver­mu­ten. heu­te mit­tag habe ich vo­da­fone dann den ge­fal­len ge­tan und dem neu­en spot mei­ne auf­merk­sam­keit ge­schenkt. hier is­ser.

was sieht man da? ei­nen de­bil grin­sen­den und schlecht sin­gen­den ty­pen der von ei­nem hoch­haus springt, eine mut­ti mit ih­rem baby vor­singt, dass es mal kö­ni­gin sein wird, ei­nen dür­ren, wild ham­peln­den skan­di­na­vi­er, der mit ei­nem sehr gros­sen mund, sehr schief singt, ei­nen bär­ti­gen mann mit ei­ner gros­sen son­nen­bril­le der sich mit ge­reck­ter faust über eine star­ten­de ra­ke­te freut, ei­nen mann im ja­cket und ei­nem iro­ke­sen der ein te­le­fon in der hand hält und mich an­sieht und „we the peo­p­le“* „We can beat them“ sagt und mich da­nach aus ei­nem bus an­sieht, ei­nen hund der aus­sieht als müs­se er ka­cken und auf ei­nem skate­board steht, drei sehr jun­ge men­schen mit skate­boards und kopf­be­de­ckung, ein kind das wür­fel sta­pelt und mich da­nach an­starrt, zwei als as­tro­nau­ten ver­klei­de­te men­schen die an sei­len von der de­cke hän­gen, eine äl­te­re dame die so tut als sän­ge sie und sich rhyth­misch vor ei­nem bild­schirm be­wegt, jun­ge leu­te die durch ber­lin mit­te lau­fen und in ei­nem bus sit­zen und de­bil grin­sen und te­le­fo­nie­ren, ei­nen luft­gi­tar­ren­spie­ler, ei­nen ty­pen im an­zug der schreit und dem aus ei­nem un­er­find­li­chen grund zu­ge­ju­belt wird und am ende eine men­schen­men­ge, die die arme in die höhe reisst und sich über ir­gend­et­was laut­hals freut.

die­se art spot habe ich be­reits meh­re­re tau­send mal ge­se­hen. zu­erst in den spä­ten ach­zi­ger jah­ren, als lag­ne­se eis-wer­bung. mot­to; ganz nor­ma­le men­schen wie du und ich, ner­vi­ge mu­sik, tan­zen, fer­tig. das glei­che folg­te in un­end­li­chen va­ria­tio­nen, mal mit schö­ne­ren, mal mit we­ni­ger schö­nen men­schen: wer­bung für bar­ca­di, becks, cam­pa­ri, coca cola, C und A — im­mer das glei­che mot­to: ver­meint­lich coo­le leu­te, die sich im rhyt­mus der mu­sik be­we­gen und am ende ein mar­ken-logo.

und jetzt der glei­che müll nach ei­nem min­des­tens 30 jah­re al­ten re­zept mit ein paar blog­gern und ver­meint­lich „nor­ma­len“ leu­ten? das soll vo­da­fone 2.0 sein?

da­mit soll ich mich iden­ti­fi­zie­ren? mir kommt das vor, als ob mich je­mand blöd von der sei­te an­la­bert und mir weis­zu­ma­chen ver­sucht du stehst doch auf so­was, mit so­was kanns­te dich doch iden­ti­fi­zie­ren?

die blogs, twit­ter und die kom­men­tar­spal­ten sind voll mit scha­den­freu­de und ver­wun­de­rung. mot­to, wtf, was soll der scheiss? ist es das was vo­da­fone mit 200 mil­lio­nen euro ein zwei­s­te­li­gen mil­lio­nen-bud­get(*) er­rei­chen will? auf­merk­sam­keit, ger­ne auch ne­ga­tiv, oder hat die wer­be­agen­tur scholz and fri­ends viel­leicht so­gar ge­dacht so ein emo­tio­nal über­dreh­ter kram könn­te blog­gern, twit­te­rern oder den be­rüch­tig­ten „on­line­com­mu­ni­ty­be­nut­zern“ ge­fal­len?

ich kann mir nie­man­den vor­stel­len der sich von die­sem pseu­do-emo­tio­na­len, äs­the­tisch und mu­si­ka­lisch völ­lig un­in­spi­rier­tem krea­tiv­ab­fall an­ge­spro­chen füh­len könn­te. te­le­ta­rif.de nimmt be­reits das wort „fi­as­ko“ in den mund und fragt: „An­bie­dern bei der In­ter­net-Com­mu­ni­ty – der rich­ti­ge Weg für Vo­da­fone?“

be­son­ders pein­lich fin­de ich ei­nen be­ken­nen­den ipho­ne-fan und t-mo­bi­le-kun­den wie sa­scha lobo auf ein vo­da­fone pla­kat zu kle­ben, in ei­nem bus (!), ob­wohl je­der der ihn kennt weiss, dass sa­scha nur in äus­sers­ten not­fäl­len in ei­nen bus oder eine tram steigt und das ein­zi­ge öf­fent­li­che ver­kehr­mit­tel das er be­nutzt ta­xen sind. da­von ab­ge­se­hen, dass das hin­ter­grund­bild, das of­fen­bar ber­lin dar­stel­len soll, auch noch wie von ei­nem prak­ti­kan­ten mit mi­cro­soft paint ein­mon­tiert aus­sieht und sa­scha lobo ein biss­chen wie zo­nen-gabi im glück mit sei­nem ers­ten ha­nu­ta wirkt, scheint mir die­se kam­pa­gne doch sehr lieb­los zu­sam­men­ge­stü­ckelt.

