„du hu­re!“ — „ja schatz?“

felix schwenzel

vor­ges­tern nacht war vor un­se­rem schlaf­zim­mer wie­der rich­tig was los. die bei­fah­re­rin und ix woh­nen in ham­burg mit ei­nem herr­li­chen blick auf den ha­fen und eine grös­se­re s-bahn-sta­ti­on. wie am ha­fen, wer­den am s-bahn­hof re­gel­mäs­sig äus­serst du­bio­se we­sen an­ge­schwemmt. zu zei­ten des ha­fen­fests steigt bei­spiels­wei­se die ge­fahr vor un­se­rer haus­tür in mensch­li­che ex­kre­men­te zu tre­ten ex­po­nen­ti­ell an. fast je­den abend wer­den wir zeu­gen da­von, dass al­ko­hol die men­schen mit­un­ter in sehr lau­te geist- und wil­len­lo­se we­sen ver­wan­deln kann.

vor­ges­tern nacht spiel­te sich ein be­son­ders dras­ti­sches al­ko­hol- und blöd­heits­in­du­zier­tes dra­ma vor un­se­rem schlaf­zim­mer­fens­ter ab. mich weck­te lau­tes, weib­li­ches ge­ga­cker, dass sich bei ge­naue­rem hin­hö­ren als thea­tra­li­sches ge­heu­le ei­ner jun­gen frau be­stim­men liess. un­ter­bro­chen wur­de das ga­cker­ge­heu­le von lal­lig-gröh­li­gem, männ­li­chem ge­schrei. er so: „arsch­loch!“ sie so „huuuuhaaa!“. er: „kommscht du jetzt mit?“ sie: „huuuuhaaa­nääääh.“ „du hure.“ „hüüüüühäääää!“ „komm jetzt!“ „haaaaaaaaaaaaaaaa! nein!“ „wo willst du denn hin? du schlam­pe!“ „huuuuuhaaa!“

zwi­schen­zeit­lich set­ze die männ­li­che stim­me zu län­ge­ren mo­no­lo­gen an, in de­nen er dar­auf hin­wies, dass heu­te sein ge­burts­tag sei, sie ihm sein le­ben rui­nie­re, sie die gröss­te „hure“, „fot­ze“ und „schlam­pe“ des lan­des sei und jetzt ge­fäl­ligst mit ihm nach hau­se kom­men sol­le. sie zog es vor ein­fach hoch­fre­quent und dau­er­haft zu schrei­en und hin und wie­der ein „nein“ oder ein „weiss nicht“ oder ein „lass mich in ruhe“ oder ein „du hast mich ge­schla­gen“ ein­zu­flech­ten. die un­ter­hal­tung war recht mo­no­the­ma­tisch, aber sehr laut. auch wenn der schrei­hals so sehr wank­te und lall­te, dass eine ech­te kör­per­li­che ge­fahr für die frau nciht rea­lis­tisch schien, zo­gen wir nach ein paar mi­nu­ten in er­wä­gung die po­li­zei zu ru­fen. just als wir die­sen ge­dan­ken zu­en­de ge­dacht hat­ten, fuhr ein po­li­zei­wa­gen mit mar­tins­horn vor, zwei po­li­zis­ten stürm­ten her­aus und lie­fen su­chend an dem päär­chen vor­bei, dass jetzt plötz­lich still und fried­lich war, sich ge­gen­sei­tig je eine zi­ga­ret­te an­zün­de­te und händ­chen­hal­tend in rich­tung u-bahn schlen­der­te. die tar­nung und der schutz dem die frau dem ty­pen schenk­te, der sie eben noch ge­schla­gen, be­droht und be­schimpft hat­te, funk­tio­nier­te per­fekt und die po­li­zis­ten zo­gen un­ver­rich­te­ter din­ge wie­der ab.

die blöd­heit der men­schen er­scheint ei­nem manch­mal un­er­schöpf­lich.

und ob­wohl in der nacht noch ein paar an­de­re al­ko­ho­li­sier­te ihre dis­kus­sio­nen laut­stark, das gan­ze vier­tel ein­be­zie­hend, vor dem s-bahn-bahn­hof aus­tru­gen, ist es doch un­ge­heu­er prak­tisch an ei­nem s-bahn­hof zu woh­nen. für eine durch­ge­hen­de nacht­ru­he, soll­te man al­ler­dings das fens­ter ge­schlos­sen hal­ten.