ge­schei­ter­te pro­fes­sio­na­li­sie­rung?

felix schwenzel

mal­te lässt sich im ak­tu­el­len blog­blik über die „ge­fühlt ge­schei­ter­te Pro­fes­sio­na­li­sie­rung“ der deut­schen blogs aus. kann man ja mal ma­chen, auch wenn das be­reits seit ge­fühl­ten 100 jah­ren im­mer wie­der in re­gel­mäs­si­gen ab­stän­den ge­macht wird.

mal­te schreibt:

Wenn man ei­nen Freund hat, der nach der Ar­beit ein we­nig malt, dann wird man in der Re­gel ge­willt sein, die Bil­der zu mö­gen, wenn er sie ei­nem zeigt, man wird be­wun­dern, dass je­mand ne­ben sei­ner ei­gent­li­chen Pro­fes­si­on noch so ta­len­tiert auf ei­nem ganz an­de­ren Ge­biet ist. Lädt der­sel­be Freund zu ei­ner Aus­stel­lung ein, dann wird er es sich ge­fal­len las­sen müs­sen, nach den Maß­stä­ben des Mal­be­triebs be­ur­teilt zu wer­den. Und häu­fig nicht so gut ab­schnei­den.

ich weiss zwar nicht ge­nau was mal­te da­mit zum aus­druck brin­gen will, aber ich bin si­cher er irrt. es zeigt näm­lich ein naiv ver­klär­tes bild der „pro­fes­si­on“ oder des pro­fes­sio­na­lis­mus. ge­ra­de die kunst ist das schlech­tes­te bei­spiel um dem blog­dings man­gel­den pro­fes­sio­na­lis­mus nach­zu­wei­sen. so gut wie alle künst­ler sind das ge­gen­teil von pro­fes­sio­nell: sie ver­die­nen kein geld mit kunst, sie wer­den kaum an­er­kannt und fast alle ha­ben ne­ben­bei ei­nen brot­job von dem sie le­ben. schau­te man sich die deut­sche kunst­sze­ne an, müss­te man zur glei­chen, blöd­sin­ni­gen und in­halts­lee­ren aus­sa­ge wie der von mal­te zi­tier­te main­gold kom­men:

Der Traum der Pro­fes­sio­na­li­sie­rung, und so­mit der Mo­ne­ta­ri­sie­rung von Blogs im gro­ßen Um­fang ist aus­ge­träumt.

ex­akt so, könn­te man das sa­gen, wenn man das wort „blogs“ ge­gen „kunst“ tauscht. ist die kunst des­halb tot? doof? lang­wei­lig? von schlech­ter qua­li­tät?

ich glau­be das ge­gen­teil ist der fall.

und ich glau­be dass die ka­te­go­rie „pro­fes­sio­na­li­tät“ ge­nau die fal­sche ist um die qua­li­tät von blogs (oder kunst) zu be­wer­ten. ob ein werk zum geld­ver­die­nen oder „ne­ben­bei“ ent­steht, ob es ei­nem freund oder der öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich ge­macht wird sagt doch nichts über die qua­li­tät aus. und vor al­lem was sol­len die „Maß­stä­be des Mal­be­triebs“ sein, nach de­nen bil­der be­ur­teilt wer­den? ab­so­lu­te mas­stä­be gibt es we­der im kunst­be­trieb, noch im blog­be­trieb, noch im jour­na­lis­mus. ge­nau­so­we­nig wie die­ter boh­len mas­stä­be für mu­sik fest­le­gen kann (auch wenn er be­hap­tet es zu kön­nen), exis­tie­ren all­ge­mei­ne mas­stä­be für blogs, kunst oder mu­sik nach de­nen ir­gend­ei­ne be­triebs­ju­ry be­ur­tei­lun­gen fällt. ge­nau wie die künst­ler (blog­ger, mu­si­ker, wa­sauch­im­mer) selbst, sind auch die kunst­kri­ti­ker, ga­le­ris­ten, käu­fer und zaun­gäs­te in ei­nem stän­di­gen wett­be­werb um auf­merk­sam­keit, re­le­vanz, au­to­ri­tät und an­er­kennng. ich glau­be man nennt das markt.

In dem Mo­ment, in dem Blog­ger Ma­ga­zin sein wol­len oder Nach­rich­ten­dienst, sieht man auf ein­mal, wie es in den Sät­zen knirscht, die Fak­ten ge­bo­gen wer­den, die Flickr-Bil­der häss­li­cher sind als die der Agen­tu­ren, das Ex­per­ten­wis­sen dann eben doch nicht von Fuß­ball bis Phi­lo­so­phie reicht. Es ist der­sel­be Grund, war­um je­der Deut­sche ver­mut­lich meh­re­re ko­mi­sche Freun­de hat, es aber kei­ne deut­schen Co­me­di­ans gibt, die man vor sei­nem ers­ten Schlag­an­fall er­trägt.

blöd­sinn. die tat­sa­che, dass mal­te sei­nen fern­se­her ein­schal­tet und nur blö­de, un­wit­zi­ge ko­mi­ker sieht ist doch kein be­weis da­für, dass es in deutsch­land kei­ne wit­zi­gen men­schen gibt oder dass es in an­de­ren län­dern mehr und wit­zi­ge­re gibt. es kann al­ler­dings ein hin­weis sein, dass die pro­fes­sio­na­li­sie­rung und mo­ne­ta­ri­sie­rung gift für die kunst sein kann. hans wer­ner olm hab ich vor 25 jah­ren mal in aa­chen auf ei­ner win­zi­gen büh­ne ge­se­hen. da war er ver­mut­lich ein ar­mer schlu­cker, der sein geld als gag­schrei­ber oder re­dak­teur ver­die­nen muss­te, aber ich habe mich be­pisst vor la­chen. in dem mo­ment als dank pri­vat-fern­se­hen sei­ne „pro­fes­sio­na­li­sie­rung“ star­te­te, ver­moch­te er noch nicht­mal ein lä­cheln auf mei­ne lip­pen zu zau­bern.

die tat­sa­che, dass es die bild-zei­tung oder ma­rio barth gibt, ist we­der ein zei­chen da­für, dass in deutsch­land der jour­na­lis­mus noch die ko­mik am ende ist. das ge­gen­teil ist der fall. es gibt gross­ar­ti­ge pres­se­er­zeug­nis­se, mare, brand­eins, dum­my, oft ge­nug fin­de ich wirk­lich brauch­ba­res in der FAS, der SZ, der ZEIT oder in blogs, über leu­te wie fil, hel­ge schnei­der, kon­rad bei­kir­cher, anke en­gel­ke, jo­hann kö­nig, kurt krö­mer kann ich mir nach wie vor mus­kel­ka­ter la­chen.

klar, es gibt schlech­te ko­mi­ker, öde blogs, doo­fe kunst, in­kom­pe­ten­ten jour­na­lis­mus, un­glaub­lich viel schrott, aber den gibts auch in ame­ri­ka und dem rest der welt. aber das hat nichts mit „ge­schei­ter­ter Pro­fes­sio­na­li­sie­rung“ zu tun, son­dern mit viel­falt und dem un­wil­len sich auf die­se viel­falt ein­zu­las­sen. das ein­zig ty­pisch deut­sche an die­ser gan­zen de­bat­te, ist das la­men­tie­ren dar­über wie schlecht und un­pro­fes­sio­nell das al­les in deutsch­land im ge­gen­teil zum rest der welt ist. das könn­te man „un­pro­fes­sio­nell“ nen­nen, ich nenns aber lie­ber klein­ka­riert.