nichts passt zu­sam­men, die ver­meint­li­che ziel­grup­pe lacht sich ka­putt und selbst der on­line-ver­mark­ter fragt sich, wann vo­da­fone jetzt dem voll­mun­di­gen ver­spre­chen der „ge­ne­ra­ti­on upload“ et­was bie­ten zu kön­nen, „kon­kre­tes“ fol­gen lässt:

Die «Ge­ne­ra­ti­on Upload», das steht heu­te schon fest, könn­te man auch «Ge­ne­ra­ti­on Kein-Blatt-vor-den-Mund» nen­nen, denn Sie hat aus Sicht von Un­ter­neh­men auch die schlech­te Ei­gen­schaft, dass sie sich nur un­gern ver­ar­schen lässt. Da­her muss Vo­da­fone jetzt Kon­kre­tes fol­gen las­sen, wenn sie es ernst mei­nen, sonst geht der Schuss nach hin­ten los. Denn wirk­lich pas­sen­de An­ge­bo­te für die «Ge­ne­ra­ti­on Upload» feh­len bis­lang.
  • die ta­ri­fe von vo­da­fone sind völ­lig un­at­trak­tiv für leu­te die mo­bil on­line sein wol­len. neue, at­trak­ti­ve­re ta­ri­fe oder pro­duk­te sind mit der kam­pa­gne nicht vor­ge­stellt oder ang­kün­digt wor­den.
  • die AGBs sind ge­nau­so be­scheu­ert wie die al­ler an­de­ren an­bie­ter und er­lau­ben we­der die nut­zung von „Voice over IP, In­stant Mes­sa­ging und Peer-to-Peer-Ver­bin­dun­gen
  • vo­da­fone brüs­tet sich da­mit ein glo­ba­les un­ter­neh­men zu sein, zockt die be­nut­zer aber nichts­des­to trotz ab, wenn sie sich in aus­län­di­sche vo­da­fone-net­ze ein­wäh­len.
  • vo­da­fone-kun­den sind enorm ge­nervt vom hand­set-bran­ding, bei dem sich vo­da­fone nicht dar­auf be­schränkt lo­gos auf das han­dy zu kle­ben, son­dern meint die han­dy-soft­ware mo­di­fi­zie­ren zu müs­sen, was ner­vi­ge funk­ti­ons­ein­schrän­kun­gen und ver­zö­ger­te firm­ware-up­dates zur fol­ge hat.
  • vo­da­fone war ei­ner der ers­ten te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­bie­ter, der sich frei­wil­lig von ur­su­la von der ley­en bei der er­rich­tung ei­ner zen­sur­in­fra­struk­tur ein­span­nen liess

ich weiss ja nicht ob es eine gute stra­te­gie ist, ein pro­dukt das of­fen­sicht­lich män­gel hat oder zu­min­dest für die an­vi­sier­te ziel­grup­pe enorm un­at­trak­tiv ist, bunt an­zu­ma­len, sich da­mit bei der ziel­grup­pe lä­cher­lich zu ma­chen und dann auch noch ein tes­ti­mo­ni­al zu nut­zen, dass die pro­duk­te der kon­kur­renz vor­zieht, statt erst­mal, klar und deut­lich, das pro­dukt selbst zu ver­bes­sern.

oder ist es heut­zu­ta­ge in der auf­merk­sam­keits­öko­no­mie doch so, je pein­li­cher des­to er­folg­rei­cher?

aus­ser­dem (wird lau­fend ak­tua­li­siert):

[*) nach­trag 11.07.2009]
olaf kol­brück kor­ri­giert sei­ne schät­zung des vo­da­fone bud­gets un­ten in den kom­men­ta­ren:

Bei den 200 mio han­delt es sich um den ge­schätz­ten! glo­ba­len Me­dia-Etat. Der Deutsch­land­etat wird im mitt­le­ren bis obe­ren zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­reich lie­gen.

ich kor­ri­giers es hier noch­mal so ex­pli­zit, weil die FAZ es auch falsch von olaf kol­brück über­nom­men hat und ich mir nicht nach­sa­gen las­sen will ge­nau­so schlam­pig wie die FAZ zu sein.